WM-Verzicht von Falcao:Beim Tiger kullern die Tränen

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Kolumbiens Nationalelf muss auf solche Momente verzichten: Falcao fällt bei der WM aus.

(Foto: Yorick Jansens/AFP)

Kolumbien reist zur Fußball-Weltmeisterschaft - jedoch ohne Radamel Falcao, das Nationalheiligtum. Auf einer emotionalen Pressekonferenz erklärt der Stürmer seinen Verzicht. Ein Kreuzbandriss ist eben doch ein Kreuzbandriss.

Von Jonas Beckenkamp

Eigentlich neigen Kolumbianer nicht zur Melancholie, aber vielleicht spielte der Ort der Verkündung eine Rolle. Die Nationalelf der "Cafeteros" befindet sich zur WM-Vorbereitung in Buenos Aires. In der Hauptstadt des Tango, wo traurige Lieder eine lange Tradition haben, gab es diesmal aus kolumbianischer Sicht ein paar Neuigkeiten, die in der Heimat schwere Verstimmung auslösten.

Bei einer Pressekonferenz im Mannschafts-Camp hockten auf dem Podium vier Sportbekanntheiten, die im Andenstaat durchaus Gewicht haben: Nationaltrainer José Pekerman, Abwehrspieler Amaranto Perea, die Stürmer Luis Muriel und Radamel Falcao. Und irgendwie passte es ins Bild, dass der gebürtige Argentinier Pekerman die schlechten Nachrichten verkündete: Falcao und sein Kollege Perea fehlen wegen Verletzungen beim Großevent in Brasilien, Muriel schaffte es aus sportlichen Gründen nicht in den Kader.

"Es ist eine traurige Nacht. Ich muss schmerzvoll erklären, dass Falcao und Perea nicht an der WM teilnehmen können. Ich wollte Falcao um jeden Preis dabei haben, denn manchmal kann ein Mann Berge versetzen", sagte der Coach am späten Montagabend. Es war der Moment, in dem Millionen Menschen im fußballenthusiastischen Kolumbien schlucken mussten.

Mit der Bedrohung, dass ihr nationales Heiligtum einen im Januar erlittenen Kreuzbandriss nicht rechtzeitig auskuriert, haben sie in Kolumbien bis zuletzt leben müssen - jetzt ist sein Ausfall gewiss. Es ist ein schlimmer Verlust, denn in seiner Heimat ist "El Tigre" unbestritten der populärste Mensch im Land. Mit Falcao, so hofften große Teile der 47 Millionen Kolumbianer, wäre bei der WM endlich ein Vorrücken in elitäre Fußballkreise möglich gewesen.

In Vorrundengruppe C warten mit Griechenland, der Elfenbeinküste und Japan keine Übermannschaften und nach den überzeugenden Leistungen in der Qualifikation (Platz zwei) glaubten viele sogar ans Viertel- oder Halbfinale. Doch jetzt fällt ausgerechnet der Mann aus, der in der Quali mit neun Treffern für Fußballkarneval zwischen Karibik und Kordilleren gesorgt hatte.

"Das ist ein schwieriger Moment für mich. Ich werde die Mannschaft aber mit aller Kraft unterstützen", sagte der 28-Jährige mit hängendem Kopf und kullernden Tränen im Gesicht, "ich habe bis zuletzt darauf gehofft, es zu schaffen, und habe alles versucht".

Leider bleibt ein Kreuzbandriss am Ende doch eine schwerwiegende Sache, die sich in nur viereinhalb Monaten nicht so einfach wegzaubern lässt. "Stand jetzt bin ich in guter Verfassung, aber ich will niemandem den Platz streitig machen, der zu hundert Prozent fit ist", erklärte Falcao sichtlich bemüht, sich als Teamplayer und Vernunftsmensch zu geben. Es gebe schließlich noch wichtigere Dinge als Fußball: die Gesundheit.

Halbe Kraft reicht nicht

"Ich wollte nichts Leichtfertiges tun, das meinem Körper schaden könnte", erklärte Falcao. Dass sie ihn wohl auch auf Händen nach Brasilien getragen hätten und der Verband ihn sogar angeschlagen mit zur WM genommen hätte, lehnte der Angreifer ab. Er wolle nicht mit halber Kraft dabei sein, so der Stürmer mit den langen dunklen Haaren.

Falcao, der vergangenen Sommer für 60 Millionen Euro Atlético Madrid in Richtung Monaco verlassen hatte, war die Zeit davongelaufen, obwohl er für sein Comeback kämpfte. Er ließ sich von Spezialisten behandeln, trainierte wie ein Besessener. Nach ersten Schreckensmeldungen machten die Mediziner der Nation Mut - eine Operation war erfolgreich verlaufen, Staatspräsident Juan Manuel Santos besuchte ihn unter Mediengetöse am Krankenbett und Pekerman berief seinen wichtigsten Akteur ins vorläufige Aufgebot.

Dann verbreiteten Medien aus Frankreich, der Patient falle definitiv aus - es war ein ständiges Hin und Her, das jetzt so traurig endet. "Unser Land bedauert die Abwesenheit des Tigers Falcao (...) bei der Weltmeisterschaft. Aber dennoch wissen wir, dass unsere Mannschaft eine große Rolle spielen wird", twitterte Santos noch in der Nacht. Fußball und Politik reichen sich in Südamerika in solchen Momenten gerne die Hände - die verbindende Kraft des Sports setzt Emotionen frei.

Falcao versucht nun, trotz aller Enttäuschung nach vorne zu blicken. "Wir haben eine großartige Auswahl, die wir unterstützen sollten, und es bleiben große Spieler", erklärte der Profi. Dazu gehört als einziger Bundesliga-Akteur auch der künftige Dortmunder Stürmer Adrian Ramos von Hertha BSC. Er wird nach Falcaos Ausfall noch mehr Verantwortung übernehmen müssen - zuletzt klappte das nach seiner Einwechslung beim 2:2 gegen Senegal eher mäßig.

Trainer Pekerman gab sich ebenso gewillt, positiv zu bleiben: "Heute können wir sagen, dass Kolumbien eine außergewöhnliche Zukunft hat und eine große WM spielen wird." Für einen Argentinier klang das schon wieder ziemlich zuversichtlich. Das mit der Staatstrauer dürfte sich also schnell erledigen. In Kolumbien glauben sie lieber an das Gute - auch ohne den Tiger.

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