Politik in der WNBA:Wunderbare Geschichte in der Bubble

Las Vegas Aces v Connecticut Sun - Game Three

Alyssa Thomas (re.) und ihre Kolleginnen beim Finalturnier der WNBA in Florida.

(Foto: AFP)

Kaum eine Liga ist politisch so engagiert wie die der US-Basketballerinnen. Sie nutzen Werbebanden und Sendezeit für ihre Botschaften - oder pausieren, um den Kampf gegen Rassismus zu führen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ging natürlich auch um Basketball in der Basketball-Bubble der Frauen-Profiliga WNBA in Bradenton/Florida. Seattle Storm gewann am Donnerstag dank der Leistung von Aufbauspielerin Jewell Lloyd (20 Punkte, fünf Rebounds) 89:79 gegen Minnesota und führt in der Best-of-five-Halbfinalserie mit 2:0. Gleich danach setzte Connecticut Sun seine Cinderella-Geschichte in den Playoffs fort. Nach einer beachtlichen Aufholjagd im Schlussviertel gegen Las Vegas braucht das Team, das in der verkürzten regulären Saison mehr Partien verloren als gewonnen hatte, nur noch einen Sieg für den Einzug in die Finalserie.

"Es ist eine wunderbare Geschichte, die wir da erzählen", sagte Flügelspielerin Alyssa Thomas danach, mit 23 Punkten und zwölf Rebounds die prägende Sun-Spielerin an diesem Abend: "Es würde mir aber nichts ausmachen, wenn heute niemand über uns reden würde. Es gibt gerade wichtigere Themen." Sie fasste zusammen, was sie und ihre Kolleginnen seit Wochen vorleben: Sie unterhalten die Leute mit spektakulärem Sport, zeigen aber auch, dass Basketball letztlich nur ein Spiel ist und dass es in den USA gerade um andere, größere Dinge geht. Um Breonna Taylor zum Beispiel.

Daniel Cameron, der Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaats Kentucky, hatte am Mittwoch verkündet, dass die Schüsse auf Taylor vor einem halben Jahr rechtens gewesen seien. Die 26 Jahre alte Krankenschwester hatte geschlafen, als Polizeibeamte mitten in der Nacht die Tür zu ihrer Wohnung aufbrachen - es war die falsche Adresse, Taylor hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen den Polizisten und Taylors Freund, insgesamt feuerten die Beamten 32 Kugeln ab und trafen Taylor dabei mindestens fünf Mal. Sie starb noch in ihrer Wohnung.

Es war einer der vielen Fälle, wegen denen es zu Protesten überall in den USA kam. Und es ist schon außergewöhnlich, welche Rolle dabei nun die WNBA spielt. Renee Montgomery (Meisterin in den Jahren 2015 und 2017 mit Minnesota Lynx) und Natasha Cloud (Titelgewinnerin 2019 mit den Washington Mystics) verzichteten auf die Reise nach Florida - nicht wegen Corona oder aus persönlichen Gründen, sondern wegen ihres politischen Engagements, wie Montgomery kürzlich in einem Essay für das Portal The Players' Tribune schrieb: "Ich könnte keine 100 Prozent geben, und das wäre nicht fair meinen Mitspielerinnen und Trainern gegenüber. Ich will Teil dieser Bewegung sein und sie fördern."

Die WNBA hat die Fortsetzung ihrer Saison der Förderung sozialer Gerechtigkeit in den USA gewidmet. Auf dem Parkett und auf den Aufwärmshirts steht der Schriftzug "Black Lives Matter", und seit Donnerstag auf den Banden neben dem Parkett auch die Forderung, dass sich jetzt etwas ändern müsse in diesem Land. Die Spielerinnen wählten keine gesellschaftlichen Botschaften auf ihren Trikots wie ihre männlichen Kollegen, stattdessen haben sie alle einen Namen auf ihren Leibchen: Breonna Taylor. Auch die afroasiatische Tennisspielerin Naomi Osaka hatte den Namen auf dem Weg zum Sieg bei den US Open (neben den Namen von sechs weiteren Opfern von Rassismus und/oder Polizeigewalt) auf ihrer Maske getragen.

"Was mich wirklich anekelt, ist die Tatsache, dass dieses Urteil niemanden überrascht", sagte Cloud am Donnerstag zwischen den beiden Partien per Videobotschaft: "Eine schwarze Frau ist das verwundbarste Wesen in diesem Land. Sie muss mit allen Mitteln geschützt werden, wir dürfen nicht aufhören, bis sich endlich was ändert." Der WNBA kommt eine besondere Rolle zu, weil knapp 70 Prozent der Spielerinnen schwarz und mehr als 90 Prozent als Wählerinnen registriert sind - eine für US-Verhältnisse außerordentlich hohe Zahl. Die Profis wollen nicht nur spielen und ansonsten den Mund halten, sondern sich beteiligen an den Debatten, die in diesem Land geführt werden.

Auch sportlich läuft's

Die Aufmerksamkeit liegt freilich auch an der sportlichen Entwicklung der Liga. Basketball war für junge Amerikanerinnen bis vor wenigen Jahren eine Möglichkeit, das Studium an einer Elite-Universität zu finanzieren - ein Karriereweg war es nur für ganz wenige. Gerade der mittlerweile verstorbene Kobe Bryant setzte sich für bessere Bezahlung ein, seit dieser Saison gibt es einen neuen Tarifvertrag. Die besten Spielerinnen verdienen nun mehr als 500 000 Dollar pro Saison (davor lag das Maximalgehalt bei 117 500 Dollar), die Spiele laufen landesweit im Fernsehen.

Das gesteigerte Interesse führt zu einer Aufwärtsspirale und sorgt für andere Veränderungen: Kristi Toliver von den Los Angeles Sparks arbeitet in der Pause als Assistenztrainerin bei den Washington Wizards, dem NBA-Klub des deutschen Centers Moritz Wagner. Sie verdient nun, nach Änderungen im Tarifvertrag, genauso viel, wie ein männlicher Kollege bekommen würde - davor waren es mickrige 10 000 Dollar pro Saison, etwa ein Zwanzigstel.

Chiney Ogwumike von den Sparks arbeitet beim Sportsender ESPN, sie analysiert, das aber wirklich nur nebenbei, die Partien der männlichen Kollegen. Ein Mantra der WNBA in dieser Social-Justice-Saison: Wer Veränderungen will, der darf nicht nur darüber reden, der muss sie selbst herbeiführen. Es ist dann doch mehr als nur ein Spiel, das sie in der WNBA gerade praktizieren.

"Es sind 195 Tage seit dem Tod von Breonna Taylor vergangen, noch immer wird niemand für ihren Tod verantwortlich gemacht", sagte Lynx-Kapitänin Napheesa Collier vor der ersten Partie am Donnerstag. Sie stand im Mittelkreis und verlas eine gemeinsame Erklärung aller Profis: "Wir müssen für Gerechtigkeit stimmen, also geht am 3. November wählen"; das ist der Tag der Präsidentschaftswahl. Es kann kein Zufall sein, dass Präsident Donald Trump am selben Morgen der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg die letzte Ehre erwies und von Hunderten von Menschen zu hören bekam: "Vote him out!"

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