Deutscher Handball-Torwart:Großer, böser Wolff

Deutschland - Island

Torwart Andreas Wolff parierte reihenweise Würfe gegen Island.

(Foto: dpa)
  • Deutschlands Handballer stehen bei der WM vor allem hinten gut.
  • Das liegt auch an Torhüter Andreas Wolff, der gegen Island seine ganze Klasse zeigte.
  • Die Frage ist, ob auch vorne bald mehr möglich ist - denn es stehen schwere Spiele an.

Von Joachim Mölter, Köln

Vor etlichen Jahren hatte das amerikanische Duo Duck Sauce mal einen kleineren Hit, "Big Bad Wolf" - großer böser Wolf. Der Text besteht aus der etwa einhundertmaligen Wiederholung des Titels, die Musik aus einem monoton stampfenden, basslastigen Rhythmus, so wie es sich gehört für ordentliche House Music, das Genre der Popmusik, dem solche Beats zugeordnet werden. Dieses Lied haben sie für die Hauptrunde der Handball-Weltmeisterschaft in Köln wiederentdeckt, es wummerte am Samstagabend jedes Mal durch die mit 19 250 Menschen besetzte Lanxess-Arena, wenn der deutsche Torhüter Andreas Wolff ins Blickfeld rückte. Der große böse Wolff eben.

Den 1,98-Meter-Mann schien diese besondere Aufmerksamkeit der Hallen-DJs sehr zu motivieren, er steigerte sich beim Start in die Hauptrunde jedenfalls in seine bislang beste Turnierleistung hinein. Beim 24:19 (14:10) über Island wehrte er zwölf von dreißig Würfen ab, das sind sehr gute 40 Prozent, und darunter waren auch zwei Siebenmeter - exakt so viele wie in den fünf vorangegangenen Vorrundenpartien zusammen. Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) hat mit nun 5:1 Punkten ihre gute Ausgangsposition im Hinblick auf das angestrebte Halbfinale gewahrt vor den noch ausstehenden Vergleichen mit Kroatien am Montag und Spanien am Mittwoch (jeweils 20.30 Uhr).

Nach getaner Arbeit schlenderte Wolff gut gelaunt durch die Katakomben der großen Arena, sichtlich zufrieden mit sich und seinen Vorderleuten: "Was Finn, Bam Bam und Peke im Innenblock leisten, ist phänomenal", lobte er seine Vorderleute im Abwehrzentrum, Finn Lemke, Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler; Wolff kokettierte sogar: "Für mich ist es teilweise sehr langweilig, weil ich nicht mitspielen darf." Das sollte heißen: Hinter diesen mächtigen Riesen mit einem Gardemaß von zwei Metern und mehr bekommt er kaum was zu tun.

Hinter ihrer mächtigen Abwehrmauer und hinter ihrem großen bösen Torwart versteckt die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) freilich auch all ihre Schwächen und Probleme, die sie selbst gegen Island nur mit Mühe kaschieren konnte und die ihr gegen stärkere Gegner leicht zum Verhängnis werden können. Nach zwanzig Minuten stand es jedenfalls nur 8:8, "bis dahin lief's nicht so gut mit unserer 6-0-Deckung, da haben wir zu viele Tore aus dem Rückraum bekommen", analysierte Pekeler, so etwas wie der Verteidigungsminister des Teams.

Danach wirkten sich zwei Dinge positiv auf den weiteren Spielverlauf aus: Zum einen stellten die deutschen Handballer auf eine offensivere 3-2-1-Abwehr um, um die Kreise der isländischen Rückraumspieler zu stören - "dazu ist ihnen nicht mehr viel eingefallen", fand Pekeler. Was zum anderen auch daran lag, dass Islands Spielmacher Aron Palmarsson, 29, wegen Leistenbeschwerden auf der Bank Platz nahm und dort bis zum Ende blieb; bis dahin hatte der Profi vom FC Barcelona schon drei Tore erzielt.

"Ich habe den Sieg als nicht so souverän empfunden"

"Das war natürlich nicht von Nachteil, dass Palmarsson ausgefallen ist", gab Pekeler zu, "dadurch kam nur noch wenig Gefahr aus dem Rückraum." Die Isländer haben nicht viele Routiniers in der Mannschaft, sie ist im Neuaufbau, das relativiert den Erfolg der DHB-Auswahl etwas.

Immerhin erzwang sie mit der aggressiveren Abwehrvariante Ballverluste. "Wir hatten vor der Halbzeit ein paar wichtige Gegenstoßtore, die uns die Führung gebracht haben, die dann gehalten hat bis zum Ende", sagte Kapitän Uwe Gensheimer, der mit zwei Kontertoren zum 14:10-Pausenstand beigetragen hatte. Dass die geschwächten Isländer den zweiten Durchgang fast ausgeglichen gestalteten (9:10), fand Torhüter Wolff nicht so lustig wie die Abwehrleistung: "Ich habe den Sieg als nicht so souverän empfunden", gab er zu. Man kann das damit erklären, dass Bundestrainer Christian Prokop Stammkräfte schonte und Ergänzungspersonal wie dem nachnominierten Kai Häfner aus Hannover Spielpraxis verschaffte. So was hemmt ja auch den Spielfluss.

Was bedenklich bleibt bei der deutschen Mannschaft, ist freilich ihre Offensive. Weil sich der Positionsangriff erwartungsgemäß schwertut, war Prokops Plan vor dieser WM gewesen, aus der stabilen Abwehr heraus schnell umzuschalten und zu einfachen Gegenstoßtoren zu kommen; das klappte zwar gegen Island mit einer hundertprozentigen Erfolgsquote, aber letztlich auch nicht in der gewünschten Häufigkeit.

In diesem Turnier funktioniert es bislang zudem bloß gegen schwächere Gegner; Russland oder Frankreich brachten das deutsche Tempospiel weitgehend zum Erliegen. Das macht schon Sorgen, wenn es nun gegen Kroatien und Spanien geht. Diese Gegner lassen sich sicher auch nicht von einem "Big Bad Wolf" erschrecken, egal, wie laut der durch die Arena wummert.

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