Wolfsburg:Theater der Albträume

VfL Wolfsburg - Hannover 96

Er ist zwar neu in Wolfsburg, als anerkannter Sympathieträger aber sofort gefordert: Verteidiger Dante, vormals Bayern München.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Die Auswirkungen der Dieselaffäre auf den VfL sind nicht absehbar.

Von Javier Cáceres, Berlin/Wolfsburg

Wenn die Angestellten der VfL Wolfsburg GmbH an diesem Mittwochabend das "Theater der Träume" betreten, Manchester Uniteds mythisches Stadion namens "Old Trafford", dann wird auch ein Albtraum zugegen sein: ein Albtraum namens "Dieselgate".

Zwar wird auch bei Anpfiff (20.45 Uhr/live im ZDF und in Sky) lediglich schemenhaft zu erkennen sein, welche konkreten Folgen das Schummel-Desaster für den Konzern haben wird. Doch eines steht jetzt schon fest und ist in gewisser Hinsicht neu: Der VfL ist erstmals wirklich als Sympathieträger gefordert. Und das gleich in doppelter Hinsicht: Für die radikal verunsicherte Stadt, die ihre physische Existenz dem Volkswagen-Konzern verdankt, sowie für das Unternehmen Volkswagen. Der VfL ist dessen hundertprozentige Tochter.

Seit Tagen schon versucht VfL-Manager Klaus Allofs zu beruhigen, wenn die unvermeidliche Frage auftaucht. Wenn zu befürchten steht, dass der Gesamtkonzern wegen Umsatzeinbrüchen und milliardenschweren Geldbußen nicht mehr derselbe ist: Kann dann der fürstlich alimentierte Fußball so bleiben, wie er bisher war?

Rund 370 Angestellte hat die GmbH mittlerweile, sie verfügt über einen Etat, der sich angeblich bei etwa 100 Millionen Euro bewegt. Eine solche Summe ist im Bundesliga-Vergleich nicht wenig; im Rahmen der globalen Finanzstruktur des VW-Konzerns aber nicht viel mehr als ein Klecks. Andererseits: Die Rendite, die eine solche Aktivität einbringt, ist größtenteils ideeller Natur. Sie besteht vor allem in einem kaum zu messenden Gewinn an Popularität. Daran wird wenig bis gar nicht herumgemäkelt, solange genug Geld da ist und die Erfolge stimmen - zuletzt wurde der Champions-League-Teilnehmer VfL ja Zweiter der Meisterschaft und Pokalsieger. Doch was, wenn die Diesel-Katastrophe den Konzern ins Fleisch schneidet?

Im Raum stehen Umsatzeinbrüche und möglicherweise abermilliardenschwere Strafzahlungen für die Abgas-Manipulationen. Bereits jetzt sind in Wolfsburg die Folgen für den städtischen Alltag zu begutachten. Keine 48 Stunden vor der Partie in Manchester wurde publik, dass die Gemeinde Wolfsburg, die bislang wegen der Körperschaftssteuerzahlungen von VW auf Rosen gebettet war, über Nacht eine Haushaltssperre verhängen musste.

Gut für den VfL: Auch der neue VW-Chef ist dem Sport zugeneigt

Allofs betont dieser Tage, dass die Förderung des VfL eine bewusste strategische Entscheidung des Konzerns gewesen sei, und dass es bislang keinerlei Anzeichen dafür gebe, dass sich daran etwas ändern könne. Das bestätigen Kenner des Konzern-Innenlebens. Das hat auch Gründe: Es gibt im Moment exorbitant wichtigere Fronten für VW als die kickende Filiale. Die Umbauten an der Konzernspitze zählen dazu, ebenso die vielschichtige Bewältigung der Diesel-Affäre. Aber es steht eben auch noch lange nicht fest, wie hoch die Strafen für VW sein werden. In so einer Lage wird der Konzern sich hüten, Adhoc-Maßnahmen anzugehen, die weit über den VfL hinaus als verunsichernd wirken könnten.

Auch die Frage, ob sich die Demission des bisherigen VW-Chefs Martin Winterkorn negativ auf den VfL auswirken wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum seriös beantworten. Dass Winterkorn der große Fürsprecher des VfL war, ist hinlänglich bekannt; in der Fußball-Branche hieß es deshalb nicht von ungefähr, dass der VfL wegen seiner Finanzmittel fast schon der einzige ernsthafte Konkurrent des FC Bayern sein könne - "wenn Winterkorn bleibt". Aus der jüngeren Geschichte des anderen großen Konzern-Klubs der Fußball-Bundesliga, Bayer 04 Leverkusen, lässt sich durchaus lernen, dass sich der Grad des Engagements eines Unternehmens immer auch über die handelnden Personen definiert.

So gesehen konnte der VfL dieser Tage punkten: Winterkorns Nachfolger Matthias Müller soll dem Sport durchaus zugeneigt sein. Zudem sind drei Aufsichtsräte des VfL fest in der Konzernspitze verankert: Konzernbetriebsrats-Chef Bernd Osterloh sowie die beiden Vorständler Hans-Dietrich Pötsch (Geschäftsbereich "Finanzen und Controlling") und Francisco Javier García Sanz ("Beschaffung"). Doch auch ihnen wäre mit Sicherheit wohler, wenn das V und W, das die VfL-Kicker auf der Brust tragen, im Theater der Träume heller strahlt denn je.

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