WM-Quartier der DFB-Elf:Erstaunen im Paradies

WM-Quartier ´Campo Bahia"

Baustelle für das "Campo Bahia", das WM-Quartier der deutschen Nationalelf.

(Foto: dpa)

Brasiliens Öffentlichkeit registriert verblüfft, dass sich die deutsche Nationalelf für ein noch fertigzustellendes WM-Quartier entscheidet - und dass es diesen Plan schon länger gab als mitgeteilt. Innerhalb des DFB soll es Widerstand gegen die Entscheidung gegeben haben.

Von Thomas Kistner

Santa Cruz Cabralia heißt das Örtchen an der Küste Bahias, wo vor bald 514 Jahren die Portugiesen brasilianischen Boden betraten; benannt nach Pedro Álvares Cabral, der die zwölf königlichen Karavellen befehligte. Neu entdeckt wurde die Region, ein veritables Öko-Paradies, jetzt vom Flaggschiff des deutschen Fußballs: Die Nationalmannschaft lässt sich hier ein Luxusquartier ins Idyll zimmern - das aber nach Auskunft seiner Eigner sowieso fest geplant war.

Vom Rückenwind des WM-Turniers dürfte das Campo Bahia getaufte Projekt aber schon profitiert haben, allein, was die legendär verzwickten Behördenvorgänge im Lande anbetrifft. Am Wochenende erging sich der Bundesstaat Bahia offiziell in Hymnen auf den Deal mit den Deutschen (der auch ein Medienzentrum für 250 Journalisten beinhaltet). Trotzdem, es bleiben Fragen um die schon flott fortgeschrittene Fünf-Sterne-Anlage.

Acht der 14 Villen gebe es bereits, sagte Sigfried Michel am Sonntag der SZ. Michel ist Chef des Hotelier-Verbandes von Porto Seguro, der regionalen Metropole, er wird auch als möglicher Geschäftsführer des Campo gehandelt. Weil ein kleines Edel-Ressort nicht automatisch nach großen Fußballfeldern verlangt, wurde die Anlage wohl schon seit längerer Zeit ganz speziell auf die DFB-Gäste ausgelegt. Aber: Die erfuhren ja offiziell erst am 6. Dezember, bei der WM-Auslosung im Bahia-Flecken Costa do Sauipe, dass es eingedenk der Zuteilung in WM-Gruppe G Sinn ergibt, in der Region das Trainingszentrum zu buchen.

Gleichwohl hatten die Quartiermacher Oliver Bierhoff und Joachim Löw sehr frühzeitig die Region Bahia anvisiert. Beim Confed Cup im Juni, als sie einige der 83 von der Fifa gelisteten WM-Unterkünfte in Brasilien durchforsteten, hatten sie - so die offizielle Version - drei Optionen im Blick: eine bei Sao Paulo, gleich zwei in Bahia. Und nun wird bekannt, dass es seit Februar eine Art Masterplan gibt mit den Campo-Bahia-Eignern, der Münchner Unternehmerfamilie Hirmer. Allerdings wurde diese Option, warum auch immer, "kreativ verschwiegen", wie Bierhoff der SZ bestätigte.

Auch die Fifa erklärte in Brasiliens Medien, die Deutschen hätten das Campo Bahia früh als Quartier erwogen und beantragt: Man habe "seit einigen Monaten mit dem DFB Kontakt gehabt, nachdem der Verband Interesse an einem Aufenthalt im Campo Bahia bekundet hatte". Auf die Fifa-Liste gerutscht sei das Ressort erst später, als der Bau weit fortgeschritten war.

Sensibilität ist gefragt

Wie der stille Coup vor Tagen publik wurde, war so nicht geplant aus DFB-Sicht. Seither betonen die Funktionäre sehr die Nachhaltigkeit des WM-Projekts im Ausrichterland. Sensibilität ist gefragt, Brasilien ist, im Kontext der verschwenderischen WM, ein soziales Pulverfass; dass der Ansatz, sich als einziger von 31 Gästen lieber selbst ein Nest zu basteln, nicht überall gut ankommen könnte, ist ein bekanntes Risiko.

Zur behaupteten Nachhaltigkeit des Refugiums im Meeres-Dschungel gehört unter anderem die Nachnutzung. Das nur per Fähre erreichbare Kleinod sollte also auch in den Jahren nach der WM (und dem 2016 anstehenden kurzen Ansturm der Olympia-Segler) gut besucht sein. Hotel-Experte Michel sieht das optimistisch, wiewohl der Übernachtungspreis bei "nicht unter 1500 Reais" ( 500 Euro) liegen werde. Und: Gibt es in der klassischen Fünf-Sterne-Klientel nicht eher Golfer statt Fußballer?

Auch innerhalb des DFB stieß das Projekt auf Widerstand. Wie die SZ aus gut informierten Kreisen erfuhr, soll es dem im Herbst beim Bundestag als Schatzmeister abgetretenen Horst R. Schmidt wenig behagt haben. Der arbeitet jetzt in Brasiliens WM-Organisation. Geraunt wird von rund 30 Millionen Euro für das Projekt, bis zu ein Drittel sollen auf die Fußballgäste inklusive ihrer Sponsoren entfallen. Bierhoff weist das als Unfug zurück. Es gebe einen Vertrag wie mit anderen Hotels; der Preis sei "sogar niedriger" als bei manchem Angebot auf der Fifa-Liste. Auch habe der DFB keinen Sponsor mitgebracht. "Die Unsicherheit im DFB kam eher wegen der Baustelle. Aller sind aber nun zufrieden."

Brasiliens Medien reagierten teils beeindruckt, teils belustigt auf den deutschen Weg. Manchen finden das Vorgehen professionell und werten es, wie die Gazeta Esportiva, als sicheres Indiz dafür, dass die Deutschen diesmal wirklich alles tun, um den vierten WM-Titel zu ergattern. Andere spötteln, dass das deutsche Küstenprojekt zumindest den Wettlauf mit den brasilianischen WM-Stadien gewinnen würde.

Anders die Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Mancher wundert sich, dass den Deutschen keines der vorhandenen Angebote zusagte. Wache Köpfe weisen bei Globo Esporte, dem Netzableger des größten TV-Senders Globo, darauf hin, dass der deutsche Investor dank des WM-Rückenwindes vermutlich die ausufernde Bürokratie samt Nebeneffekten umgehen konnte, die einen Hotelbau in Brasilien sonst begleiten.

Thematisiert wird die Herausforderung, in einem entlegenen Öko-System solche Projekte in kurzer Zeit durchzuziehen - was nicht gerade landesüblich sei. Und dann: "Bringt ihr die Arbeiter aus Deutschland mit?", fragt einer. "Sonst ist der Bau erst 2028 fertig." Deutsche Schläue und Gründlichkeit - das Thema hat Brasilien erreicht. Lange, bevor das Spiel beginnt.

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