WM 2010: Vuvuzela-Lärm:Unsichtbare Monsterwespen

WM-Regel Nummer eins: Gehe niemals ohne Ohrstöpsel ins Stadion! Die Südafrikaner haben einen Riesenspaß daran, der WM mit ihrer Vuvuzela den Marsch zu blasen. Joachim Löw übt deshalb schon Zeichensprache.

Thomas Hummel, Johannesburg

Kurz vor dem Stadion, vor einer der vielen Polizeikontrollen, reichte plötzlich eine Hand eine durchsichtige Plastiktüte mit kleinen grauen Dingern darin durch das offene Fenster. Im Auto blickten alle etwas irritiert, ein Polizist bat um Weiterfahren, die Tüte verschwand wieder nach draußen. Das war der Fehler.

WM 2010: Vuvuzela-Lärm: Die Vuvuzela gehört für südafrikanische Fans zum Fußball dazu. In Deutschland stößt das Dauer-Getröte auf Kritik, weil es im Fernsehen den Kommentator übertönt.

Die Vuvuzela gehört für südafrikanische Fans zum Fußball dazu. In Deutschland stößt das Dauer-Getröte auf Kritik, weil es im Fernsehen den Kommentator übertönt.

(Foto: ap)

In dieser Tüte waren nämlich: Ohrstöpsel.

Wer braucht schon Ohrstöpsel, wenn er in ein Fußballstadion geht? Da will man die Atmosphäre spüren, mit allen Sinnen das Gebrüll, das Pfeifen und, nun gut, auch das Vuvuzela-Getröte in sich aufsaugen. Gerade bei einem Eröffnungspiel einer Fußball-Weltmeisterschaft, noch dazu beim ersten WM-Spiel in Afrika.

Neues Massenphänomen

Gut, ein wenig Respekt kam schon auf vor dem Spiel mit 85.000 Menschen in Soccer City. Denn in den Straßen von Johannesburg ist es beinahe unmöglich, der Vuvuzela zu entkommen, und wenn so ein Einzelner in das ein Meter lange Plastikding hineinbläst, macht das einen fürchterlichen Ton. Einige Spaßvögel blasen auch gerne mal vor einem Hotelzimmer hinein und schrecken die Gäste mitten in der Nacht aus dem Schlaf.

Doch es gehört eben dazu zu dieser WM, und die Menschen in Südafrika haben einen Riesenspaß dabei. In dem erwartet monströsen Stau vor dem Eröffnungsspiel hopste ein Mann von einem Auto zum nächsten und tat so, als würde er mit seiner gelben Vuvuzela die Reifen aufblasen. Keiner hat darüber so gelacht, wie er selbst.

Dabei gehört das Massenvuvuzelageblase nicht, wie viele meinen, seit Ewigkeiten zum südafrikanischen Fußball wie das Klatschen in Europa. Noch vor wenigen Jahren nutzten nur wenige Zuschauer die Trompete als Einpeitsch- und Rhythmusgerät, die Fans um ihn herum tanzten und sangen dazu. Jetzt aber ist die Tröte so in Mode gekommen, dass dieser Monsterwespen-Sound zum WM-Soundtrack geworden ist.

"Werde mit Zeichensprache arbeiten"

Beim Spiel der Südafrikaner bliesen nun also geschätzte 40.000 Vuvuzelas dem Spiel den Marsch. Am lautesten wurde es, wenn die Mexikaner eine Ecke oder einen Freistoß in Tornähe ausführen wollten. Die heimischen Fans bekämpften mit dem Geblase wohl ihre Angst, es könnte gleich ein Gegentor fallen.

Aus Deutschland sind die ersten Beschwerden zu hören. Man könne den Fernsehkommentator kaum verstehen und überhaupt nerve das ständige Wespen-Geräusch ungemein. Die Fernsehsender erhalten viele Beschwerdeanrufe. "Nach den Erfahrungen beim Confed-Cup verwenden unsere Reporter bei der WM spezielle Lippenmikrofone, damit sich ihr Kommentar nicht zu sehr mit der Stadionatmosphäre vermischt", sagt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz.

Außerdem kann Bundestrainer Joachim Löw bei diesem Lärm seinen Spielern während der Partie am Sonntag gegen Australien keine seiner wertvollen Anweisungen geben. "Der Fußball ist auch Kommunikation und es ist schwer mit deinem Mitspieler zu sprechen bei diesem Krach der Vuvuzela", sagte Argentiniens Mittelfeldspieler Javier Mascherano nach dem 1:0 (1:0)-Sieg seines Teams gegen Nigeria. Doch Löw sucht sich eine Alternative: "Ich werde mit Zeichensprache arbeiten."

Das ist echte deutsche Überlebenskunst! Die Fernsehsender finden bestimmt eine Möglichkeit, ihre Mikrofone besser vor dem Wespenlärm zu schützen, um ihre fundierten Analysen nach Deutschland senden zu können. Und die Besucher im Stadion vergessen beim nächsten Mal sicher nicht, sich vorher ein paar Ohrstöpsel zu kaufen - solange es sie noch gibt. Denn bald sind die guten Dinger ausverkauft.

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