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WM-Qualifikation zwischen Ghana und Ägypten:Zum Risikospiel gezwungen

Lesezeit: 3 min

"Die Spieler haben Todesangst": Ghanas Fußballer zittern vor dem Playoff-Rückspiel gegen Ägypten in dem von politischen Unruhen geplagten Kairo. Der ghanaische Verband pocht darauf, die Partie auf neutrales oder weniger heißes Terrain zu verlegen. Doch die Fifa weigert sich.

Von Thomas Kistner

Finale in Kairo, Endspiel am Nil. Solche Sätze haben zurzeit Brisanz, an Fußball denkt dabei erst mal niemand. Politische Unruhen halten das Land in Atem, in Ägyptens aufgewühlte Hauptstadt reist eigentlich nur, wer es nicht umgehen kann. Auch der Fußball, der sich in politischen Fragen gern einen Sonderstatus anmaßt, hielt es zuletzt so. Landesmeister Al Ahly trug seine Spiele der afrikanischen Champions League sicherheitshalber fernab in El Gouna aus, am Roten Meer.

Nun fallen Entscheidungen, Ägyptens Funktionäre zwingen die Kicker in die Kapitale - und damit auch die gegnerischen Teams, obwohl sich diese zu Tode fürchten. Wie die Kicker aus Ghana, die vor der fast sicheren WM-Qualifikation nun noch das Playoff-Rückspiel in Kairo vor sich haben.

"Die Spieler haben Todesangst", lässt Ghanas Verbandschef Kwesi Nyantakyi mitteilen. Er hat alles versucht beim Weltverband Fifa, um die Partie auf neutrales oder weniger heißes Terrain zu verlegen. Auch El Gouna wäre recht gewesen. Doch Ägyptens Herrscher wollen die Westafrikaner ins brodelnde Kairo holen, und die Fifa ließ sich durch kein Bittgesuch erweichen. Nun sitzen Ghanas Kicker im Trainingslager im marokkanischen Casablanca und zittern ihrem Auftritt an diesem Dienstag entgegen. Nyantakyi schäumt.

Das Verbandsquartier soll in Schutt und Asche liegen

Auch den Afrika-Verband Caf hatte er eingeschaltet, doch die internationalen Föderationen ziehen den bequemen Weg vor: Ägyptens Verband EFA habe zugesichert, dass für die Sicherheit der Gäste garantiert werde. Wobei sich Nyantakyi fragt, wer das eigentlich sein könnte, der ägyptische Verband. Im Zuge der Unruhen ist auch der aufgelöst worden, Fußball ist am Nil seit jeher ein hochpolitisches Thema; die wichtigsten Klubs sind Polizei- und Militär zuzuordnen. Und was die Sicherheitsgarantie angeht, haben es die - wo auch immer verbliebenen - Funktionäre nicht einmal geschafft, ihr eigenes Verbandsquartier zu schützen: Vor Wochen sei das EFA-Gebäude in Schutt und Asche gelegt worden, erfuhren die Ghanaer zu ihrem Entsetzen.

Trotzdem müssen sie hin. Am Dienstag steht das Rückspiel an, nachdem das Team von Sportdirektor Abedi Pele die erste Partie in Accra mit 6:1 gewonnen hatte. Selbst ein 0:4 würde also noch das WM-Ticket sichern. Nyantakyi schätzt das Risiko als besonders hoch ein, weil das demütigende Hinspiel-Resultat die Stimmung anheizen könnte. Regimegegner in Kairo hatten das 1:6 bereits mit Ägyptens Miltitärniederlage gegen Israel im Sechstage-Krieg 1967 verglichen.

Nun feiert am Spieltag auch noch Abdel Fattah Al-Sisi Geburtstag; der General ist der starke Mann am Nil, viele drängen ihn zur Präsidentschafts-Kandidatur, sein Konterfei prangt überall. Ghanas Verdacht erscheint nicht ganz abwegig, dass Ägytens Fußball am Dienstag eine Art Sportwunder von Kairo plant.

Nur ein winziges Zugeständnis ließen sich die internationalen Verbände abringen: Das Spiel soll in einem Militär-Stadion ausgetragen werden, nahe am Flughafen. Die Arena ist für nur 20000 Zuschauer ausgerichtet, und nur die Hälfte der Ränge soll gefüllt werden dürfen. Im übrigen aber verschließen sich Fifa und Caf dem Drängen auch von Ghanas Sportminister Elvis Afryie Ankrah - obwohl der sogar auf jüngste Fußball-Krawalle in Kairo verweisen kann.

Am Sonntag musste bereits der Südafrika-Meister Orlando Pirates in Kairo antreten, zum Final-Rückspiel der afrikanischen Champions League. Al Ahly siegte 2:0, holte zum achten Mal Afrikas Klubtrophäe und qualifizierte sich für die Klub-WM im Dezember in Marokko. Im Halbfinale könnte Al Ahly auf Europas gesetzten Vertreter treffen: Bayern München.

Im Spiel letzten Sonntag setzten Ägyptens Kicker politische Zeichen, die das Binnenklima aufluden. Der Torschütze Ahmed El-Zaher wurde deshalb sogar suspendiert und trotz eines laufenden Vier-Jahres-Vertrages auf die Transferliste gesetzt. Er hatte nach seinem Treffer das Vier-Finger-Zeichen "Rabaa" gemacht; das erinnerte an die Toten, die es bei der Räumung des von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mursi besetzten Rabaa-al-Adawiya-Platzes im Sommer durch das Militär gab.

Lobpreisungen für Mubarak

El-Zaher lasten die Funktionäre nun die von der Fifa verbotene "Vermischung von Sport und Politik" an, was die Absurdität entlarvt, die diese Formel beinhaltet. Als früher Ägyptens Spieler von dem langjährigen, gestürzten Staatschef Hosni Mubarak und Gesellen für Siege mit Wohltaten überhäuft wurden und das Regime priesen, war nie jemand eingeschritten. Schon gar nicht der Spitzenfunktionär Hany Abo Rida, der zwar nicht mehr an der EFA-Spitze sitzt, aber einer der neuen Vorstandsherren in der angeblich gut gesäuberten Fifa-Exekutive ist.

Mit Abo Rida (jahrelang tätig für die Staats- und Sicherheitskommission, also wohl den Geheimdienst) und seine EFA habe man schon 2011 den Vertrag gekündigt, heißt es jetzt beim langjährigen Sportausrüsters Puma: Zu "korrupt" sei das Geschäftsgebaren dieser Funktionäre gewesen. Die müssten ihr Material jetzt bei einem anderen Ausrüster kaufen.

Der Fall des suspendierten Spielers El-Zaher und von Abo Rida, der sechsstellige Summen des Weltfußballs im Ehrenamt als Fifa-Vorstand abgreift, zeigt: Kein Gesellschaftsbereich ist enger mit der Politik verzahnt als der Sport. Das Wohlverhalten der EFA, auch im Fall El-Zaher, wird nun offenbar mit einem Projekt belohnt, dessen Ziel eindeutig ist: Ein kaum noch für möglich gehaltener Kantersieg samt WM-Qualifikation an Militärchefs Geburtstag, der als Symbol für Ägyptens neue Stärke wirken könnte. Ein Projekt mit ungewissem Ausgang.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2013
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