Süddeutsche Zeitung

WM-Qualifikation:Kroos entscheidet cheffig das Spiel

Von Carsten Scheele, Hamburg

Der Ball kam angeflogen aus der Hälfte der Tschechen, Joachim Löw stoppte ihn, nicht profan mit der Sohle, sondern reichlich kunstvoll mit der Hacke aus der Luft. Da johlte das Publikum in der Arena im alten Volkspark, und wenn da so etwas gewesen sein sollte wie eine minimale Verstimmung zwischen Löw und den Hamburgern, dann war sie in diesem Moment aufgelöst. Löw hatte sich ja ein bisschen lustig gemacht über die erfolglosen Fußballklubs der Stadt, als er unkte, es werde vom Bundesliga-Letzten HSV und vom Zweitliga-Letzten FC St. Pauli hoffentlich "nichts abfärben" auf seine DFB-Elf, wenn diese in der Hansestadt gastiert. Doch nun der Hackentrick, alles wieder gut.

Es hat dann auch nichts abgefärbt, die Stimmung war trefflich, die Arena ausverkauft bis auf wenige freie Plätze im Block des Gegners. Das Ergebnis stimmte auch: Im zweiten Spiel der Qualifikationsrunde zur WM 2018 in Russland besiegte die Nationalelf den überforderten Gegner Tschechien mit 3:0 (1:0). Thomas Müller (13., 66.) und Toni Kroos (49.) erzielten die Tore, womit die DFB-Elf nach dem Auftaktsieg gegen Norwegen mit der maximalen Punktausbeute und 6:0 Toren an der Spitze der Tabelle der Qualifikationsgruppe steht. Am Dienstag in Hannover soll diese ohnehin gute Zwischenbilanz gegen Nordirland noch ausgebaut werden.

Löw beobachtet, wie sein Team unermüdlich auf Tore drängt

Zwei personelle Rätsel hatte Löw vor Anpfiff zu lösen, wobei beide im Grunde höchstens Rätselchen waren. So setzte Löw auch gegen die Tschechen auf sein EM-erprobtes Mittelfeldduo Kroos/Khedira, was im Umkehrschluss bedeutete, dass Rückkehrer Ilkay Gündogan zunächst nur auf der Bank saß, obwohl dieser bei seinem Klub Manchester City gerade einen steilen Aufstieg zum neuen Lieblingsspieler unter Coach Pep Guardiola hinlegt. Im Sturm wiederum fiel Löws Wahl auf Mario Götze als einzige Spitze, da Mario Gomez verletzungsbedingt ausfällt und Löw in solchen Fällen eigentlich immer auf Götze setzt.

Flankiert von Julian Draxler, links, sowie Müller auf der rechten Seite wirbelte der Dortmunder vom Anpfiff weg los. Die Tschechen guckten bloß zu, wie Götze den Ball so passgenau auf den Fuß von Müller spielte, dass dieser ihn vor lauter Verblüffung nicht mehr zu kontrollieren wusste (12.). Nur einen Angriff später ließ Götze den Querpass von Mesut Özil klug durchlaufen, vorbei an allen Tschechen, direkt zu Müller, der es besser machte und trocken zur Führung einnetzte (13.). Die Fans aus der Stadt der versammelten Tabellenletzten jubelten dermaßen laut, als hätten sie wirklich lange keinen Grund zum Freuen gehabt.

Löw konnte von der Seitenlinie beobachten, wie sein Team unermüdlich weiter auf Tore drängte. Nur fallen wollten diese zunächst nicht. Und so passte die Analyse, die Löw vor wenigen Tagen über die EM in Frankreich angestellt hatte - in Kurzform: super gespielt, aber zu wenige Tore geschossen - auch auf diese Partie in der ersten Halbzeit. Ja, die deutsche Elf spielte super, erwirtschafte aber deutlich zu wenig Ertrag. Götze hätte erhöhen können, nach einem 50-Meter-Pass von Boateng, ebenso der erneut starke Draxler, der kurz darauf knapp am Pfosten vorbeizielte (23.). Müller versuchte es ebenfalls, seinen Schuss parierte Tschechen-Keeper Vaclik in höchster Not (25.). Schließlich lief Götze allein auf Vaclik zu, überlupfte ihn - doch auch dieser Ball trudelte am Tor vorbei (31.).

Löw lobt die Hamburger: "Tolle Stimmung"

Ziemlich bald nach dem Anpfiff der zweiten Halbzeit trat dann Kroos auf den Plan, und es wirkte, als hätte der Chef des deutschen Spiels einfach keine Lust darauf, nach der Partie die immerselben Fragen nach der verbesserungswürdigen Chancenauswertung beantworten zu müssen. Also ließ es sich am Sechzehner von Joshua Kimmich den Ball servieren und jagte ihn sehr cheffig mit einem Flachschuss unten rechts ins Netz (49.). Da war die Partie endgültig in die richtigen Bahnen gerückt.

Eine Viertelstunde später erzielte Müller das 3:0 (66.), auf Flankenpass von Jonas Hector. Der eingewechselte Benedikt Höwedes hätte noch erhöhen könnte, scheiterte aber zweimal knapp. Bei der Laola, die durch das Stadion wogte, machten selbst die tschechischen Anhänger mit. Den Hamburger Fans, ob sie nun zum HSV oder St. Pauli halten, wäre es sicher recht, wenn umgekehrt etwas auf ihre beiden Tabellenletzten "abfärbt" - oder Löws Elf zumindest ein paar Gramm Offensivesprit bei der Abreise in der Hansestadt vergisst. Ein Lob für die Hamburger Fans hatte Löw schon mal parat: "Es war eine tolle Stimmung, ein tolles Publikum."

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