WM-Qualifikation:Der liebevoll stichelnde Thomas Müller

Noch immer hängt Thomas Müller seine torlose EM nach. Er selbst findet die Diskussion darüber lustig und nicht lustig zugleich und erklärt, warum er jetzt Lukas Podolskis Schienbeinschoner trägt.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Auch an Thomas Müllers rhetorischer Form hätte man zweifeln können, wenn er das Ende seiner Torlosigkeit nicht mit kabarettistischen Zügen kommentiert hätte. "Ich war vor dem Spiel in einer tragischen Situation", sagte er, aber er sei "froh, dass ich mich aus dem Sumpf befreien konnte." Das Publikum lachte.

Dennoch blieben: Fragen über Fragen. Warum der erfolgreichste Torschütze der vergangenen beiden Weltmeisterschaften bei der EM in Frankreich leer ausging, ebenso wie zuletzt beim FC Bayern? Und warum er nun mit zwei Doppelpacks in Norwegen und am Samstag beim 3:0 gegen Tschechien plötzlich zum Torjäger aufgestiegen ist? Vielleicht, "weil das Wort WM auf der Verpackung" stehe, sagte Müller trocken. "Daraus kann man doch schöne Geschichten machen. Das wollen wir genießen" - vorbildlich, wie sich ein Fußballprofi da in die Journalisten hineindachte.

Joachim Löw dagegen fand es eigentlich "überflüssig", Überlegungen über solche Fragen anzustellen. Es gäbe halt solche Phasen im Leben eines Stürmers. Doch an anderer Stelle fand er noch eine Erklärung, weshalb der "Mann des Spiels" (so seine Worte, als Müller bei der Pressekonferenz auftauchte) doch wieder an der richtigen Stelle stand: "Die Läufe auf den ersten Pfosten musst du einfach gehen und schauen, dass du vor den Verteidiger kommst."

Genau so war es bei Müllers zweitem Treffer in der 65. Minute, als er eine Flanke von Jonas Hector vor seinem Gegenspieler erreichte. Das 1:0 in der 13. Minute hatte er dagegen Mesut Özil zu verdanken, der einen Ball geschickt durchließ. Irgendwie kam Müller einem vor wie ein ausgehungerter Weidmann, dem länger kein Wildschwein mehr vor die Flinte gelaufen war.

Schienbeinschoner von Podolski

"Das Fußballgeschäft ist, wie es ist. Ich versuche, mich so wenig wie möglich von positiven wie von den negativen Momenten beeinflussen zu lassen", sagte der Bayern-Profi. Er höre immer auf seine Trainer und auf seine innere Stimme. "Und wenn ein guter Tipp von einem Journalisten dabei ist, dann höre ich da auch drauf", stichelte er einigermaßen liebevoll.

Ja, natürlich weiß er, wie das Geschäft läuft. Er weiß, wenn er bei der EM in Frankreich gegen Nordirland nicht zweimal das Gestänge getroffen hätte anstatt ins Tor, wären das "ganz andere Diskussionen gewesen" als die vom Torlos-Müller, der angeblich seine Form verloren hat. Solche Geschichten seien "irgendwie auch lustig - wobei eigentlich ist es auch nicht lustig".

Eine andere Geschichte hat ihm aber erkennbar mehr Spaß gemacht. DFB-Zeugwart Thomas Mai hatte ihm nämlich vor der Partie gegen Tschechien silberfarbene Schienbeinschoner mit dem schwarzen Schriftzug "Poldi 10" bereitgelegt. Bei der EM hatte Müller noch einen anderen Schutz getragen. Also habe Mai ihm gesagt, er müsse wieder die von Podolski nehmen, "dann geht wieder was".

So war es dann auch. Mit seinen beiden Treffern überholte er Ulf Kirsten (34 Treffer) in der Länderspiel-Torjägerliste und greift nun mit 36 Toren die Top Ten an. Der nächste Kandidat vor ihm ist Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff (37). Den sollte er spätestens beim Duell mit San Marino am 11. November einholen. Vielleicht aber auch schon an diesem Dienstag: Dann tritt er gegen Nordirland an. Und weil auch da "WM-Qualifikation" draufsteht, wird er womöglich nicht Pfosten oder Latte treffen.

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