Es gibt sie, diese kuriosen Würfe, bei denen selbst die Werferinnen etwas ungläubig schauen, wenn der Ball tatsächlich ins Netz geht. Mit einem solchen Wurf – einem aus der Bewegung abgesetzten, durch die ablaufende Zeit forcierten und eng verteidigten Dreier – verhalf Luisa Geiselsöder der deutschen Nationalmannschaft im letzten Qualifikationsspiel vor der Europameisterschaft im Juni zum Last-Minute-Sieg gegen Griechenland (67:64). Der Ball prallte ans Brett, ging dann ins Netz. Im Anschluss blickte Geiselsöder zur Bank, und zwar sichtlich amüsiert: Es war kein Bilderbuchwurf, den sie da eben abgeliefert hatte, aber eben ein spielentscheidender: „Ich wusste, dass es ein gewagter Wurf war, aber als ich ihn geworfen habe, hat er sich wirklich gut angefühlt. Als ich den Ball losgelassen habe, dachte ich, er geht entweder gegen das Brett oder ganz woanders hin – zum Glück ist er reingegangen.“ Zwar sind die vier Ausrichter Deutschland, Griechenland, Italien und Tschechien bereits qualifiziert, spielten aber dennoch in einer Gruppe um Punkte für die Weltrangliste. Der Sieg brachte zudem ein gutes Gefühl für anstehende Aufgaben.
Dass die 1,93 Meter große Geiselsöder an der Dreierlinie unterwegs ist und auch Bilderbuchwürfe absetzen kann, ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich die in Ansbach geborene und in Nördlingen ausgebildete Centerspielerin in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Und sicher auch einer der Gründe, weshalb jetzt, mit einer Verzögerung von knapp viereinhalb Jahren, die amerikanische Women’s National Basketball Association (WNBA) anklopft.

Basketballerin Fiebich in München:Idol mit Botschaft
WNBA-Gewinnerin Leonie Fiebich lädt in München zu einem zweitägigen Basketball-Camp für den Nachwuchs – und ist dort selbst das größte Geschenk für die Talente. Über eine, die weiß, wie sie ihre Vorbildfunktion nutzen kann.
„Ich bin sehr happy, weil ich so lange darauf gewartet habe und immer etwas dazwischengekommen ist“, erzählt Luisa Geiselsöder am Telefon. Sie grinst in die Kamera, man nimmt ihr die Freude auch aus der Entfernung ab. Dabei hätte sie allen Grund gehabt, die Hoffnung zu verlieren. Im Sommer 2020 wird die damals 20-Jährige erstmals gedraftet. Die Covid-Pandemie und eine Verletzung verschieben ihre US-Pläne, 2022 gibt Dallas ihre Rechte ab. Geiselsöder richtet sich in der La Boulangère Wonderligue ein, der französischen ersten Liga. 2023 wechselt sie zum Pokalsieger Basket Landes, entwickelt sich dort zu einer wichtigen Stütze. In der vergangenen Saison kommt sie im Durchschnitt auf elf Punkte und acht Rebounds pro Spiel, punktet unter dem Korb, aber auch von außen.
Der Traum von der amerikanischen Profiliga war trotz aller Rückschläge nie weg, jetzt scheint der Zeitpunkt gekommen
Der Gedanke an die WNBA lässt sie jedoch nicht los. „Der Traum war nie weg. Ich habe einfach auf den Moment gewartet, in dem ich da mit vollem Vertrauen reingehen kann.“ Dass ihre Trainerin ihr viele Freiheiten eingeräumt und Spielzüge auf sie zugeschnitten habe, habe sie reifen lassen. „Sie hat es mir erlaubt, in die Rolle der Führungsspielerin hineinzuwachsen.“ Ihr Selbstvertrauen zieht sie auch aus den Olympischen Spielen im Sommer 2024. Dort treffen die Deutschen auf das Team USA, die härtesten Gegnerinnen des Turniers. Die Partie geht an die USA, für Geiselsöder ist sie trotzdem entscheidend. „Ich habe gemerkt, dass ich da mithalten kann. Dass ich mich mit den besten Spielerinnen der Welt messen kann – das hat mir viel Confidence gegeben.“
Und sie in den Blick der amerikanischen Vereine rücken lassen: Im vergangenen Jahr seien verschiedene WNBA-Vereine auf sie zugekommen, erzählt sie am Telefon. Curt Miller, General Manager der Dallas Wings, habe sie von seinem Konzept überzeugen können. „Wir kennen uns schon lange. Und sein Plan klang perfekt.“ Miller will auf eine starke Defense setzen – ebenso wie auf ein komplett neues Team, in dem Geiselsöder womöglich ebenfalls eines Tages Verantwortung übernehmen kann. Die Wings befinden sich im Umbruch, nicht nur Nationalmannschaftskollegin Satou Sabally hat den Klub nach einer erfolglosen Saison verlassen, auch Centerspielerin Kalani Brown.
Diese Lücke könnte die 1,93 Meter große Geiselsöder füllen – wenn sie die beiden Wochen im Trainingscamp übersteht. Denn eine Einladung zum Camp garantiert noch keinen Platz im Kader. „Du kannst jeden Tag rausfliegen. Und wenn man das Camp übersteht, kann man immer noch getradet werden.“ Nervös ist Geiselsöder deshalb nicht: „Ich habe nichts zu verlieren.“ Ob sie davon ausgehe, dass es klappen könnte? Eindeutig ja: „Es gibt viele Lücken, vor allem auf der großen Position, von daher stehen die Chancen sehr gut.“
In Europa wird sie weiterhin aktiv sein: „Ich liebe die europäischen Ligen. Außerdem reicht das Gehalt der WNBA nicht, um nur in einem Land zu spielen.“ Als Neuling würde sie etwa 70 000 US-Dollar verdienen, in Europa könne man je nach Seniorität deutlich mehr einnehmen. Wo genau sie auf dem alten Kontinent spielen wird, ist unklar: Ihr Vertrag mit Basket Landes läuft nach dieser Saison aus. „Ich bin offen für alles. Ich liebe Frankreich, könnte mir aber auch vorstellen, in einem anderen Land zu spielen.“ Nur Deutschland sei keine Option: Das Niveau der DBBL hinkt dem der französischen, spanischen und türkischen Ligen weiterhin hinterher. Was sie indes fest eingeplant hat: Die Teilnahme an der Euro Basket, die im Juni stattfindet, parallel zur WNBA-Saison. „Für die Europameisterschaft würde Dallas mich freigeben – das war auch einer der Gründe, warum ich mich für den Verein entschieden habe.“