WM-Qualifikation:Der einsame Kampf des Mats Hummels

WM-Qualifikation: Mats Hummels (re.): Mit wichtigem Tor gegen Tschechien - und dennoch unzufrieden

Mats Hummels (re.): Mit wichtigem Tor gegen Tschechien - und dennoch unzufrieden

(Foto: AFP)
  • Deutschland gewinnt 2:1 gegen Tschechien und steht kurz vor der Qualifikation zur Fußball-WM im nächsten Jahr.
  • Zufrieden ist die Mannschaft mit dem Spiel allerdings nicht, es war nicht zu übersehen, dass Löws Elf im Zentrum eine Autorität fehlte.
  • Tabellen und Ergebnisse finden Sie hier.

Von Christof Kneer, Prag

Dies werde der härteste Konkurrenzkampf seiner Amtszeit, hat Joachim Löw in diesen Tagen gesagt, und das ist schon ein historischer Satz, wenn man bedenkt, dass Löw die Geschäfte kurz nach dem Wunder von Bern übernommen haben muss. Kaum war der Satz raus, setzte das Getuschel in der Branche ein: Was meint er? Müssen nun etwa auch die alten Helden zittern, Khedira oder Boateng oder Müller oder Özil? Die beiden Ersteren entzogen sich dieser Debatte elegant durch eine kleinere Verletzung und einen größeren Trainingsrückstand, aber die anderen beiden durften dann doch beruhigt sein: Natürlich spielten Thomas Müller und Mesut Özil beim ersten Pflichtspiel der deutschen Nationalmannschaft in der Saison 2017/2018.

Dennoch war Löws Aufstellung beim WM-Qualispiel in Prag ein Statement: Zwar sieht der Mann im Moment verständlicherweise keinen Grund, seine alten Helden anzugreifen, aber dennoch hielt Löws erste Elf seiner Konkurrenzkampf-These stand. Auf der Bank saßen verdiente Männer wie Julian Draxler oder Mario Gomez, von Anfang an vertraute Löw dagegen auf die Confed-Cup-Entdeckungen Lars Stindl und Timo Werner. Löws Elf sah aus wie ein Mix aus alten und neuen Zeiten, und sie spielte dann auch wie ein Mix - allerdings wie einer, den Löw so eher nicht geplant hatte.

Nach sehr gutem Beginn verlor eine allzu optimistisch aufgestellte Elf immer mehr ihre Linie und kam nur dank eines späten Kopfballtores von Mats Hummels zu einem 2:1-Sieg. Mit einem Sieg gegen Norwegen am Montag kann die DFB-Elf die Qualifikation nun perfekt machen. "Mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben, können wir definitiv nicht so sehr zufrieden sein", sagte Löw. "Wir haben uns das Leben selber schwer gemacht mit unseren Aktionen."

Hummels war manchmal eine Einerkette

Dabei dauerte es nicht mal fünf Minuten, bis sich die Zeiten erst mal aufs Harmonischste verbanden: Hummels (alte Zeit) knöpfte dem Bremer Tschechen Gebre Selassie den Ball ab und spielte direkt auf Özil (alte Zeit), dessen hübsche Vorlage Timo Werner (neue Zeit) zum 1:0 für die Gäste verwandelte.

Wer nun aufs Feld sah, hätte meinen können, Deutschland spiele mal wieder gegen San Marino oder Gibraltar: Löw hatte sein Team so angeordnet, wie er das gerne gegen die eher niedlichen Gegner tut. Zwar hatte er offiziell eine Dreierabwehr (Kimmich-Hummels-Ginter) formiert und ihr zwei Außen an die Seite komponiert (Brandt, Hector), aber allein die Nominierung des ausschließlichen Offensivspielers Brandt zeigte, welcher Idee diese sogenannte Abwehrkette entsprang: der Idee, dass eine Abwehr in so einem Spiel scho au überflüssig ist, wie Löw vermutlich sagen würde. Normalerweise schalten sich bei dieser Versuchsanordnung die Außenverteidiger gerne mal mit nach vorne ein, wie das in der Fachsprache heißt; an diesem Abend spielten die Außenverteidiger aber sowieso Außenstürmer, und die Innenverteidiger Ginter und Kimmich schalteten sich ständig mit ein. Mats Hummels war manchmal eine Einerkette.

"Defensiv war es nicht so optimal, wie wir verteidigt haben"

Sehr offensiv, sehr mutig und hoch flexibel: So begann also diese deutsche Elf in der EdenArena in Prag, aber diese beeindruckende Kombination hielt sie nicht sehr lange durch. Lag es daran, dass ein derart anspruchsvoller Spielplan von Spielern ausgeführt wurde, die am Beginn einer Saison alle noch ein bisschen ihre Sicherheit suchen? Lag es daran, dass halt doch ein paar Symmetriestifter wie Khedira oder der auf der Bank sitzende Sebastian Rudy fehlten oder eine Respektsperson wie der ebenfalls auf der Bank sitzende Leon Goretzka? Lag es daran, dass es sich beim Gegner an diesem Abend beim zweiten Hinsehen eben doch nicht um Gibraltar, sondern nachweislich um Tschechien handelte?

Vermutlich war es eine Mischung aus allem - zwischen der 15. und 20. Minute kamen die Tschechen jedenfalls zu drei, vier guten Tormöglichkeiten, und womöglich wunderten sie sich selbst, wie unfallfrei sie da durchs deutsche Mittelfeld kamen. Es war dann doch nicht zu übersehen, dass Löws Elf im Zentrum eine Autorität fehlte: Hummels kämpfte einen einsamen Kampf, vor ihm spielte ein Dreiermittelfeld bestehend aus Kroos, Müller und Özil, deren defensives Gewissen eher so mittel ausgeprägt ist. "Defensiv war es nicht so optimal, wie wir verteidigt haben", sagte Löw. Mats Hummels wollte zudem so viele Ballverluste gesehen haben wie bei keiner deutschen Nationalelf in den "letzten zehn Jahren".

Löw sah sich zu einer Reaktion gezwungen, die er nicht liebt

So blieb die DFB-Elf für den Rest der ersten Hälfte natürlich die technisch bessere Mannschaft, aber durch die zahlreichen Positionswechsel fand sie nie zu einer klaren Struktur. Auch in der zweiten Hälfte änderte sich das Bild zunächst kaum: Zwar hatten die Deutschen das, was jede Mannschaft hat, bei der Toni Kroos mitspielt, nämlich mehr Ballbesitz; aber nach einer Stunde lagen die Tschechen in der Torschussstatistik vorn (12:8). Löw sah sich zu einer Reaktion gezwungen, die er nicht liebt: Er wechselte defensiv, brachte Abwehrspieler Antonio Rüdiger für den offensiven Brandt. Die Deutschen brachten das Spiel zunächst wieder einigermaßen unter Kontrolle, aber zu Torchancen kamen sie weiterhin kaum.

Dafür die Tschechen, die weiterhin auf zu wenig Widerstand im deutschen Mittelfeld trafen: Daridas herrliches Rückraumtor zum 1:1 (78.) war nur der letzte Beleg dafür. Und nun wechselte Löw nochmal defensiv, brachte Emre Can für Werner. Er wollte den Flow der Tschechen brechen und eine Niederlage vermeiden. Am Ende schaffte er sogar den Sieg - durch ein Kopfballtor jenes Mannes, der sich lange am meisten gewehrt hatte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: