Wolfsburg:Topstar in Teilzeit

Wolfsburg: Entweder verletzt oder der beste Mann: Daniel Didavi, 26.

Entweder verletzt oder der beste Mann: Daniel Didavi, 26.

(Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Künstlerfuß (I): Daniel Didavis kuriose Karriere setzt sich auch beim niedersächsischen Erstligisten fort. Entweder ist er verletzt und fällt aus oder er ist der beste Mann auf dem Spielfeld.

Von Christof Kneer, Wolfsburg/München

Bruno Labbadia, Thomas Schneider, Armin Veh, Huub Stevens, Alexander Zorniger, Jürgen Kramny, Dieter Hecking und Valérien Ismaël sind nach allem, was man weiß, sehr verschiedene Menschen, und auch beruflich verbindet diese verschiedenen Menschen höchstens zweierlei. Erstens: Sie sind amtlich zertifizierte Fußballtrainer. Und zweitens: Einer ihrer Lieblingsspieler ist Daniel Didavi.

Wobei: Viele der genannten Menschen/ Trainer würden dieser These vielleicht sogar widersprechen. Sie würden sagen: Der Lieblingsspieler ist Daniel Didavi.

Der Mittelfeldspieler Didavi, 26, hat am Sonntag wieder mal das getan, was er am besten kann: Er ist als bester Spieler seiner Elf aus einer langen Verletzungspause zurückgekehrt. In dieser einerseits bewunderns-, andererseits bemitleidenswerten Disziplin dürfte dieser Spieler weltweit führend sein, aber es ist ein Alleinstellungsmerkmal, das ihm nichts bedeutet. Das mit dem gut Spielen findet Didavi ja okay, er hat nichts dagegen, in der zweiten Halbzeit reinzukommen und ein Spiel für den VfL Wolfsburg zu entscheiden. Er nimmt es als Kompliment und findet es auch angemessen, wenn Kritiker schwärmen, dass nach seiner Einwechslung ein sog. Ruck durchs Team gegangen sei; und wenn in den Analysen geschrieben steht, dass der VfL aus einem 0:1-Pausenrückstand gegen Hoffenheim nur deshalb ein 2:1 machen konnte, weil er diesen Didavi hatte, der das Siegtor sicherheitshalber selbst erzielte.

Aber das mit all den Verletzungen zwischen all den Topleistungen: Das findet Daniel Didavi nicht so okay.

Die Bundesliga gibt es seit bald 54 Jahren, aber so ein Spieler war noch nicht dabei: einer, der eine On-off-Beziehung mit der eigenen Karriere führt und zwischen "Langzeit-Verletzter" und "angehender Nationalspieler" pendelt. Seit sich Didavi im Mai 2012 eine Knorpelverletzung im Knie zuzog, ist er zum Teilzeit-Topstar geworden, zu einem fast schon rührenden Dienstleister, der beim VfB Stuttgart meist dann in den Betrieb zurückkehrte, wenn es galt, mal wieder den Abstieg zu vermeiden. Was er mithilfe seines grandiosen linken Fußes oft weitgehend selbst erledigte.

Er wisse auch nicht, warum er nach langen Pausen "ohne große Spielpraxis sofort wieder auf hohem Niveau spielen" könne, hat Didavi voriges Jahr im SZ-Gespräch gesagt; vielleicht liege das daran, "dass meine Karriere schon mal auf dem Spiel stand, dass ich schon mal an dem Punkt war, an dem ich dachte: Ich will einfach nur ohne Schmerzen kicken können, und wenn's mit den Kumpels auf dem Bolzplatz ist." Mit dieser Lockerheit habe er "vielleicht den ein oder anderen angesteckt". Ironischerweise hat es den VfB später doch erwischt, ausgerechnet in einer Saison, in der Didavis Knie lange mitspielte. Aber gegen die Eigendynamik war am Ende auch Didavi machtlos, der VfB war einfach fällig.

Der Profifußball müsste eigentlich froh sein, wenn er Burschen wie Didavi hat, die sich auf den eitelsten Positionen eine gewisse Uneitelkeit bewahrt haben. Didavi spielt da, wo die Künstler spielen, auf der Zehn, aber er ist sich für keine niedere Tätigkeit zu schade. Wenn er keinen Raum für Pass oder Torschuss findet, kann er auch tadellos grätschen und rempeln, aber auch bei seinem neuen Klub Wolfsburg hat er das bisher zu selten zeigen können.

Das heißt: Er hat es eigentlich immer gezeigt, wenn er auf dem Platz stand. Aber da stand er halt zu selten. Nach exzellentem Start im Sommer brachte ihn eine Meniskus-OP gleich aus dem Rhythmus; nun aber, nach einem wie immer geglückten Comeback, ist er zuversichtlich, "dass das Knie mal länger hält". Dennoch haben die Wolfsburger im Winter vorsichtshalber noch den Mainzer Yunus Malli gekauft, sie wollten es Didavi und seinem Knie nicht allein zumuten, Julian Draxler zu ersetzen.

Nächste Woche wird Didavi schon 27, aber vielleicht ist wenigstens das ein Vorteil seiner kuriosen Karriere: dass er noch einen Hunger auf diesen Sport hat, der mindestens so groß ist wie beim 23-jährigen Julian Draxler.

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