WM-Qualifikation:Frankreich im Glück

Ein klares Handspiel von Thierry Henry hat Frankreich die WM-Teilnahme gerettet. Russland scheitert an Slowenien. Portugal, Algerien und Griechenland mit Otto Rehhagel sind qualifiziert.

Vize-Weltmeister Frankreich hat sich zur Fußball-WM 2010 in Südafrika gezittert. Erst in der Verlängerung rettete Williams Gallas (103.) mit einem heftig umstrittenen Tor der Equipe Tricolore das 1:1 (0:1, 0:1) gegen aufopferungsvoll kämpfende Iren und damit Trainer Raymond Domenech den Job.

WM-Qualifikation: William Gallas (rechts) erzielte in der Verlängerung das 1:1 für Frankreich gegen Irland. Vorausgegangen war ein klares Handspiel von Thierry Henry. Die Franzosen sind damit für die WM 2010 qualifiziert.

William Gallas (rechts) erzielte in der Verlängerung das 1:1 für Frankreich gegen Irland. Vorausgegangen war ein klares Handspiel von Thierry Henry. Die Franzosen sind damit für die WM 2010 qualifiziert.

(Foto: Foto: AFP)

Vor dem Ausgleich hatte Kapitän Thierry Henry den Ball klar mit der Hand gespielt. Schiedsrichter Martin Hansson aus Schweden erkannte den Treffer aber nach langer Beratung mit seinen Assistenten dennoch an.

Damit blieb den Franzosen die Schmach erspart, sich die WM-Endrunde wie zuletzt 1994 im Fernsehen ansehen zu müssen. Zuvor hatten die Iren den hohen Favoriten an den Rand einer nationalen Katastrophe gebracht. Kapitän Robbie Keane glich mit seinem Treffer in der 33. Minute das 0:1 aus dem Hinspiel aus und führte sein Team damit in die Verlängerung.

Die Gäste waren nach der Heimniederlage mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch ins Spiel gegangen, zumal Frankreichs Mittelfeldspieler Lassana Diarra die Iren unmittelbar nach der ersten Partie beschimpft und die Provokationen auch in den Tagen danach noch fortgesetzt hatte.

Während die Franzosen in der hart und aggressiv geführten Partie zunächst überhaupt nicht ihren Rhythmus fanden, übernahmen die "Boys in Green" das Kommando. In der 24. Minute klärte Frankreichs Torhüter Hugo Lloris noch in letzter Sekunde vor Keane, drei Minuten später kam Kevin Doyle völlig frei zum Kopfball, verfehlte aber knapp das Tor.

In der 33. Minute war Lloris dann aber machtlos, als Tottenham-Angreifer Keane nach einer klasse Vorarbeit von Damien Duff zum Entsetzen der einheimischen Fans das 0:1 erzielte. Rund 15.000 Iren waren dagegen im mit 85.000 Zuschauern voll besetzten Stade de France völlig aus dem Häuschen.

"Wir haben die erste Halbzeit verschlafen", sagte Domenech unmittelbar vor Beginn der zweiten Halbzeit, verzichtete aber zunächst noch auf weitere Wechsel, nachdem schon nach neun Minuten Sebastien Squill den mit Nasenbeinbruch ausgeschiedenen Julien Escude ersetzt hatte.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit fanden die Franzosen vor den Augen ihres einstigen Superstars Zinedine Zidane und Staatspräsident Nicolas Sarkozy immer noch nicht zur erhofften Gefährlichkeit. Ein harmloser Weitschuss von Chelseas Stürmerstar Nicolas Anelka in der 54. Minute hatte fast schon Symbolcharakter, in der 62. Minute scheiterte Barcelonas Angreifer Henry in aussichtsreicher Position.

Die Iren drückten dagegen weiter aufs Tempo. In der 61. Minute vergab Damien Duff aus acht Metern, in der 73. Minute ließ sich Keane noch in letzter Sekunde von Lloris abdrängen und verpasste die mögliche Entscheidung. Bis zum Ende der regulären Spielzeit lieferten sich beide Teams dann noch einen offenen Schlagabtausch.

Auf der nächsten Seite: Russland scheitert an Slowenien, Portugal schafft die WM-Qualifikation auch ohne Cristiano Ronaldo.

