Pöbelnde Fans beim Länderspiel:"Davon distanzieren wir uns komplett"

Tschechien - Deutschland

"Das war eine Katastrophe": Mats Hummels (Mitte) und seine Mitspieler distanzieren sich von den Ausrufen einiger Fans.

(Foto: dpa)

Deutsche Fußballfans stören den 2:1-Sieg der DFB-Elf in Tschechien empfindlich. Noch auf dem Platz beschließt die Mannschaft, die eigenen Anhänger mit Verachtung zu strafen.

Von Carsten Scheele, Prag

Als Mats Hummels Richtung Mannschaftsbus stapfte, wirkte er wie einer, der nur angepiekst werden musste. Und als die Reporterfrage kam, auf die er gewartet hatte, brach es aus dem Abwehrchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft heraus. "Das war eine Katastrophe", schimpfte Hummels im Keller der Eden Arena, "ganz schlimm." Er meinte nicht das manchmal unflüssige Spiel der Nationalelf am Freitagabend in Prag, auch nicht das Ergebnis, das mit 2:1 (1:0) trotzdem positiv ausfiel. Hummels meinte, was aus dem deutschen Fanblock kam: die Gesänge, die Parolen, die ätzenden Rufe.

Hummels bekleidet in der Nationalelf ein gehobenes Amt, er ist seit vielen Jahren dabei, er ist Weltmeister, sozusagen einer der Klassensprecher der deutschen Mannschaft. Jeder hatte gedacht, dass die schlimmsten Probleme des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) mit der eigenen Anhängerschaft der Vergangenheit angehören. Doch Hummels musste während der 90 Minuten, davor und danach Dinge hören, die gar nicht in sein Weltbild passten.

Schon die Schweigeminute vor dem Spiel für zwei verstorbene tschechische Fußballfunktionäre sowie beide Nationalhymnen wurde durch Pfiffe und Rufe gestört, was viele in der deutschen Delegation peinlich berührte. Im Spiel ging es weiter, sogar mit nationalsozialistischen Parolen der eindeutigen Sorte, von denen man dachte, sie seien 2017 wirklich gestrig und an Geschmacklosigkeit nicht mehr zu überbieten. Zumal in einem Land und in einer Stadt, die im Zweiten Weltkrieg sehr unter den Nazis zu leiden hatte.

Bei Heimspielen in Deutschland dürfen diese Fans längst nicht mehr ins Stadion

"Davon distanzieren wir uns komplett", sagte Hummels in scharfem Ton, er wollte und konnte nicht darüber hinwegsehen. Die ätzenden Rufe kamen zwar teilweise aus dem offiziellen DFB-Fanblock, also von Leuten, die über den Verband ihre Karten bestellt haben, vor allem aber von 100 bis 200 Krakeelern direkt daneben, die sich vermutlich auf dem Schwarzmarkt versorgt haben; sogenannten Fans der "Kategorie C", die bei Heimspielen längst nicht mehr ins Stadion dürfen. Hummels stellte klar: "Das sind Krawallmacher, Hooligans, die nichts mit Fußball zu tun haben."

Auch die Mitspieler bestärkten Hummels, etwa Julian Brandt, der sich eindeutig positionierte: "Wenn Gesänge mit nationalsozialistischem Hintergrund kommen, gibt es keinen Grund, das noch zu unterstützen und in die Kurve zu gehen." In der Tat beschloss die Mannschaft noch auf dem Platz, den Gang zu den eigenen Anhängern nach dem Spiel zu unterlassen, auch wenn sie damit den vernünftigen Teil der Zuschauer verprellte. Die Rufe seien "so weit daneben" gewesen, "dass es nicht mehr zur Diskussion stand, ob wir uns noch verabschieden", sagte Hummels. Er wirkte ernsthaft getroffen vom Ende dieser Dienstreise.

Die Geschehnisse auf den Tribünen überlagerten alle weiteren Erkenntnisse dieses Abends. Auch dass die DFB-Elf erst durch ein spätes Kopfballtor von Hummels (88. Minute) glücklich gegen wehrhafte Tschechen gewann und sich nun am Montagabend gegen Norwegen endgültig für die WM 2018 in Russland qualifizieren kann, geriet zur Nebensache, denn die DFB-Spieler bezogen eindeutig Position.

Allen voran Hummels, der bemerkte, dass es "diese Leute" in Prag offenbar leicht gehabt hätten, an Karten zu kommen: "In Deutschland haben sie es schwerer, was sehr gut ist." Das Funktionsteam des DFB reagierte indes zurückhaltender. Während Bundestrainer Joachim Löw die Vorgänge auf der Tribüne nicht bemerkt haben wollte (er war schon in der Kabine), mühte sich Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff, diplomatisch zu bleiben ("sind Einzelfälle"). DFB-Präsident Reinhard Grindel verurteilte am Samstagmorgen das Verhalten der betreffenden Zuschauer und lobte zugleich die Mannschaft für ihre Reaktion, nach dem Spiel nicht zur Tribüne zu gehen. Sie habe ein feines Gespür gezeigt und sich vom Verhalten eines Teils der deutschen Zuschauer distanziert, schrieb Grindel auf Facebook: "Das ist ein klares Signal, das die Mannschaft da ausgesendet hat".

Im ARD-Hörfunk sprach er von Hooligans und Rechtsextremisten, die gegen den Deutschen Fußball-Bund und unter anderem auch gegen Torschütze Timo Werner gepöbelt hatten. Allerdings habe es sich nur um eine ganz kleine Gruppe gehandelt, die zum Teil "auch durch einen Sturm ohne Karten" ins Stadion gelangt sei. Man wisse die Unterstützung der friedlichen Zuschauer, bei denen es auch Empörung gegeben habe, zu schätzen. "Aber wir werden niemals faschistische, rassistische, beleidigende oder homophobe Schlachtrufe dulden. Gemeinsam - als Mannschaft, Fans und DFB - müssen wir uns diesen Krawallmachern entgegenstellen", schrieb Grindel.

Schon in Stuttgart soll eine andere Stimmung herrschen, geprägt durch weniger Hass auf den Rängen, durch mehr Freude am Fußball und durch weniger Lust, diesen zu zerstören. Als Hummels ging, wirkte er noch geladen und aufgekratzt. Aber er hatte gesagt, was gesagt werden musste.

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