Süddeutsche Zeitung

VfL Wolfsburg in der Champions League:Eine Nummer zu klein für die Dauersiegerinnen

Die Frauen des VfL Wolfsburg scheitern im Finale der Champions League zum wiederholten Mal an Titelverteidiger Lyon. Der Traum vom Triple ist geplatzt.

Von Anna Dreher

Ein bisschen Hoffnung blieb den Fußballerinnen des VfL Wolfsburg gegen Olympique Lyon, doch noch irgendwie dieses eine Tor zu schießen, das sie in die Verlängerung bringen könnte. Und dann war es ausgerechnet Sara Bjork Gunnarsdóttir, die bis vor kurzem noch eine von ihnen war, die diese Hoffnung zunichtemachte. In der 88. Minute schoss Eugénie Le Sommer nach einer Ecke auf das Wolfsburger Tor, Gunnarsdóttir gab ihm die entscheidende Richtung. Damit war das Finale der Champions League am Sonntagabend im spanischen San Sebastián entschieden.

Zum siebten Mal insgesamt und zum fünften Mal in Serie hat sich Lyon um die deutsche Nationalspielerin Dzsenifer Marozsán dank des 3:1 (2:0) an die Spitze des europäischen Frauenfußballs gesetzt. Im Duell der beiden Doublesieger verpasste es Wolfsburg, sich zum zweiten Mal nach 2013 das Triple zu holen und scheiterte zum dritten Mal im vierten Finale gegen die Französinnen. "Ich bin unheimlich stolz auf meine Mannschaft. Sie ist nach dem 0:2 noch super zurückgekommen und hat mit viel Herz Fußball gespielt", sagte Trainer Stephan Lerch. "Aber die Enttäuschung ist sehr groß. Wir hatten viel vor."

Lyon trat von Beginn an präsent, offensiv, dominant und konzentriert auf. Der Druck auf Wolfsburg war groß. In der zweiten Minute kam Olympique Lyon zu seinem ersten Torschuss durch die Japanerin Saki Kumagai - der jedoch in den Armen von Torhüterin Friederike Abt landete. Der VfL versuchte, mit langen Pässen nach vorne zu reagieren, aber der Effekt verpuffte. In der 13. Minute gelang es den Wolfsburgerinnen, mit einem schönen Zusammenspiel von Pernille Harder, Ewa Pajor und Fridolina Rolfö vor Lyons Tor zu kommen. Die abschließende Flanke hätte Alexandra Popp mit dem Kopf verwerten können - wäre nicht Keeperin Sarah Bouhaddi vor ihr am Ball gewesen.

Der Plan der Wolfsburgerinnen war es, die Gegnerinnen unter Stress zu setzen, Fehler zu provozieren und sich so Vorteile zu erspielen. Stattdessen waren aber sie es, die ob der Spielweise von Lyon in Hektik gerieten. Das Umschalten funktionierte nicht, sie machten Fehler. "Ruhig spielen!", rief Innenverteidigerin Lena Goeßling in das Estadio Anoeta. Aber die Ermahnung half nicht. Immer wieder kam Lyon vors Tor. Ein Pass von der quasi nicht aufzuhaltenden Delphine Cascarino landete bei Le Sommer. Den ersten Schuss konnte Abt mit den Beinen abwehren. Er prallte in den Strafraum. Und dann schalteten Sara Doorsoun und Goeßling nicht schnell genug, Le Sommer konnte auf den Ball zu sprinten, wieder schießen - und traf in der 25. Minute zum 1:0.

Die französische Nationalspielerin war nur ersatzweise von Lyons Trainer Jean-Luc Vasseur in die Sturmspitze gerückt worden. Die norwegische Top-Stürmerin Ada Hegerberg, die allein bis Januar schon neun Tore in der Champions League erzielt hat und mit 53 Treffern die erfolgreichste Schützin des Wettbewerbs ist, fehlte das gesamte Finalturnier aufgrund eines Kreuzbandrisses. Nikita Parris, ihre Stellvertreterin, musste im Halbfinale mit Rot vom Platz und war nun gesperrt. Also durfte Le Sommer ran. Und nutzte ihre Chance.

"Wir brauchen einen absolut perfekten Tag, ein absolut perfektes Spiel, um so eine Top-Mannschaft am Ende besiegen zu können."

Weder Wolfsburg noch Lyon waren auf dem Weg ins Endspiel mit einer erdrückenden Dominanz aufgetreten. Der VfL war in das Turnier mit einem lockeren 9:1 gegen Glasgow eingestiegen. Im Halbfinale aber taten sich die Deutschen gegen den FC Barcelona (1:0) deutlich schwerer. Lyon war nach der coronabedingt langen Pause schon beim Auftakt gegen den FC Bayern die fehlende Spielpraxis anzumerken. Das Team von Vasseur agierte teils nervös und unsicher beim 2:1 gegen die Münchnerinnen. Im Halbfinale konnte es sich dann gegen Paris Saint-Germain (1:0) ebenfalls nur knapp durchsetzen. Die Einordnung der Kräfteverhältnisse fiel vor dem Anpfiff des Höhepunktes dennoch deutlich aus: "Wir sind ganz klar der Herausforderer", hatte Lerch gesagt. "Wir brauchen einen absolut perfekten Tag, ein absolut perfektes Spiel, um so eine Top-Mannschaft am Ende besiegen zu können." Die Frage, ob dieser Sonntag ein solcher werden würde, beantwortete Lyon noch vor der Pause.

Doorsoun musste nach einem Zweikampf mit Cascarino ausgewechselt werden. Für sie kam Kathrin Hendrich (39.), die schon gegen den FC Barcelona dessen schnelle Offensivspielern Asisat Oshoala in Schach halten konnte. Aber Lyons schnelle Offensivspielerin Cascarino entwischte der Wolfsburger Abwehr erneut. Dominique Janssen und Svenja Huth bekamen sie an der rechten Ecke nicht unter Kontrolle. Sie flankte ins Zentrum. Über ein paar Stationen landete der Ball bei Kumagai. Und wie an einer Schnur aufgezogen rauschte der Ball dann von der Japanerin mit viel Kraft aus 18 Metern geschossen rechts ins Tor zum 2:0 an Abt vorbei (44.).

Lyon konnte seine Dominanz zu Beginn der zweiten Hälfte aufrechterhalten. Cascarino wirbelte, Le Sommer versuchte sich in Abschlüssen, der Spielaufbau gelang. "Auf wen warten wir denn noch? Schiebt hoch", schrie Lerch. Von der eigentlich stets auffälligen Leistungsträgerin Harder, die vor einem Wechsel zum FC Chelsea nach dem Finale stehen soll, war zum Beispiel lange wenig zu sehen. Aber nach und nach spielte Wolfsburg wieder sicherer und auch Lyon machte mal Fehler. Und dann war Harder im richtigen Moment doch präsent. Über die linke Seite passte sie zu Rolfö, deren Schuss konnte Bouhaddi nicht halten, Pajor gab den Ball hoch in die Mitte. Und dann war auch Popp im richtigen Moment da, mit ihrer Spezialität, die dieses Mal gelang: Kopfball, Tor. Nur noch 1:2 in der 57. Minute. Eigentlich noch genug Zeit. An diesem Abend aber reichte sie nicht.

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SZ vom 31.08.2020
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