Russland scheidet aus

Außenseiter Slowenien hat die WM-Serie von Russlands Star-Trainer Guus Hiddink gestoppt. Durch ein Tor des Bochumer Bundesliga-Stürmers Zlatko Dedic besiegten die Slowenen in Maribor den EM-Halbfinalisten Russland 1:0 (1:0) und buchten damit das Ticket zur Fußball-WM 2010 in Südafrika. Während Sloweniens Fans die zweite Endrunden-Teilnahme nach 2002 frenetisch bejubelten, findet erstmals seit 1994 wieder ein WM-Turnier ohne Hiddink statt.

WM-Qualifikation: Der Kölner Bundesliga-Profi Milivoje Novakovic (rechts) fährt mit Slowenien zur WM in Südafrika. In der Relegation gelang den Slowenen überraschend ein Sieg gegen Russland.

Der Kölner Bundesliga-Profi Milivoje Novakovic (rechts) fährt mit Slowenien zur WM in Südafrika. In der Relegation gelang den Slowenen überraschend ein Sieg gegen Russland.

(Foto: Foto: Reuters)

Dedic, der zu Saisonbeginn nach Bochum gekommen war, verdarb mit seinem Tor in der 44. Minute dem Niederländer die vierte WM-Teilnahme in Folge - mit dem vierten verschiedenen Land.

Das Hinspiel am Samstag in Moskau hatte die Sbornaja trotz drückender Überlegenheit durch zwei Tore von Dinijar Biljaletdinow lediglich 2:1 gewonnen, der Slowene Nejc Pecnik hatte drei Minuten vor Schluss die Slowenen im Rennen gehalten. In der Gruppenphase waren die Russen an Deutschland gescheitert. In Dortmund hatte es eine 1:2-Niederlage gegeben, das entscheidende Rückspiel in Moskau verloren die Russen 0:1. Slowenien war in seiner Gruppe hinter der Slowakei Zweiter geworden.

Hiddinks Mythos bröckelt

Den besseren Start in die Partie erwischten die Gastgeber. Der Kölner Bundesliga-Profi Milivoje Novakovic, der wie sein Klubkollege Miso Brecko in der Startformation stand, scheiterte in der sechsten Minute an Russlands Torhüter Igor Akinfejew. Das erste Ausrufezeichen der Gäste setzte Roman Pawljutschenko in der 16. Minute, verfehlte aber das Tor um einen halben Meter. Danach wurden die Russen zwar stärker, das Tor machten aber die Gastgeber. Dedic schaltete nach einer Flanke von Valter Birsa am schnellsten und spitzelte den Ball zum 1:0 ins Netz (44.).

Hiddink, der ein offensives Spiel angekündigt hatte, war mit der Leistung seines Teams in den ersten 45. Minuten nicht zufrieden und wechselte in der Pause gleich zweimal. Alexander Kerschakow und Sergej Semak kamen für den enttäuschenden Pawljutschenko und Jungstar Renat Janbajew.

Kerschakow erwies seinem Team allerdings einen Bärendienst. In der 66. Minute sah er wegen einer harten Attacke gegen Sloweniens Torhüter Samir Handanovic von Schiedsrichter Terje Hauge aus Norwegen die Rote Karte. In den letzten 13 Minuten versuchte Hiddink dann noch, mit dem Stuttgarter Stürmer Pawel Progrebnjak doch noch den Ausgleich zu erzwingen. Erschwerend kam aber hinzu, dass Juri Schirkow in der Schlussminute noch die Gelb-Rote Karte sah.

Portugal siegt ohne Ronaldo

Ohne den verletzten Superstar Cristiano Ronaldo hat sich Portugal im Hexenkessel von Zenica die fünfte WM-Teilnahme erkämpft. Der WM-Vierte von 2006 machte durch ein 1:0 (0:0) im Play-off-Rückspiel in Bosnien-Herzegowina die Qualifikation für Südafrika perfekt. Das Hinspiel vier Tage zuvor hatte die Seleccao ebenfalls 1:0 gewonnen.

Damit ist das Szenario einer WM ohne den Weltfußballer abgewendet. Wie schon im Hinspiel fiel der Ballzauberer von Real Madrid wegen einer hartnäckigen Knöchelverletzung aus. Stattdessen ließ Raul Meireles die Portugiesen mit seinem Treffer jubeln (56.).

Portugal ist damit nach 1966, 1986, 2002 und 2006 zum fünften Mal bei einer WM dabei. Für Bosnien-Herzegowina, das erst seit 1992 eigenständig ist, ist der Traum von der ersten WM-Teilnahme geplatzt.

Vier Bundesligaspieler im Einsatz

Dabei mussten die Gastgeber den kurzfristigen Ausfall des am Knie verletzten Wolfsburger Spielmachers Zvjezdan Misimovic verkraften. Somit kamen auf Seiten der Blazevic-Elf vier Bundesligaspieler zum Einsatz: Misimovics Klubkollege Edin Dzeko, die beiden Hoffenheimer Sejad Salihovic und Vedad Ibisevic sowie Zlatan Bajramovic von Eintracht Frankfurt.

Bei widrigen Platzverhältnissen kam es zum erwarteten Kampfspiel. Dabei gelang es den Portugiesen diesmal besser, das Geschehen vom eigenen Tor fernzuhalten. Die Bosnier waren zwar spielbestimmend, kamen aber nicht zu zwingenden Torchancen. Aber auch bei den Gäste lief im Spiel nach vorn nicht viel zusammen.

Im zweiten Durchgang setzte Bosnien ganz auf Offensive, was sich rächen sollte. Nach Zuspiel von Nani setzte Meireles den Ball aus 16 Metern ins linke Eck. Als Salihovic in der 76. Minute auch noch die Gelb-Rote Karte sah, kochte die Stimmung über. Gegenstände flogen auf das Spielfeld, dabei wurde auch der Schiedsrichter-Assistent getroffen.

Auf der nächsten Seite: Griechenland schlägt die Ukraine mit 1:0. Trainer Otto Rehhagel wird gefeiert und wird seinen Job behalten dürfen.

König Otto fährt zur WM

Griechenland, WM-Qualifikation; Reuters

Dimitrios Salpingidis schoss den 1:0-Siegtreffer für Griechenland gegen die Ukraine. Das Team von Otto Rehhagel löste das Ticket zur WM 2010 in Südafrika.

(Foto: Foto: Reuters)

Otto Rehhagel hat in seinem 100. Spiel als griechischer Nationaltrainer seine erste Teilnahme an einer Fußball-Weltmeisterschaft perfekt gemacht. Dimitrios Salpingidis bescherte dem Team von "König Otto" im Play-off-Rückspiel in der Ukraine mit seinem Siegtreffer in der 31. Minute den 1:0 (1:0)-Erfolg in Donezk.

Nach dem 0:0 im Hinspiel bedeutet der Sieg für den Europameister von 2004 das Ticket zur Endrunde in Südafrika (11. Juni bis 11. Juli). Für die Hellenen ist es nach 1994 die zweite Teilnahme an einer Endrunde.

Die Ukraine dagegen muss auf ihre zweite WM verzichten und kann sich nun bereits auf die gemeinsam mit Polen ausgetragene EM 2012 konzentrieren. Vor der WM 2002 in Japan und Südkorea hatte die Ukraine in den Play-offs gegen Deutschland (1:1 und 1:4) den Kürzeren gezogen. 2006 in Deutschland scheiterten sie bei ihrer bislang einzigen Endrunden-Teilnahme im Viertelfinale (0:3) am späteren Weltmeister Italien.

Charisteas von Beginn an

Obwohl die Griechen nach dem 0:0 im Hinspiel unter Zugzwang waren, hatte Rehhagel wie erwartet auf seine bewährte Maurer-Taktik gesetzt und eine Fünfer-Abwehrreihe gesetzt. Im Sturm vertraute der 71-Jährige bei seinem Jubiläum auf den Nürnberger Angelos Charisteas, der beim sensationellen EM-Triumph 2004 den Siegtreffer erzielt hatte, als einzige Spitze.

Der Leverkusener Theofanis Gekas, der mit sechs Toren in den letzten drei Gruppenspielen sein Team erst in die Play-offs geschossen hatte, musste dagegen wie auch der junge Schalker Vasileios Pliatsikas, der in der 29. Minute eingewechselt wurde, zunächst auf der Bank Platz nehmen. Bei den Ukrainern stand Bayern Münchens Mittelfeldspieler Anatoli Timoschtschuk als einziger Legionär in der Startformation. Alle anderen Spieler kamen von UEFA-Cup-Sieger Schachtjor Donezk oder Dynamo Kiew.

Gekas verstolpert

Die Gastgeber erwischten den besseren Start, doch Andrej Schewtschenko setzte nach wenigen Minuten nach einer guten Parade des griechischen Torhüters Alexandros Tzvorvas den Nachschuss neben das Tor. Tzvorvas war auch in der 18. Minute bei einem Freistoß von Alexander Aliew zur Stelle, im Gegenzug verstolperte Salpingidis zwölf Meter vor dem Tor die erste Chance der Griechen. In der 31. Minute machte der Mittelfeldspieler von Panathinaikos Athen es dann aber besser, als er nach einem Traumpass von Giorgios Samaras vollendete.

