WM-Relegation:"Schande auf sich und den Fußball geladen"

Nach Frankreichs irregulärem Tor im WM-Qualifikationsspiel fordert der irische Verband eine Neuansetzung.

Christian Zaschke

Auch am Donnerstagnachmittag grüßte die Website des irischen Fußballverbands noch mit einem fröhlichen "The road to South Africa continues" - der Weg nach Südafrika geht weiter. Als hätte das Spiel am Vorabend nicht stattgefunden oder wäre aus der Geschichte gelöscht. Doch der Weg nach Südafrika ist für Irlands Nationalmannschaft wohl zu Ende, sie kam nur bis zum Stade de France in Paris, wo vor dem entscheidenden Treffer der Franzosen Thierry Henry den Ball so klar mit der Hand spielte, dass ganz Europa es sah: Frankreich war durch einen Regelverstoß weitergekommen, oder, wie viele Kommentatoren sagten, durch Betrug. Nur die schwedischen Schiedsrichter sahen es nicht.

WM-Relegation: Nach dem mit der Hand vorbereitetem 1:1-Ausgleich jubelte Henry zurückhaltend. Aber seinen Regelverstoß gab er erst nach dem Spiel zu.

Nach dem mit der Hand vorbereitetem 1:1-Ausgleich jubelte Henry zurückhaltend. Aber seinen Regelverstoß gab er erst nach dem Spiel zu.

(Foto: Foto: AP)

Irischer Verband fordert Wiederholungsspiel

Am späteren Donnerstag erschien die veraltete Website der Iren dann wieder wie ein Ausdruck der Hoffnung, denn der irische Verband Fai hat eine offizielle Beschwerde beim Weltverband Fifa eingelegt. Er fordert ein Wiederholungsspiel und verweist darauf, dass schon einmal ein WM- Qualifikationsspiel wiederholt worden ist: Die Partie zwischen Usbekistan und Bahrain (1:0) vom September 2005 war wegen einer schwerwiegenden Fehlentscheidung des Schiedsrichters annulliert und neu angesetzt worden. "Der irische Fußballverband hofft, dass die Fifa und ihr Disziplinar-Ausschuss im Sinne der Fußballfans in aller Welt genauso reagieren wird, so dass die Standards des Fairplays und die Integrität beschützt werden", schreibt die Fai.

Dass es einen Regelverstoß gab, ist unstrittig. Die Sportzeitung L'Equipe zeigte auf ihrer Titelseite am Donnerstag die entscheidende Szene: Henry, wie er im irischen Strafraum den Ball mit der Hand führt. "La Main de Dieu" titelte sie, "Die Hand Gottes", aber es war eben nicht Gott, der da die Hand im Spiel hatte. Auch Henry selbst gab zu, dass er vor dem 1:1 durch William Gallas in der 103. Minute, das den Franzosen die WM-Qualifikation sicherte, den Ball mit der Hand berührt hatte. Tatsächlich berührte Henry den Ball gleich zweimal mit der Hand, einmal stoppte er ihn, und dann führte er ihn in eine bessere Position, bevor er - mit dem Fuß - zu Gallas passte.

"Er hat den Ball beinahe gefangen und ist damit ins Netz gerannt", sagte Irlands Kapitän Robbie Keane. Er ist ein Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Ausführlich machte er seinem Ärger Luft, Keane witterte hinter dem unrechtmäßigen Treffer mehr als einen Fehler des Schiedsrichters. Mit Verweis auf die Bosse des europäischen und des Welt-Fußballverbandes, Michel Platini aus Frankreich und Sepp Blatter aus der Schweiz, sagte er: "Jetzt klatschen die vermutlich Beifall, Platini, der da oben sitzt und mit Blatter telefoniert, vielleicht schicken sie einander SMS, voller Freude über das Ergebnis." Er machte seinen Punkt noch etwas deutlicher: "Auch Deutschland hätte ja in die Playoffs kommen können, und mit zwei so großen Ländern wird es in einer Million Jahren keine faire Auslosung geben."

Im Video: Nach dem entscheidenden Treffer im WM-Relegationsspiel gegen Irland gibt Frankreichs Kapitän Thierry Henry ohne Umschweife zu, dass seine Hand im Spiel war.

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Große Nationen bevorzugt?

Damit spielte Keane darauf an, dass die Fifa vor den Playoff-Spielen plötzlich eine Setzliste erfunden hatte, um zu verhindern, dass die großen Nationen gegeneinander spielen. Daraus lässt sich aus Sicht der Iren eine Präferenz für die großen Nationen ablesen. Irlands Verteidiger Richard Dunne sagte: "Es war lächerlich, und unglücklicherweise ist es genau das, was wir erwartet haben. Die WM wird von Leuten veranstaltet, die entscheiden wollen, wer mitspielt. Große Mannschaften bekommen große Entscheidungen."

Dass der Regelverstoß derart offensichtlich war, führt in vielen europäischen Zeitungen und breitflächig im Internet zu intensiven Diskussionen. Zum einen geht es dabei darum, was die irischen Spieler mehr als angedeutet haben, die sich von der Fifa verschaukelt fühlen. Zum anderen geht es darum, dass dieses Tor nie gezählt hätte, wenn es im Fußball einen Videobeweis gäbe - oder wenn bei diesem Spiel wie in der Europa League Torrichter im Einsatz gewesen wären. Auch über den Ruf von Thierry Henry wird diskutiert, der sich stets als integrer Sportsmann inszeniert.

Deutliche Worte fand der frühere irische Nationalspieler Tony Cascarino in der Times: "Er wusste, dass er etwas falsch gemacht hatte, aber er stellte Eigennutz über Gerechtigkeit. Er hätte ein strahlendes Vorbild an Integrität sein können, stattdessen hat er Schande auf sich und den Fußball geladen." Cascarino führte aus: "Betrug ist im Fußball alltäglich geworden, weil die Funktionäre uns alle betrügen, indem sie nicht das Rückgrat haben, die Schuldigen zu bestrafen. Werden Sepp Blatter oder Michel Platini Henry verurteilen oder die Idee aufbringen, das Spiel sollte wiederholt werden? Natürlich nicht. Sie werden die Augen verschließen, und wieder wird ein Stück Glaubwürdigkeit, wird ein Stück Seele des Fußballs leise sterben."

Selbst in der Politik der beiden Länder wird das Spiel diskutiert. Irlands Justizminister Dermot Ahern fordert wie der Verband ein Wiederholungsspiel. "Sollte das Resultat bleiben, verstärkt es die Meinung, dass man gewinnt, wenn man betrügt", sagte er. Die französische Gesundheits- und Sport-Ministerin Roselyne Bachelot sagte: "Die Franzosen sind beunruhigt und enttäuscht." Einzig der umstrittene Nationaltrainer Raymond Domenech machte eisern gute Miene zum Spiel. Er habe von der Bank aus kein Handspiel erkennen können, sagte er und beschied: "Ich habe gewusst, dass wir uns qualifizieren. Jetzt lassen Sie mich diese Qualifikation genießen." Als Genießer dieses Spiels steht er selbst in Frankreich ganz allein.

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