WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Flashmob im Pressezentrum

*** BESTPIX *** Spain v Chile: Group B - 2014 FIFA World Cup Brazil

Sicherheitskräfte im Maracanã versuchen, chilenische Fans aufzuhalten.

(Foto: Getty Images)

Eine Gruppe chilenischer Fans entert vor dem Spiel gegen Spanien den Pressebereich des Estádio do Maracanã in Rio. Interessant ist die Reaktion der Journalisten. Was SZ-Reporter in Brasilien erleben.

Von Claudio Catuogno, Rio de Janeiro

Irgendwo geht Glas zu Bruch. Dann rennen plötzlich alle Durcheinander. Normalerweise wird in Pressezentren nicht gerannt, es wird sich vor allem in Schlangen gestellt, in die Ticketschlange, die Schlange vor dem Getränkekiosk, die Schlange vor dem Aufzug, der hinauf zur Pressetribüne führt. Aber jetzt ist plötzlich Aufruhr im Pressenzentrum des Estádio do Maracanã in Rio, eine knappe Stunde noch, ehe das Spiel zwischen Spanien und Chile angepfiffen wird.

Leute mit roten Hemden sind zu sehen. Ordner rennen. Dann fallen die ersten Stellwände um, und weil an diesen Stellwänden die Flachbildschirme hängen, hängen jetzt auch die Flachbildschirme ziemlich traurig kurz vor dem Boden, gerade ist Arjen Robben zu sehen, wie er in Porto Alegre eine Pressekonferenz gibt.

Haben es die brasilianischen Anti-WM-Demonstranten jetzt doch bis ins Stadion geschafft? Trotz der 40 000 Polizisten in der Stadt, die nicht zimperlich sind mit Tränengas und Schlagstöcken, und von denen es neuerdings in brasilianischen Medien heißt, sie würden auf Demos auch schon mal mit scharfer Munition herumballern? Rückt jetzt gleich auch noch eine Hundertschaft dieser Sicherheitskräfte in den Pressebereich ein?

Das Radiointerview, das man als deutscher WM-Reporter gerade gibt, müsste man dann womöglich besser abbrechen, aber so weit ist es jetzt erst mal noch nicht.

Nach einer Weile stellt sich heraus: Es ist nicht die Wut auf die Fifa und die WM, die die Leute ins Stadion getrieben hat. Sondern ihre Fußball-Obsession. Fünfzig, vielleicht auch hundert chilenische Fans ohne Ticket dachten offenbar, sie müssten nur irgendwie in einer Art Flashmob hinter die Glastür des Pressezentrums gelangen und könnten sich das Spiel dann gemütlich im Stadion anschauen. Jetzt sitzen sie zusammengekauert und umstellt hinter der Stellwand und warten auf ihre Verhaftung. Man kann wohl nicht sagen, dass sich ihre Reise nach Brasilien gelohnt hat.

Auch nicht uninteressant: Wie die Journalisten reagieren, wenn plötzlich das Chaos ihre Routine durchbricht. Die eine Hälfte: rennt zu den Laptops und Rucksäcken, man braucht das Zeug ja noch, die WM ist noch lang. Die andere Hälfte zückt Smartphone und Kamera, steigt auf Tische und trampelt die Stellwände endgültig nieder. Es ist die zweite Hatz binnen weniger Minuten: die nach dem besten Bild.

Linktipp: Klicken Sie hier für ein aktuell aufgezeichnetes Interview mit unserem SZ-Reporter Claudio Catuogno. Er berichtet in der "BigShow" von Sportradio360 live aus dem gestürmten Presseraum (ab Minute 10:20).

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