WM-Quartier der DFB-Elf:Einsamkeit statt Ipanema

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Die Niederländer wohnen während der Fußball-WM am Partystrand Ipanema, die Engländer zieht es ebenfalls nach Rio ins pralle Leben. Die deutsche Nationalelf dagegen residiert in der Einsamkeit, in einer neu erbauten Anlage. Das DFB-Ziel, die "zweite Mannschaft Brasiliens werden", könnte so gefährdet sein.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Die Quartiermeister sind, wie sich jetzt herausstellt, mit mehr als nur deutscher Gründlichkeit vorgegangen. Und wenn die deutsche Elf ihre Finten bei der WM genauso setzt, dass niemand erkennen kann, was sie im nächsten Moment vorhat, dann wird sie in ihrer (Mit-)Favoritenrolle kaum zu bändigen sein. Genau darum geht es ja im Wohlfühl-Modell des Joachim Löw: Ruhe zu finden an Palmenstränden, die Beschaulichkeit beim Betrachten der sich kräuselnden Wellen von Santo André, die Muße, um abseits vom heißen Puls Brasiliens Energie zu tanken.

Erstaunlicherweise war das "Campo Bahia" nie Gegenstand der Debatte. Es stand auch nicht in jener Liste, in der der Veranstalter seinen Gästen die 83 besten Häuser des Landes empfahl. Falls sich die DFB-Quartiermeister diese Übersicht überhaupt je komplett angeschaut haben sollten, setzten sie ein anderes Haus, das "Royal Tulip", sicher ganz oben auf der Streichliste.

Zwar wird die Königliche Tulpe gerade renoviert, zwar liegt sie in São Conrado, einem exklusiven Stadtteil von Rio de Janeiro, die Tulpe aber wird überschattet vom Berg und den eng gestaffelten Hütten und Häusern Rocinhas, der größten Favela der Stadt. Und wer nur ein wenig in der Historie des Hotels stöbert, stößt schnell auf ein Ereignis vom August 2010: Drogenbosse trugen ihren Konflikt schwer bewaffnet in der Lobby aus, 35 Geiseln wurden genommen, bei der Befreiungsaktion durch die Polizei starb ein Zeuge.

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Unweit der Tulpe, direkt an Rios Partystrand Ipanema, werden die Niederlande ihr Quartier aufschlagen. Wie schon bei der WM 2010, bei der Arjen Robben und Robin van Persie im Johannesburger Stadtteil Sandton durch die Einkaufszentren schlenderten, ziehen sie nah ran ans Volk, mitten ins pralle Leben. Ob dies im fußballverrückten Brasilien die bessere Wahl ist, wird sich weisen, jedenfalls liefern die Niederländer erneut das krasse Gegenmodell zur Hotelwahl von Jogi Löws Germanen. Sportfachlich lässt sich aus diesem Kontrast zunächst wenig ableiten: Die Deutschen, die 2010 nahe den Löwen in der südafrikanischen Steppe residierten, scheiterten im Halbfinale der WM an den Spaniern, die Niederländer erst im Finale.

Schwer dürfte es allerdings werden, aus der Abgeschiedenheit von Santo André heraus ein emotionales Ziel anzustreben, das die Deutschen jüngst am Rande der WM-Auslosung verkündeten: "Wir wollen die zweite Mannschaft Brasiliens werden", so die Parole. Nur: Wer sich kaum zeigt, wird auch nicht gesehen. Und wer sich in ein deutsches Nest begibt, das erst noch gebastelt wird, stößt in Brasilien vermutlich nicht überall auf Fähnchen schwingende Begeisterung.

Übrigens: In die Königliche Tulpe in Rio rücken die Engländer ein. Als gewichtiges Sicherheitsproblem gilt jetzt traditionell die Frage, wie die Mini-Bar des Hotels vor Rooney & Co zu schützen ist.

© SZ vom 14.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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