Es gibt nichts mehr rund um den Wolfsburger Profifußballer Kevin De Bruyne, was nicht den Keim der Aufregung in sich tragen könnte. Und seien es stumme Werbetafeln, auf denen diverse Kollegen des Belgiers als Models das neue Leibchen des VfL bewerben: Luiz Gustavo, Ricardo Rodríguez, Daniel Caliguri.
Es ist Mittag, in der Wolfsburger Arena werden Kaltgetränke, Kaffee sowie mit Wurst und Käse belegte Brötchenhälften gereicht; Dieter Hecking und Klaus Allofs, Trainer beziehungsweise Manager des Fußballbundesligisten, hatten auch zur Bilanz der bisherigen Saison und einem Ausblick auf das Pokalfinale vom Samstag geladen und müssen sich einer Frage erwehren, von der Allofs später sagen wird, dass er sie erwartet hatte. Ob es etwas zu bedeuten habe, dass De Bruyne nicht Teil der Kampagne für das Jersey der Spielzeit 2015/16 sei, lautet sie, und Allofs verzieht die Miene, als sie noch gar nicht zu Ende gestellt ist.
Die Debatten um den Belgier laufen heiß
Dann lässt er das Trikot zücken, das er für Fotos mitgebracht hat - und mit dem Namen des Belgiers, De Bruyne, und seiner Rückennummer 14 beflockt ist. Voilà: Und er bleibt also doch.
Eigentlich ist der Belgier bis 2019 vertraglich an den VfL gebunden, und schon vor Monaten erklärte Allofs, dass er nicht einmal bei einem Angebot von 50 Millionen Euro zucken würde. Auch De Bruynes Berater hat erkennen lassen, dass er die nächste Entwicklungsstufe weiterhin in Wolfsburg sieht. Dass die Debatten um die Zukunft des Belgiers dennoch heiß laufen, hat einen Grund. De Bruyne löst ein, was er schon vor Jahren war: ein Versprechen auf einen Fußballer von Weltklasse-Format.
Hecking nennt ihn "überragender Umschaltspieler"
Es gibt kaum noch einen Klub mit Champions-League-Ansprüchen, der nicht mit De Bruyne, 23, in Verbindung gebracht worden wäre, zuletzt wurden der FC Bayern München, der FC Barcelona, Manchester City und Paris Saint-Germain genannt. Unter anderen. Denn sie alle stolpern über einen monumentalen Arbeitsnachweis.
In der abgelaufenen Bundesligaspielzeit bestritt De Bruyne nicht bloß ausnahmslos alle 34 Bundesligaspiele. Er spielte praktisch alle durch, wurde in lediglich vier Spielen ausgewechselt, frühestens nach 88 von 90 Minuten. Er erzielte zehn Treffer selbst, die Hälfte davon nach Kontern, was seinen Ruf als "überragender Umschaltspieler" (Hecking) unterstreicht. Und er war an 22 weiteren der 72 Wolfsburger Treffer beteiligt.
Zum Vergleich: Die gesamte Belegschaft des Hamburger SV kam in der ganzen Spielzeit auf 25 Tore. Mit seinen 22 Vorlagen fabrizierte er im Übrigen einen Rekord. Denn er übertraf die Anzahl der jeweils 20 "Assists", die der frühere Wolfsburger Mittelfeldspieler Zvjezdan Misimovic (2008/2009) und Bayern Münchens Franck Ribéry (2010/2011) geliefert hatten.
Angesichts derart erschlagender Belege hat Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking nicht das geringste Problem damit, die Außergewöhnlichkeit De Bruynes auch im Mannschaftskreis als solche offen zu benennen: "Ich habe neulich auch in einer Mannschaftssitzung gesagt, dass er der Spieler ist, der aus einer sehr guten Mannschaft herausgestochen ist. Aber ich habe auch gesagt, dass er nur deshalb so herausragt, weil die anderen wahnsinnig für ihn mitarbeiten", sagt Hecking, der nun schon anderthalb Jahre mit De Bruyne zusammenarbeitet - und vor allem sein Gespür für Räume rühmt.
"Er spielt Pässe, die andere nicht sehen", sagt Allofs, der De Bruyne besonders gut kennt. Zu seiner Zeit als Manager von Werder Bremen hatte er De Bruyne zusammen mit dem damaligen Trainer Thomas Schaaf im belgischen Genk beobachtet, dann aber gegen den FC Chelsea das Nachsehen gehabt. Als De Bruyne bei den Londonern Anlaufschwierigkeiten hatte, lieh Werder ihn 2012/2013 für eine Spielzeit aus. Nach seiner Rückkehr zum FC Chelsea spielte De Bruyne wieder nur sporadisch; der zwischenzeitlich nach Wolfsburg gewechselte Allofs schlug neuerlich zu.
Das Prädikat Weltklasse? Nicht übertrieben
Vereine wie Leverkusen, DFB-Pokalfinalgegner Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach signalisierten ebenfalls Interesse. Der VfL Wolfsburg war der einzige Verein, der die Summe zahlen konnte oder wollte, die Chelsea als Ablöse aufrief - mehr als 20 Millionen Euro. Dass De Bruyne seither besser geworden ist, führt Allofs auf die Entwicklung zurück, die er durch Erfahrungen wie die WM-Teilnahme 2014 in Brasilien gemacht hat. Und darauf, dass De Bruyne in Wolfsburg in einem anderen Konkurrenzkampf steht als in Bremen. "Damals war Werder leider nicht mehr auf Champions-League-Niveau. Hier wird Kevin schon im Training anders gefordert", sagt Allofs, der auch das Prädikat Weltklasse nicht für übertrieben hält.
Das entspricht im Übrigen auch der Wertschätzung, die De Bruyne von Wolfsburgs Konzernmutter Volkswagen angedeiht. Vorm Pokalfinale nahm VW-Konzern-Chef Martin Winterkorn den Belgier in die Pflicht: "Große Spiele werden durch große Spieler entschieden. Das ist er." De Bruyne wird das bald schon ummünzen können. Allofs hat angekündigt, sich nach dem Sommer über den Vertrag De Bruynes beugen zu wollen. Im Raum steht damit eine längere Laufzeit - und eine bessere Weltklasse-Dotierung.