WM-Qualifikation:"Mein Blut vergiftet sich"

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Lionel Messi kann es nicht fassen: Argentinien schießt keine Tore mehr. (Foto: AFP)
  • Lionel Messi liegt mit Argentinien in der WM-Qualifikation vor dem letzten Spieltag nur auf Platz sechs. Gegen Peru verhindert eine schwache Chancenverwertung einen Erfolg.
  • Am Dienstag muss Argentinien gegen das bereits ausgeschiedene Ecuador gewinnen. Das Spiel findet in Quito, 2850 Meter über dem Meeresspiegel, statt.
  • Auch Chile steht unter Druck. Gegen Brasilien ist Arturo Vidal vom FC Bayern gesperrt.

Von Javier Cáceres, Buenos Aires/Berlin

Die "Bombonera" bebt nicht, sagt der Volksmund - sie pocht. Als sei ein Stadion auch nur ein Herz. In der Nacht zum Freitag aber war im La Boca-Viertel von Buenos Aires, in dem die Bombonera steht, weder ein Beben noch ein Pulsieren zu spüren. Im Gegenteil. Die Herzen von 49 000 Menschen, die die Pralinenschachtel aus Anlass des WM-Qualifikationsspiels von Argentinien und Peru bevölkerten, blieben stehen.

Die 90. Minute war schon verstrichen, da legte sich Paulo Guerrero den Ball zurecht. Freistoß für Peru, Freistoß aus 20 Metern. Guerrero spielte einst in der Bundesliga und ist heute bei Flamengo Rio de Janeiro; er zielte, er schoss, Argentinien hielt den Atem an - doch Torwart Sergio Romero fischte den Ball mit den Fingerspitzen aus dem Winkel. Nullnull, Abpfiff, verbunden damit die Erkenntnis, dass alles noch viel schlimmer hätte sein können nach diesem vorletzten Spieltag in der Südamerika-Gruppe. Auch so ist es schlimm genug: Argentinien ist nur Sechster, Stand heute ist Lionel Messi, ist der WM-Finalist von 2014, in Russland 2018 nicht dabei.

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Russisches Roulette in Latino-Version

Kann passieren. Denn vor dem letzten Spieltag am Dienstag ist in Südamerika nur Brasilien qualifiziert. Brasilien, das in Bolivien ein irrelevantes 0:0 holte, schaut also entspannt zu, wie sich die Qualifikation in eine Art Russisch Roulette in der Latino-Version verwandelt. Im Unterschied zur klassischen Version des tödlichen Spiels mit dem Revolver liegen jedoch zweieinhalb Kugeln in der Trommel, nicht nur eine. Sechs der zehn Teams haben Chancen auf die dreieinhalb Tickets, die noch zu haben sind: Drei Teams qualifizieren sich hinter Brasilien direkt, ein Team muss ins Drama der Relegation gegen den Ozeanienvertreter, zwei gehen raus.

Uruguay, dieses kleine Fußball-Land mit nicht mehr Einwohnern als Berlin, hat zumindest den Relegations-Platz schon sicher. Auch Paraguay hat beste Aussichten, nachdem sich in den Schlussminuten ein o:1 in Kolumbien in ein 2:1 wandelte. Paraguay empfängt am Dienstag die Venezolaner, doch die gelten als harmlos.

Für Argentinien hingegen ist nun "alles ein Problem". Alles, das heißt: "der Fußball, der Verstand, das Nervensystem, die Persönlichkeit", wie La Nación schreibt. "Alles" lässt sich aber auch auf ein einziges Problem reduzieren: das Toreschießen. Zehn exzellente Chancen gegen Peru, ein Pfostenschuss von Messi, mehr war da nicht. Trotz all der Prominenz von Messi, Di Maria, Dybala. Vier Mittelstürmer (Higuain, Pratto, Icardi, Benedetto) verschlissen die Argentinier in den letzten fünf Spielen. Bejubelt wurde nur ein Treffer: das Eigentor des Venezolaners Rolf Feltscher.

Nun muss ein Sieg in Ecuador her. Hoffnung macht, dass Ecuador bereits ausgeschieden ist. Für Verunsicherung sorgt, dass die Partie in der 2 850 Meter über dem Meeresspiegel - und damit atemraubend hoch - gelegenen Hauptstadt Quito ausgetragen wird. "Wir werden gewinnen", behauptete Jorge Sampaoli, nachdem er auch im dritten Spiel als Argentinien-Coach ohne Sieg blieb. Sollte es anders kommen, wäre Schützenhilfe nötig. Leisten könnte sie ausgerechnet Brasilien, der Erzrivale, der Chile empfängt.

Hat Vidal sein letztes Ländermatch gespielt?

Die Chilenen kamen in Santiago zu einem 2:1-Sieg voller Angst und Pein gegen Ecuador. Der frühere Hoffenheimer Eduardo Vargas (22.) schoss die Führung, zehn Minuten vor Schluss glich Ecuador aus. "In solchen Momenten sterbe ich ein bisschen, sondert mein Körper eine besondere Flüssigkeit ab. Mein Blut vergiftet sich, ich werde älter, meine Haare werden grauer", sagte Nationaltrainer Juan Antonio Pizzi.

Erst als Alexis Sánchez vom FC Arsenal den Siegtreffer (86.) erzielte, atmete Pizzi auf. Auch nur ein wenig, denn Bayern-Profi Arturo Vidal sah die gelbe Karte - und ist für das Brasilien-Spiel gesperrt. Das bedeutet auch, dass Vidal womöglich sein letztes Spiel für Chile gemacht hat. Denn nachdem er jüngst wieder durch einen Casino-Besuch in die Schlagzeilen geriert, erklärte er, nach der WM zurücktreten zu wollen. Doch was, wenn Chile gar nicht teilnimmt? Und auch Argentinien nicht. Es wäre ein Kuriosum. Denn es sind die Finalisten der letzten beiden Copa América-Turniere, der Meisterschaft dieses gerade sehr verwirrten Fußball-Kontinents.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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