Süddeutsche Zeitung

Glasners Rückkehr mit der Eintracht:Der neue Stil der Wölfe

Wolfsburgs Auftreten unter Mark van Bommel hinterlässt bei seinem Vorgänger Oliver Glasner durchaus Eindruck. Der lässt sich aber keinen Trennungsschmerz anmerken, sondern stellt seine diplomatischen Fähigkeiten zur Schau.

Von Thomas Hürner

Diese beiden Fragen mussten ja kommen. Ob er irgendwo im Stadion seinem früheren Vorgesetzten Jörg Schmadtke begegnet sei? Und schwang nicht auch ein bisschen Wehmut mit, als er seine bärenstarke Ex-Mannschaft so spielen sah? Das waren aber mal wieder vergebliche Versuche, dem reservierten Frankfurter Trainer Oliver Glasner, den man auch locker als Diplomat in Krisengebiete entsenden könnte, ein paar Antworten mit Schlagzeilen-Potenzial zu entlocken.

Aus Chronistenpflicht sei dennoch erwähnt: Nein, die beiden Männer seien sich beim 1:1 zwischen dem VfL Wolfsburg und der Eintracht am Sonntagabend nicht über den Weg gelaufen, erzählte Glasner. Und nein, der Österreicher sei nicht traurig darüber, dass er jetzt am Main und nicht mehr am Mittellandkanal arbeite. Zur Erinnerung: Glasner war im Sommer nach Frankfurt geflüchtet, was jedoch nichts mit der sportlichen Perspektive in Wolfsburg zu tun hatte, sondern mit einem zunehmend disharmonischen Verhältnis zwischen ihm und VfL-Sportchef Schmadtke. Erste Risse hatten sich im Herbst des vergangenen Jahres aufgetan, als Glasner in aller Öffentlichkeit einen Mangel an "Tempo und Tiefgang" im Wolfsburger Kader kritisierte - und damit eine Eiszeit mit Schmadtke in Gang setzte, die nicht einmal durch den vierten Platz in der Vorsaison und die damit verbundene Qualifikation für die Champions League beendet werden konnte.

"Wir haben uns ja hier nicht zwei Jahre lang die Köpfe eingeschlagen", sagte Glasner

Davon abgesehen geriet die Rückkehr des Österreichers aber sehr herzlich. "Wir haben uns ja hier nicht zwei Jahre lang die Köpfe eingeschlagen", sagte Glasner. Vor und nach der Partie sprach er lange mit VfL- Geschäftsführer Tim Schumacher und Mittelfeldspieler Maximilian Arnold, der die fachlichen Qualitäten Glasners immer sehr zu schätzen wusste. Glasner feixte sogar mit dem Wolfsburger Stürmer Wout Weghorst, was eher überraschend war, da die beiden eine nicht ganz unkomplizierte Beziehung hatten. Außerdem führte der Österreicher einen ausgiebigen Dialog mit Mark van Bommel, seinem Nachfolger auf der Trainerbank des VfL.

Der überzeugte Umschaltfußball-Lehrer Glasner hat dem Niederländer ein stabiles Fundament hinterlassen, das jetzt peu à peu um neue Bestandteile erweitert wird. Tempo und Tiefgang? Inzwischen stehen Dominanz und Spielkontrolle im Vordergrund. Abzulesen ist das an so mancher Statistik, die sich unter van Bommel verschoben hat. Die Wolfsburger haben jetzt deutlich mehr Ballbesitz, wohingegen ein Rückgang bei den gelaufenen Kilometern, bei der Anzahl der Konterattacken und bei den Sprints zu verzeichnen ist. Der neue Stil machte auch bei Glasner Eindruck, der "unglaublich viel Power" im Spiel seines Ex-Teams ausmachte, "sie haben uns kaum Luft zum Atmen gegeben". Auch das ließ sich mit Zahlen belegen: Am Ende der Partie führten die Wolfsburger in der Torschussstatik mit 15:6. Aufgrund ihres Chancenwuchers war die Heimelf aber auch selbst schuld daran, dass nicht mehr heraussprang als dieses in der Gesamtschau magere 1:1 nach Treffern von Eintracht-Stürmer Sam Lammers (38.) und Weghorst (70.).

Die Wolfsburger haben durch das Remis ihre Tabellenführung eingebüßt, während das Leistungsvermögen der Frankfurter nach einem großen Kaderumbruch im Sommer weiter Rätsel aufgibt. Unter Trainer Glasner wartet die Eintracht noch auf ihren ersten Pflichtspielsieg. Ein Grund für verzögerten Trennungsschmerz? "Nein", sagte der Österreicher: "Wir werden uns verbessern. Das ist meine feste Überzeugung und meine Erfahrung aus vielen Jahren im Fußball."

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