Süddeutsche Zeitung

Wolfsburg:Ohne Heiland

Auch der neue Trainer Bruno Labbadia kann die Talfahrt des VfL nicht bremsen - beim 1:2 gegen Bayer Leverkusen diagnostiziert er ein mentales Problem.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg/Berlin

Der Fußballtrainer Bruno Labbadia, 52, löst seltsame Formen von Enthusiasmus aus. Vor ein paar Monaten etwa, als er noch ohne Job war, hospitierte er beim Bundesligisten RB Leipzig, und in Erinnerung blieb in der Heldenstadt der schmachtende Ausruf eines unbekannten weiblichen Fans: "Wie dor Brunooo im Anzuch üborn Dräningsplatz geloof'n is'..." Muss herrlich gewesen sein.

Beim VfL Wolfsburg, wo Labbadia nun eine neue Anstellung gefunden hat, löst er nun ebenfalls Begeisterungsstürme aus, die auf den ersten Blick verstören. Am Samstag jedenfalls fingen die Fernsehkameras beim 1:2 der Wolfsburger gegen Bayer Leverkusen einen Gesang der Wolfsburger Fans ein, der wie folgt lautete: "Wir steigen ab! / Wir komm'n nie wieder / Aber wir ha'm Bruno Labbadia!"

Manager Rebbe nennt den Labbadia-Gesang "makaber"

Mit der Interpretation des Reims tat sich Wolfsburgs Manager Olaf Rebbe sichtlich schwer, weil er ihn, als einer der wenigen Zuschauer in der Arena, nicht wahrgenommen haben wollte; als er vom ZDF konsultiert wurde, sagte er schließlich, dass es "makaber" sei, wenn es den Ruf in dieser Form gegeben haben sollte. Andererseits: Nach der Niederlage gegen Leverkusen riecht es in Wolfsburg nicht mehr so stark nach Hoffnung, die hundertprozentige Tochter des Volkswagen-Konzerns ist nur noch wegen des besseren Torverhältnisses gegenüber Mainz 05 auf dem 15. Tabellenrang und nicht auf dem Relegationsplatz 16, den man vom Ende der vergangenen Saison bereits kennt.

"Ich kenne die Mechanismen und bin vollkommen auf unsere schwierige Situation eingestellt. Wir müssen viele Dinge besser machen - und das schnell", sagte Labbadia, nachdem sein Team die Tore von Lucas Alario (31./Foulelfmeter) und den schönen Lupfer von Julian Brandt (78.) nicht mehr hatte wettmachen können. Es reichte nur noch zum Anschlusstreffer durch Admir Mehmedi (79.), der keinerlei Enthusiasmus entwickeln konnte: "Ich habe mich gar nicht gefreut über das Tor, es hat mich richtig angekotzt, dass wir nicht gut gespielt und verloren haben."

Die mangelnde Qualität beim VfL kann man kaum jemandem weniger anlasten als Labbadia. Der Coach wurde erst vor knapp zwei Wochen als dritter Wolfsburger Trainer der laufenden Saison engagiert; als Nachfolger von Andries Jonker und Martin Schmidt. Mittlerweile weist die Statistik mit 25 Zählern aus 25 Spielen die schlechteste Punktausbeute der Bundesliga-Geschichte des VfL Wolfsburg aus.

"Natürlich ist die Ernüchterung groß. Wir müssen einfach auch mal dreckige Punkte holen", sagte Rebbe. Wobei allmählich die Frage aufkommt, ob Wolfsburg in dieser Saison überhaupt etwas anderes anstreben kann als dreckige Punkte.

Denn dass Leverkusen von der Spielanlage her von Beginn an überlegen war, wollte niemand ernsthaft diskutieren. "Das ist der berühmte Kopf, der da eine Rolle spielt", sagte Labbadia, der sich in seinem bisherigen Schaffen als Retter profiliert hat, unter anderem beim Hamburger SV. Das bedeute andererseits nicht, dass er sich selbst für einen Heiland halte: "Ich bin kein Träumer und denke, das klappt bei mir sofort", sagte Labbadia, der die Lage schon bei seinem Amtsantritt als kompliziert ansah. Mittlerweile scheint es auch bei den Spielern des VfL angekommen zu sein, dass es sogar dann schiefgehen könnte, wenn man vieles richtig machen sollte.

"Mainz, Bremen und Freiburg sind unsere direkten Konkurrenten", sagte Mittelfeldspieler Josuha Guilavogui. Und vielleicht vergaß er bei der Aufzählung weniger den HSV als den letzten Saisongegner: den 1. FC Köln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3891932
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.