Nach dem Seitenwechsel verstärkten die Ukrainer den Druck. Doch bei den wenigen Chancen war Tzvorvas jeweils zur Stelle. Ab der 63. Minute schickte Rehhagel dann auch Gekas für Samaras aufs Feld, der in der regulären Qualifikationsrunde mit insgesamt zehn Toren der treffsicherste Spieler war. Er versuchte in der Schlussphase noch, für ein wenig Entlastung zu sorgen. In der 81. Minute verstolperte er seine beste Chance. Nach dem Schlusspfiff feierte aber auch er das Erreichen der WM-Endrunde.

Auf der nächsten Seite: Ein Bochumer Profi schießt Algerien zur WM. Das als "Fußballkrieg" angekündigte Entscheidungsspiel im Sudan bleibt friedlich.

Algerien jubelt dank Yahia

Algerien, WM-Qualifikation, Yahia, Vfl Bochum; Reuters

Kommt in meine Arme: Anthar Yahia empfängt die Gratulanten nach seinem 1:0-Siegtreffer für Algerien im Entscheidungsspiel gegen Ägypten.

(Foto: Foto: Reuters)

Algerien hat dank Anthar Yahia das letzte afrikanische Ticket für die Fußball-WM 2010 gelöst. Der Abwehrspieler des VfL Bochum erzielte beim 1:0 (0:0) gegen Ägypten im Entscheidungsspiel um die WM-Qualfikation in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum den Siegtreffer der Algerier und bescherte seinem Land die dritte WM-Teilnahme nach 1982 und 1986.

Yahia traf in dem brisanten Duell, das nach den Vorfällen aus dem Gruppenspiel zwischen beiden Teams am vergangenen Samstag von 15.000 Polizisten gesichert wurde, in der 40. Minute mit einem fulminanten Schuss aus spitzem Winkel unter die Latte. Über Krawalle wurde zunächst nichts bekannt, im Stadion hatten die Sicherheitskräfte die Lage unter Kontrolle.

Vier Bundesliga-Legionäre im Einsatz

Vor 35.000 Zuschauern lieferten sich beide Teams ein hitziges Duell. Schiedsrichter Eddy Maillet von den Seychellen behielt aber bei den zahlreichen, teils überhart geführten Zweikämpfen die Übersicht. Ägypten hatte zunächst Vorteile, bei der größten Chance des Teams von Trainer Hassan Shehata durch Ahmed El Muhammadi (34.) war Algeriens Torwart Faouzi Chaouchi auf dem Posten.

Neben Torschütze Yahia spielte auch Karim Ziani vom deutschen Meister VfL Wolfsburg bei Algerien von Beginn an. Karim Matmour (Borussia Mönchengladbach) kam erst in der 58. Minute ins Spiel. Auf ägyptischer Seite wurde Mohammed Zidan mit Anpfiff der zweiten Halbzeit eingewechselt, und mit dem Stürmer von Borussia Dortmund drängte Ägypten auf den Ausgleich - allerdings vergeblich.

Polizei trennt die Fangruppen

Das Entscheidungsspiel war nötig geworden, nachdem beide Teams durch den 2:0-Sieg Ägyptens am vergangenen Samstag in Kairo in der Abschlusstabelle der Qualifikationsgruppe dieselbe Punktzahl und Tordifferenz aufgewiesen hatten. Nach dem zweiten Tor der Ägypter in der 95. Minute war die Situation eskaliert. Die Scheiben des algerischen Mannschaftsbusses wurden mit Steinen eingeworfen, in Algerien überfielen Jugendliche als Racheakt von Ägyptern bewohnte Häuser.

"Ich habe wichtige Spiele absolviert, manchmal war die Stimmung bei Auswärtsspielen aggressiv. Aber das Gefühl, dass man uns töten will, habe ich noch nie vorher gehabt", sagte Yahia.

Die FIFA appellierte in einer offiziellen Verlautbarung an die Fairness aller Beteiligten. Dennoch sagte Matmour vor dem Spiel: "Das ist kein Fußball, das ist Krieg." Nur 35.000 Fans durften das Spiel in der 41.000 Zuschauer fassenden Al-Merreikh-Arena verfolgen, die Polizei trennte beide Fangruppen schon Stunden vor dem Spiel.

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