Wolfsburg:Unentschlossen nach Berlin

16 05 2015 Fussball 1 Bundesliga 2014 2015 33 Spieltag VfL Wolfsburg Borussia Dortmund in der

Die Lücke gefunden: Wolfsburgs Naldo wagt den Schuss aufs Dortmunder Tor und hat damit Erfolg. Sein Treffer in der 49. Minute entschied die Partie.

(Foto: imago)

Zwar siegt der VfL, aber das Duell der Pokalfinalisten weist auf eine 50:50-Chance hin.

Von JÖRG MARWEDEL, Wolfsburg

Die ersten 42 Sekunden am Samstag haben eigentlich alles gesagt über den VfL Wolfsburg und Borussia Dortmund in dieser Spielzeit. In dieser "behämmerten Anfangsminute", so BVB-Trainer Jürgen Klopp, hat Ilkay Gündogan einen Fehlpass gespielt, Kevin De Bruyne passte vom linken Flügel auf Daniel Caligiuri, der eher am Ball war als Neven Subotic. Und schon steht es 1:0. "Fehlende Konzentration", diagnostizierte BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang.

Es war schon das vierte Mal in dieser Saison, dass die Borussia in der ersten Minute ein Gegentor kassierte. Und zum 21. Mal hat De Bruyne seinen Kollegen eine Torvorlage serviert wie ein Spitzenkellner. Damit löste er den Spitzenwert von Zvjezdan Misimovic ab, der 2008/2009, im Wolfsburger Meisterjahr, 20 Assists aufgelegt hatte. Am Ende hatte der VfL die Generalprobe zum Berliner Finale dieser beiden Teams um den DFB-Pokal am 30. Mai mit 2:1 gewonnen. In einer Partie, nach der sich alle auf ein "geiles Endspiel freuen können". So hat es VfL-Coach Dieter Hecking bilanziert und damit nicht nur das "relativ gute Spiel über 88 Minuten" (Klopp) des Gegners gewürdigt, sondern auch ein "sensationelles" seiner Profis. Die Wolfsburger Fans haben sich eh schon ganz auf den Berliner Höhepunkt eingestellt. Nicht nur die Ultra-Gruppe "Weekend Brothers" stimmte permanent jenes Lied an, nach der es in diesem Jahr nur ein Ziel gebe: "Scheiß auf die Meisterschaft und den Europacup - DFB-Pokal ist dieses Mal".

Nebenher läuft der Poker um den Verbleib von Kevin De Bruyne

Da haben sie aber den Ehrgeiz ihrer Mannschaft unterschätzt. Nicht nur Hecking hatte weitere Wünsche aufgezählt, für deren Erfüllung man viel tun wolle. Da ist die sogenannte Vizemeisterschaft, die ja - seit der FC Bayern als Dauerchampion anerkannt wurde - quasi als deutsche Zweit-Meisterschaft gilt. Es galt, die Heimserie zu verteidigen - nun sind die Wolfsburger die einzige Mannschaft, die zu Hause ungeschlagen blieb. Gewinnt man das letzte Spiel in Köln, hat man den Punkte-Rekord aus dem Meisterjahr (69) um zwei Zähler übertroffen. Und auch die Torjägerkanone ist ja noch frei, seitdem die Führenden Alex Meier (Frankfurt, 19 Treffer) und Arjen Robben (Bayern, 17) darniederliegen. Wäre nicht Bas Dost, mit 16 Toren VfL-Schütze Nummer eins und von De Bruyne gesucht wie ein Hauptdarsteller, vor dem Kasten so oft gescheitert, dann hätte man De Bruyne nicht nur 21 Vorlagen gutschreiben müssen. "Wenn ich besser treffe, hätte er noch zwei Assists mehr", sagte der Niederländer selbstkritisch.

Bleibt die Frage, ob der umworbene De Bruyne (Vertrag bis 2019) wirklich in Wolfsburg bleibt. Sein Berater Patrick De Koster hat ein Gespräch mit Manager Klaus Allofs angekündigt: "Ich will wissen, ob sie Kevin einen neuen Deal anbieten oder sie ihm erlauben, den Klub zu verlassen."

Auch die Dortmunder hatten ja noch interne Aufträge - zum Beispiel den, den ungeliebten Nachbarn Schalke in der Tabelle zu überholen oder innerhalb von drei Monaten vom 18. auf den sechsten Platz vorzustoßen, was noch keinem Team gelungen ist. Das mit Schalke klappt nun nicht mehr, Platz sechs ist erreichbar, wenn man am letzten Spieltag Werder Bremen schlägt und der FC Augsburg in Mönchengladbach verliert. Ein Platz in der Europa League ist sogar dann noch drin, wenn man das Pokalfinale verliert und Siebter wird.

Dass die forsch nach vorne spielenden Dortmunder nicht wenigstens einen Punkt sicherten, hatte aber nicht nur mit der fehlenden Treffsicherheit (Aubameyang und der aufgedrehte Henrikh Mkhitaryan vergaben fast ein Dutzend Chancen) zu tun. Eher mit der grandiosen Spielverlagerung der Wolfsburger, bei der sich auch Maximilian Arnold hervortat. Und vor allem mit Schiedsrichter Marco Fritz, der "ein überzeugendes Spiel gemacht hat, mit drei Fehlern, was eine gute Quote ist", wie Klopp sarkastisch feststellte.

Tatsächlich hätte manch anderer Kollege auf das Foul von VfL-Torwart Diego Benaglio an Kevin Kampl in der elften Minute nicht nur auf Elfmeter entschieden (was Fritz tat, worauf Aubameyang den Ausgleich erzielte), sondern dem VfL-Keeper zudem die rote statt der gelben Karte gezeigt. In der 43. Minute hätte er ebenfalls einen Strafstoß geben können, als Timm Klose BVB-Mittelfeldspieler Mkhitaryan im Strafraum zu Fall brachte. Vor allem aber hätte er das 2:1 durch Naldo (49.) nicht geben dürfen, denn Joshua Guilavogui und Klose turnten in Abseitsstellung vor Borussen-Keeper Mitchell Langerak herum.

Wer ist denn nun Favorit im Pokalfinale? "In der Wahrnehmung draußen sind die Dortmunder ein bisschen Favorit", versuchte Allofs glauben zu machen, "aber das haben wir etwas zurechtgerückt." Jürgen Klopp meinte, man habe zwar 25 Punkte Rückstand in der Bundesliga, "aber wir sind nicht chancenlos". Der ausgleichenden Hecking hatte das Schlusswort: "Es ist ein 50:50-Spiel."

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