WM-Silber für Rebensburg:Ein Lauf bringt die Wände zum Wackeln

  • Viktoria Rebensburg gewinnt im Riesenslalom die erste deutsche Medaille bei der Ski-WM in den USA - dank eines starken zweiten Durchgangs.
  • Dabei war ihr Chef Wolfang Maier zuvor "schon ein bissl angeranzt".
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Von Thomas Hummel

Das Hotel Sonnenalp in Vail, Colorado, dürfte sich ziemlich gewundert haben, was es am Donnerstagabend aushalten musste. Urplötzlich erfasste ein derartiger Jubel seine Räume, dass die Holzwände wackelten. Viktoria Rebensburg war eingetroffen.

Das Hotel dient bei der Ski-Weltmeisterschaft als Haus der Deutschen, als Treffpunkt für Verband, Sponsoren, ehemalige Fahrer, Fans. Also allen, die mit dem deutschen Skirennfahren verbunden sind und bisweilen auch damit Geld verdienen wollen. So wie die 25-jährige Rebensburg von den Leuten empfangen wurde, vertiefte sich der Eindruck, dass sie gerade alle ein bisschen gerettet hatte. Silber im Riesenslalom, im achten Wettbewerb endlich die erste deutsche Medaille in Vail.

Also eine Frage an den Frauen-Bundestrainer: Markus Anwander, wie groß ist der Stein, der Ihnen vom Herzen fiel? "So wie die Zugspitze."

Ein paar Stunden vorher hatte an Jubel, Party, fallende Zugspitz-Steine noch niemand gedacht. Da blühte dem Hotel Sonnenalp der nächste ruhige, im besten Falle gemütliche Abend mit ein paar Frust-Getränken. Viktoria Rebensburg war im ersten Lauf die elftbeste Zeit gefahren. Eine Medaille war 0,80 Sekunden und acht Plätze entfernt, das ist wie im Fußball ein 0:3 nach der ersten Halbzeit. Sportdirektor Wolfgang Maier erklärte: "Nach dem ersten Durchgang, das gebe ich offen zu, war ich schon ein bissl angeranzt (angefressen; Anm. d. Red.)." Er habe gedacht: Damit seien die Frauen-Wettbewerbe nun gelaufen.

Dabei war das Resultat nach dem ersten Durchgang eigentlich keine Enttäuschung gewesen. Viktoria Rebensburg war zwar einst Olympiasiegerin im Riesenslalom gewesen, in Sotschi vergangenes Jahr hatte sie zudem Bronze geholt. Doch in dieser Saison war im Riesenslalom wenig gut gelaufen. Platz sechs, sieben, zehn, ein Ausfall. Sie hatte Probleme mit den Skiern ihres Ausrüsters, das Gefühl passte nicht mehr. Plötzlich lief es in den Speed-Disziplinen Abfahrt und Super-G besser.

Das Verzwickte für den Deutschen Skiverband (DSV) ist, dass bei den Frauen nur noch Rebensburg mit den besten mithalten kann. Nach dem Rücktritt von Maria Höfl-Riesch erleben die Frauen einen Niedergang. Rebensburg hatte in Vail einen Auftrag: die Bilanz retten. Nach den Plätzen zehn in der Abfahrt und fünf im Super-G war die Enttäuschung groß. Nach dem Ausscheiden in Runde eins des Team-Wettbewerbs machte sich Entsetzen breit. Sollte wirklich alles auf Felix Neureuther und die technischen Männer-Rennen ankommen?

Nach dem ersten Riesenslalom-Durchgang am Donnerstag sah es so aus. "Der Wolfi (Maier) war nicht entspannt, aber mir war das wurscht", berichtete Rebensburg, "ich hatte ein gutes Gefühl, ich hatte das Gefühl, ich kann endlich wieder Gas geben und pushen, am Limit fahren. Das ist für mich das Entscheidende gewesen." Sie hatte direkt vor der WM von ihrem Ausrüster einen neuen Ski erhalten. Der erste Lauf diente praktisch zum Einfahren. Dann kam der zweite.

Neureuther gratuliert

Vor Rebensburg waren Mikaela Shiffrin und Kathrin Zettel schnell unterwegs gewesen. Doch keine fuhr so direkt, so energisch an die Tore heran wie Rebensburg. Keine reizte die Falllinie so aus wie die Frau aus Kreuth hinterm Tegernsee. Im Ziel war sie 0,75 Sekunden schneller als die Österreicherin Zettel. Dennoch wollte sie nicht jubeln: "Ehrlich gesagt habe ich, als ich ins Ziel gekommen bin, nicht gedacht, dass es so ausgeht mit einer Medaille."

Doch eine Fahrerin nach der anderen, die im ersten Lauf noch schneller waren als sie, fiel zurück. Teilweise weit. Selbst die WM-Queen Tina Maze aus Slowenien verspielte ihren großen Vorsprung auf die Deutsche. Erst Anna Fenninger war schneller - sogar trotz eines Querstehers im zweiten Lauf. Die Österreicherin teilt sich nun mit zwei Gold- und einer Silbermedaille den Königsthron von Vail mit Maze. Fenninger hatte am Ende 1,4 Sekunden Vorsprung auf Rebensburg, Dritte wurde die Schwedin Jessica Lindell-Vikarby.

Während die Österreicher mit dem Zählen der Medaillen kaum nachkommen (Stand Freitagfrüh sind es acht), laben sich die Deutschen an ihrer ersten. "Die Energieleistung, die sie heute gebracht hat, das ist fast unbeschreiblich. Das hätte ich ihr nie zugetraut, dass sie so extrem aus sich herausgeht und so eine starke Fahrt zeigt", frohlockte Maier. Vor allem dem DSV-Sportdirektor ist der Druck anzumerken, dass die Medaillenbilanz von Vail nicht allzu mickrig ausfallen darf. Als ihm Rebensburg zwischen den Durchgängen prophezeit habe, sie werde sich noch steigern können, antwortete er: "Okay, ich reserviere mal Bronze für dich unten."

Rebensburg schaffte es, den Druck nicht zu sehr an sich heranzulassen. Sie berichtete vor allem, dass sie sich unheimlich gefreut habe, mit den neuen Skiern wieder richtig schnell fahren zu können. "Für mich war wichtig, im Riesenslalom wieder das Gefühl zu haben, ich kann voll attackieren, voll angreifen und voll vorne mitfahren."

Vielleicht hat sie mit ihrer Fahrt am Limit nun auch den Männern ein wenig Druck genommen. Von Felix Neureuther, Fritz Dopfer, Stefan Luitz und Linus Strasser. Vor allem Neureuther und Dopfer waren in dieser Saison in Riesenslalom und Slalom so oft auf dem Podium gestanden, dass eine WM ohne Medaillen eine große Enttäuschung wäre. Am Freitagabend steigt der Riesenslalom der Männer (erster Durchgang 18:15 Uhr, Liveticker bei SZ.de). Doch Dopfer plagt sich in Vail mit Rückenschmerzen - und wenn ein ganzer Verband auf Felix Neureuther hoffen muss, kann das auch hemmen.

Über Facebook schickte Neureuther sogleich Glückwünsche an Rebensburg. Er sieht auf dem Foto sehr glücklich aus.

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