Süddeutsche Zeitung

Wout Weghorst:Chaplin-Imitator am Elfmeterpunkt

Der VfL Wolfsburg scheitert im DFB-Pokal, auch weil Wout Weghorst beim Strafstoß skurril wegrutscht. Ein solches Malheur ist ihm schon einmal passiert - trotzdem soll er wieder antreten.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Wolfsburgs Wout Weghorst ist keiner, der sich versteckt; bei einer Körpergröße von 1,97 Metern wäre das auch ein eher sinnloses Unterfangen. Und man hätte wetten können, dass der Niederländer, wenn die Umstände nicht die wären, die sie sind, auf dem Weg in die Kabine stehen geblieben wäre und sich den Medien, wie man halt so sagt, gestellt hätte. Was gewiss nicht angenehm gewesen wäre.

Weghorst, 28, war am Mittwoch ob seines Malheurs einer der Hauptdarsteller des Abends von Leipzig gewesen, und niemand wird jemals erfahren können, wie die Partie gelaufen wäre, wenn ... ja, wenn Weghorst in der 26. Minute beim Elfmeter nicht wie auf einem frisch gemoppten Fliesenboden ausgerutscht wäre und den Ball in den Leipziger Nachthimmel geschossen hätte, sondern ins Tor. Einen 2:0-Sieg für RB Leipzig, den Yussuf Poulsen und Hee-Chan Hwang herausschossen (63./88.) und den Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner schlussendlich verdient nannte, hätte es jedenfalls nicht gegeben.

"Das sah etwas skurril aus", sagte Glasner, "aber das kann passieren." Das ist so weit, so richtig. Und Trost hätte Weghorst nicht nur aus diesen Worten, sondern auch daraus beziehen können, dass man sagen könnte, er reiht sich ein in die Reihe illustrer Elfmeterschützen, die vor ihm ausgerutscht waren: John Terry etwa, der gegen Manchester United im Champions League-Finale 2008 am Elfmeterpunkt auf dem Hosenboden landete, oder Xabi Alonso und Philipp Lahm im DFB-Pokal-Halbfinale 2015.

"Wout muss mit der Situation allein klarkommen, das wird er auch", sagt Maximilian Arnold

Nur: Da steht Weghorst längst. Vor Jahresfrist war er auch im Achtelfinale der Europa-League gegen Schachtjor Donezk am Elfmeterpunkt weggerutscht, auch damals wirkte es so, als würde er nicht die Stollen in den Rasen rammen, sondern versuchen, auf einer zugefrorenen Gracht gegen einen ruhenden Ball zu treten. Nur eben nicht mit der Anmut des Kunstläufers, sondern im Stile eines unfreiwilligen Chaplin-Imitators.

"Wout muss mit der Situation allein klarkommen, das wird er auch", sagte Mittelfeldspieler Maximilian Arnold nach seinem 300. Pflichtspieleinsatz für den VfL Wolfsburg. Auch Torwart Koen Casteels, der die ersten Gegentore seit dem Ligaduell mit Leipzig vom 16. Januar (2:2) hinnehmen musste, stärkte Weghorst den Rücken: "Er wird das verkraften." Und Trainer Glasner dekretierte, dass Weghorst weiterhin am Strafstoßpunkt gesetzt bleibt: "Sollten wir am Wochenende in Hoffenheim wieder einen Elfmeter haben, wird er dort stehen und ihn schießen - und dann auch rein."

Dass die Leipziger guter Dinge sind, ins Pokalfinale von Berlin einzuziehen, lag beileibe nicht nur an Weghorsts Malheur. Sondern daran, dass die Leipziger insgesamt eine gute, engagierte, disziplinierte Partie boten, und in Alexander Sörloth, 25, einen Spieler einwechselten, der den Unterschied herbeiführte. Der norwegische Stürmer, der im September vom türkischen Erstligisten Trabzonspor nach Leipzig gekommen war, untermauerte den Eindruck, dass er (anders als Weghorst im Wortsinne) gerade keine Anlaufschwierigkeiten mehr hat.

Anders als am Wochenende gegen das Borussia Mönchengladbach von Marco Rose war Sörloth diesmal nicht letztminütiger Siegtorschütze, aber: Er war an beiden Treffern als Vorbereiter beteiligt. Beim 1:0 spielte er mit seinem dänischen Sturmpartner Poulsen bei einem Hochgeschwindigkeitskonter im wörtlichen und übertragenen Sinne Doppelpass; am Ende hatte Poulsen das Glück, dass sein Schuss von VfL-Verteidiger Maxence Lacroix für Torwart Casteels unglücklich abgefälscht wurde (64.).

Kurz vor dem Ende setzte sich Sörloth dann rustikal gegen John Anthony Brooks durch und legte für den gleichfalls eingewechselten Schweden Emil Forsberg auf; dessen Schuss konnte Casteels zwar noch parieren, den Abpraller aber verwertete Hwang zum 2:0-Endstand. Die Lobhudeleien freilich galten Sörloth: "Er ist körperlich gut, er ist schnell, er hat alle Voraussetzungen. Er weiß, dass er noch mehr Tore schießen muss", sagte Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann über den Norweger, "wir hoffen, und vor allem er selbst hofft, dass das jetzt die Initialzündung war."

Leipzig bangt um Innenverteidiger Orban

Das würde es auch etwas einfacher machen, die negative Nachricht des Tages zu verdauen: Innenverteidiger Willi Orban musste wegen Verdachts auf Handbruch ausgewechselt werden. Das ist für die Leipziger auch deshalb besonderes bitter, da nun wegweisende Spiele anstehen: am Samstag beim SC Freiburg in der Bundesliga, am Mittwoch beim FC Liverpool in der Champions League. Für ein etwaiges Cup-Finale im Berliner Olympiastadion im Mai dürfte Orban aber zur Verfügung stehen, es wäre die zweite Endspielteilnahme nach 2019.

"Wir haben klar formuliert, dass der Pokal das realistischste Ziel ist. Wir wollen ins Finale einziehen", sagte Torwart Peter Gulacsi, der ein Garant ist für den Erfolg der Leipziger im Pokal. Er spielte im vierten Pokalduell der Saison zum vierten Mal zu null - und sammelte so wettbewerbsübergreifend die sechzehnte sogenannte "Weiße Weste" der laufenden Spielzeit.

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