Süddeutsche Zeitung

Wolfsburg:Der zweite Wunschkandidat

Der Österreicher Oliver Glasner wird bis 2022 Trainer in Wolfsburg. Manager Schmadtke lobt dessen "beeindruckende Arbeit".

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Jörg Schmadtke hat kürzlich einige Sätze über den Umgang mit Trainern in der Branche losgelassen - und man fragte sich anschließend, ob er mit seiner Kritik nur die anderen Klubs meinte. Oder eben doch alle Vereine, inklusive seines VfL Wolfsburg. Der Geschäftsführer kritisierte das mangelnde Vertrauen zwischen Sportdirektoren, Managern und Trainern in der Bundesliga - überhaupt könne es ja nicht sein, dass sich annähernd die halbe Liga schon wieder auf Trainersuche befinde. Die Klubs würden ihr lehrendes Personal nicht wirklich schützen: "Das Schwarze-Peter-Spiel, das wir momentan betreiben, das ist nicht gut", erklärte Schmadtke also, und es wäre schön gewesen, in die Gesichtszüge von Bruno Labbadia zu blicken, als Schmadtke diese Sätze vortrug.

Labbadias Vertrag in Wolfsburg wurde trotz erfolgreicher Arbeit nicht verlängert, unter anderem, weil er sich mit dem Vorgesetzten Schmadtke nur mittelgut bis eher nicht so gut verstand. Wie sehr sich Labbadia in den vergangenen Wochen geschützt fühlte? Vermutlich: eher so mittelgut.

Immerhin befindet sich Wolfsburg seit diesem Dienstag nicht mehr auf Trainersuche, und Oliver Glasner, der das Amt im Sommer übernehmen wird, darf Schmadtkes Worte als ersten Vertrauensbeweis verstehen. Mit Labbadia, 53, konnte sich Schmadtke eine langfristige Zusammenarbeit nicht vorstellen; mit Glasner, 44, dagegen schon. Die Trainersuche hatte sich in den vergangenen Tagen auf den Coach des Linzer ASK konzentriert, spätestens als Marco Rose, der eigentliche Wunschkandidat, seine Zustimmung in Mönchengladbach signalisiert hatte. Mit Glasner hatte sich Schmadtke ebenfalls "länger beschäftigt und seine beeindruckende Arbeit in Linz aufmerksam verfolgt". Der Österreicher erhält einen Vertrag bis 2022. "Wir bekommen mit ihm einen fachlich hervorragenden Trainer und einen echten Teamplayer", freut sich Schmadtke.

Die Verpflichtung eines neuen Trainers ist Schmadtkes nächster Schritt auf dem Weg, die Wolfsburger, die schon einmal als erster Herausforderer des FC Bayern galten, zurück in die Spitzenregionen der Tabelle zu führen. Als Schmadtke im Sommer 2018 das Geschäftsführer-Amt übernahm, konzentrierte er sich zunächst auf den Umbau der Mannschaft; Trainer Labbadia durfte bleiben, weil er gerade den Abstieg abgewendet hatte, bei den Fans etwas Kredit genoss und Schmadtke wohl auch vor einer kompletten Tabula-Rasa-Aktion zurückschreckte. Glasner ist nun zwar ein junger Coach gänzlich ohne Bundesliga-Erfahrung, aber er gilt als moderner Taktiker mit einer klaren und offensiven Spielidee, mit der er es in Österreich zuletzt schaffte, mit überschaubaren Mitteln dem finanziell übermächtigen Primus RB Salzburg Konkurrenz zu machen.

Viel Zeit zur Eingewöhnung oder gar einen Freischuss wird Glasner in Wolfsburg nicht erhalten: Zwei bis drei Jahre wollte Schmadtke dem VfL zur Konsolidierung einräumen, unter Labbadia ging ihm die Entwicklung tendenziell schon zu langsam voran. Glasner hat nun einen Sommer lang Zeit, seine Spielidee zu implementieren. Er dürfte es schon ahnen: Sehr lange wird es nicht mehr dauern, bis das Saisonziel in Wolfsburg wieder unmissverständlich "Europapokal" lautet.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2019
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