Fußball-WM:Balletttänzer, Naturwunder, Kompanie-Vater

Messi, Ronaldo und Neymar sind raus - aber irgendwer muss am Ende der Spieler der WM werden. Sieben Vorschläge.

Von Martin Schneider, Sankt Petersburg

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Luka Modric

World Cup - Quarter Final - Russia vs Croatia

Quelle: REUTERS

In diesen Tagen tauchen im Internet Bilder auf, die auf die Ähnlichkeit von Luka Modric mit Johan Cruyff hinweisen. Es ist nicht das schlechteste Zeichen, mit dem großen Niederländer verglichen zu werden, den sie König Johan nannten. Denn nicht nur die Nase und die Haare, sondern auch der Fußball von Modric verdient es, ein bisschen überschwänglicher gelobt zu werden. Gegen Russland war der Regisseur von Real Madrid der überragende Akteur auf dem Platz, wie auch schon gegen Argentinien. Dass er seinen Versuch im Elfmeterschießen mehr ins Eck hoffte als schoss - dafür brachte er in der zweiten Halbzeit und in der Verlängerung jeden noch so schwierigen Ball zum Mitspieler. Und während Russland rannte und Kroatien müder wurde, kreierte Modric Druck und Tempo mit Technik. Hat natürlich den Vorteil, mit Ivan Rakitic einen nahezu perfekten Partner neben sich zu haben.

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Eden Hazard

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Quelle: AFP

Eden Hazard war ja auch lange ein Spieler wie die belgische Nationalmannschaft. Man wusste, wozu er theoretisch in der Lage wäre, aber meist rief er es dann in den entscheidenden Spielen nicht ab. Bringt nun sein Tempo und seine Technik zum richtigen Zeitpunkt auf den Platz, gegen Brasilien war der Spieler des FC Chelsea das Gaspedal seiner Mannschaft, gegen Tunesien schoss er zwei Tore, und auch sonst macht er das, was man so von ihm selten gesehen hat: Leistung konstant auf hohem Niveau bringen. Profitiert davon, dass die Gegner sich nicht auf ihn konzentrieren können, weil neben ihm noch zwei andere Künstler spielen. Hat somit ein bisschen mehr Platz als sonst, und den nutzt er gnadenlos aus. Ist der Spieler im Turnier, der am häufigsten ins Dribbling geht und nach dem Aus von Neymar derjenige, der am häufigsten durch Fouls gestoppt werden muss.

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Kylian Mbappé

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Quelle: AFP

Hat es bereits jetzt geschafft, mehr als Naturwunder denn als Fußballer wahrgenommen zu werden. Sein Sprint gegen Argentinien, der mit dem frühen Elfmeter endete, war wohl die größte leichtathletische Leistung dieser WM. Wenn Mbappé beschleunigt, gucken die Gegner hinterher, und das Publikum staunt gut (vielleicht auch nicht schlecht). Ist obendrein erst 19 Jahre alt und der erste Teenager seit Pelé, der in einem K.-o.-Spiel zwei Tore schoss. Sein Problem: Fiel gegen Uruguay mit einer neymaresken Falleinlage auf. Sein Mannschaftskamerad N'Golo Kanté leistet eigentlich ebenso Erstaunliches, aber weil Kantés Fähigkeiten das Antizipieren von Spielsituationen und das Abfangen von Bällen sind und man das nicht in Highlight-Videos schneiden kann, wird Kanté wahrscheinlich nicht der Spieler des Turniers.

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Kevin De Bruyne

Brazil v Belgium: Quarter Final - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Man hätte schon früh ahnen können, was dieser unscheinbar wirkende Junge aus Drongen kann, von dem einige sagen, man würde ihn in England auf seine Ähnlichkeit zu Prinz Harry ansprechen. Etwa, als der VfL Wolfsburg mit ihm, De Bruyne, den DFB-Pokal gewann (und nach seiner Zeit zwei Mal in die Abstiegsrelegation musste). Man konnte sich sicher sein, was er kann, wenn man sich in dieser Saison Spiele von Manchester City angeschaut hat, wo er in Pep Guardiolas Positionsspielsystem trotzdem noch einzelne Matches einfach alleine dominierte und lenkte. Und nun, nach dem Spiel gegen Brasilien, saß Brasiliens Nationaltrainer Tite in der Pressekonferenz und nannte bei der Frage nach dem besten Spieler Belgiens seinen Namen. Dass Hazard und Lukaku vorne vollstrecken können, liegt daran, dass ihnen der Ex-Wolfsburger das Schwert schärft.

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Harry Kane

Sweden v England: Quarter Final - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Der Teamgeist oder Gareth Southgate können auch nach aktuellen Informationen nicht Spieler des Turniers werden. Also muss man bei England wohl jemanden herausnehmen, der irgendwie für das große Ganze steht. Harry Kane ist darüber hinaus der aktuell Führende der Torjägerliste, und nur Detailverliebte werden nun einwenden, dass darunter ja auch drei Elfmeter und fünf Tore gegen Tunesien und Panama waren. Aber er ist erkennbar der Vater der Kompanie, der den Laden zusammenhält, vorangeht, Verantwortung übernimmt. Vielleicht ist so was ja auch mal eine Auszeichnung wert.

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Romelu Lukaku

Brazil v Belgium: Quarter Final - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Die dritte Spitze des magischen belgischen Dreiecks und derjenige mit den meisten Toren. Kostete Manchester United unlängst 85 Millionen Euro, was aber untergeht in einer Welt, in der auch schon mehr als das Doppelte für Spieler bezahlt wurde, die gar nicht mehr bei diesem Turnier dabei sind. Man wusste ja über ihn, dass er ein Stürmer des Typs "Bulle" ist, ein sogenannter Zielspieler, dem man die Bälle servieren kann und der sie im Zweifel mit jedem Gramm Körpergewicht verteidigt. Spätestens seit dieser WM weiß man, dass in Lukakus Kraftkörper ein Balletttänzer wohnt, ein Techniker, der nur rausgelassen werden will. Ließ beim entscheidenden Konter gegen Japan den Ball geschickt durch, initiierte gegen Brasilien ebenfalls den entscheidenden Konter. Aufmerksame Leser merken: Die Szenen, mit denen er bei dieser WM am meisten auffiel, waren beides keine Tore.

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Jordan Pickford

World Cup - Quarter Final - Sweden vs England

Quelle: David Gray/Reuters

Sagte gerade, dass so ein WM-Halbfinale auch nichts anderes sei als ein Zweitligaspiel. Nur dass die Bühne größer sei. Und er, der viele Zweitligaspiele in England absolviert hat, wisse, dass die noch härter seien als Partien in der Premier League. Das ist eine bemerkenswerte Aussage. So bemerkenswert wie die Tatsache, dass Jordan Pickford Torwart ist und Engländer und in dieser Liste potenzieller Spieler des Turniers auftaucht. Spielte schon beim FC Darlington, bei Alfreton Town, bei Burton Albion, bei Carlisle United, bei Bradford City, bei Preston North End und ist nun beim FC Everton angekommen. Hielt einen Elfmeter gegen Kolumbien und einen Fernschuss, in dem er seine (vermutlich aufgerundeten) 1,85 Meter seeehr lang machte.

© SZ.de/chge/fued
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