Süddeutsche Zeitung

Wolfsburg und Gladbach spielen remis:Zeit der Genügsamkeit

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Ist Dieter Hecking zu freundlich? Beim 2:2 in Wolfsburg lässt sein Klub auf fast fahrlässige Art zwei Punkte liegen. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach gibt sich dennoch sehr zufrieden.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Gladbachs Trainer Dieter Hecking war zufrieden. Obschon die Geschehnisse von Wolfsburg dafür gesprochen hatten, sich zu ärgern, vielleicht sogar in maßloser Weise. Zwei Mal war seine Borussia am Mittellandkanal in Führung gegangen, zwei Mal glichen die Wolfsburger, mehr oder weniger postwendend, wieder aus. Bei einem Sieg hätte die Borussia die gleiche Punktezahl (13) gehabt wie Hertha BSC und der FC Bayern, den Gladbach am kommenden Samstag besuchen wird (18.30 Uhr). Doch am Ende stand es 2:2. "Mit dem Punkt kann ich gut leben, den nehmen wir mit", erklärte Dieter Hecking, obwohl der letzte Auswärtssieg seiner Mannschaft (bei Hannover 96 im Februar) nun fast acht Monate zurückliegt. Und die Gelegenheit, die Serie zu durchbrechen, so greifbar war wie selten.

Ob Heckings Genügsamkeit daran lag, dass die Punkteteilung dem Spielverlauf durchaus Genüge tat? Wer weiß. In jedem Fall hätte keine der beiden Mannschaften hernach behaupten können, die Partie dominiert zu haben, was sich auch in der Halbwertzeit der Gladbacher Führungen ablesen ließ: einmal fünf, einmal elf Minuten.

Die ersten beiden Tore waren gefallen, als die Temperatur der Partie noch gar nicht messbar war. Die erste Führung der Gladbacher kam zustande, als sie sich über Mittelfeldspieler Neuhaus aus der eigenen Hälfte lösen konnten und der Ball beim neuen Mittelstürmer Alassane Pléa landete, der die Unbedarftheit seines Wolfsburger Bewachers Robin Knoche sofort überriss: Der Innenverteidiger dachte nicht mal ansatzweise daran, seinen Gegenspieler zu attackieren, Pléa schoss aus 16 Metern aufs Tor - und setzte den Ball aus halblinker Position mit kraftvollem Effet in den rechten Winkel (7.).

Foul oder Fehler? Der Niederländer Weghorst bekommt Deutsch-Unterricht

Keine fünf Minuten später beschwor Pléa allerdings mit einen schrecklichen Fehlpass den Ausgleich herauf: Er übersah im Halbfeld den Wolfsburger Renato Steffen und setzte diesen ungewollt in Szene. Steffen konnte seinen Schweizer Landsmann Yann Sommer aus 17 Metern mit einem Flachschuss überwinden.

Die Gladbacher konnten anschließend von einigem Glück reden, dass Schiedsrichter Felix Zwayer ein Eigentor von Nico Elvedi annullierte (20.), weil dieser in einem Clinch mit Wolfsburgs Stürmer Wout Weghorst zu Boden gegangen war. Zwayer soll seinen Irrtum eingesehen haben, als es zu spät war: "Er hat zu mir gesagt, dass das ein Fehler war", berichtete Weghorst später. Doch das war ein Missverständnis: Der Niederländer Weghorst meinte, das Wörtchen Foul sei ein Synonym des Begriffs Fehler - und Referee Zwayer hatte ihm zu verstehen gegeben, dass er ein Foul begangen hatte.

Nach einer qualitativ überschaubaren Restspielzeit in der ersten Halbzeit legte Mönchengladbach unmittelbar nach der Pause wieder vor, diesmal nach einem Konter. Über Christoph Kramer, der schon in den ersten 45 Minuten eine markante Rolle gespielt hatte, landete der Ball bei Patrick Herrmann, der mit einem Sololauf drei Gegenspieler neutralisierte und dann auf der linken Seite Kapitän Thorgan Hazard bediente. Der Belgier setzte den Ball mit dem Innenrist halbhoch ins Netz des Wolfsburger Tores (48.).

Nach dieser neuerlichen Führung sahen die Gladbacher Anlass, sich mehrheitlich hinter dem Ball zu positionieren. Jedoch ohne das erhoffte Resultat, weil Wolfsburgs Regisseur Yunus Malli plötzlich aufwachte. Er hebelte in der eigenen Hälfte zwei Gladbacher mit einem Pass auf Renato Steffen aus, erhielt den Ball in Strafraumnähe zurück und leitete ihn, mit etwas Glück, auf Weghorst weiter, der aus zehn Metern zum neuerlichen Ausgleich einschießen konnte (59.).

Danach hielt das Spiel zwar einiges an Tempo und Intensität parat. Aber wirklicher Spielfluss kam nicht mehr auf, weil beiden Mannschaften die Gabe fehlte, den vorletzten oder letzten Pass zum Mitspieler zu bringen; die Partie spielte sich hauptsächlich zwischen den beiden Strafräumen ab. Wolfsburgs Trainer Bruno Labbadia freute sich darüber, dass seine Mannschaft "nach den zwei Nackenschlägen wieder zurückgekommen" ist, "am Ende waren wir dem 3:2 näher." Sein Gladbacher Kollege Dieter Hecking hingegen schaute auf die Tabelle ("Wir sind sehr, sehr einverstanden mit den elf Punkten") sowie auf die Visite beim FC Bayern. "Wenn wir kommende Woche immer noch unter den ersten vier sind, wäre ich sehr zufrieden." Dieser Satz bezeugte, dass der Coach vielleicht doch nicht nur genügsam ist.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2018
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