WM-Qualifikation: Afrika:Zwischen Chaos und Weltklasse

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In Afrikas WM-Qualifikation setzen sich erstmals die wirklich besten Mannschaften durch. Sie kommen überwiegend aus dem Westen des Kontinents.

Daniel Theweleit

Otto Pfister glaubt, der Weltfußball stehe erst am Anfang einer Entwicklung. "Schauen Sie doch auf die Leichtathletik, dort werden die meisten Disziplinen längst von Sportlern aus exotischen Ländern dominiert, die oft afrikanische Vorfahren haben", sagt der weitgereiste Trainer. Pfister spricht von "Talent", von "Dynamik" und "technischen Fähigkeiten".

Die Spieler der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) feiern die erfolgreiche WM-Qualifikation. (Foto: Foto: Reuters)

Fußballer mit afrikanischen Wurzeln verfügten einfach über günstigere körperliche Voraussetzungen, meint der 71-Jährige. In der Champions League, wo immer mehr Spitzenklubs die Schlüsselpositionen mit Afrikanern besetzen, sei diese Tendenz ebenso erkennbar wie an den jüngsten Ergebnissen aus der afrikanischen WM-Qualifikation. Besonders der Westen des Kontinents dominierte wie nie.

Topspieler als Machtfaktoren

Vier Nationen aus dieser Region - Nigeria, Kamerun, Ghana und die Elfenbeinküste - haben sich für das Weltturnier 2010 qualifiziert, während der einst so mächtige Norden nur durch den Sieger des Entscheidungsspiels zwischen Ägypten und Algerien (Mittwoch) vertreten sein wird. Viele Jahre profitierte Nordafrika von seinem größeren Wohlstand und professionelleren Sportsystemen, der Vorteil aber hat sich in einen Nachteil gewandelt.

Viele Spieler aus Ägypten und den Maghreb-Nationen verweilen lange bei ihren Heimatklubs, wo sie ein bequemes Leben führen können - wohingegen westafrikanische Talente immer früher in den Ausbildungsakademien europäischer Großklubs landen. Und inzwischen ist hierbei ein Stadium erreicht, in dem das in Europa erworbene Know-how in die afrikanischen Nationalteams zurücktransferiert wird.

Topspieler wie Didier Drogba (Chelsea/Elfenbeinküste), Samuel Eto'o (Inter Mailand/Kamerun) oder Michael Essien (Chelsea/Ghana) bringen sich ein und sind in der Heimat oft mächtiger als ihre Trainer. "Sie wollen in der Nationalmannschaft unter halbwegs professionellen Bedingungen arbeiten", weiß Pfister. Zumindest einige der oftmals völlig unorganisierten Verbände geben diesem Druck der besten Spieler nach. Kein afrikanisches Team fährt daher diesmal zur WM, nur weil Favoriten in der Qualifikation im Chaos versanken. Erstmals nehmen tatsächlich die afrikanischen Mannschaften mit den besten Spielern am Weltturnier teil.

Diese Einschätzung teilt auch Guy Demel. "Gute Fußballer gab es bei uns schon immer", sagt der ivorische Verteidiger des Hamburger SV, "aber ab einem bestimmten Niveau werden Kleinigkeiten immer wichtiger." Man brauche Physiotherapeuten, ein gutes Hotel, und eine vernünftige Trainingsanlage, solche Dinge haben sich zuletzt erheblich verbessert. Auf dieser Basis kann sich das phantastische fußballerische Potential entfalten.

Samuel Eto'o glaubt sogar, westafrikanische Teams seien mittlerweile in der Lage, den WM-Titel zu gewinnen: "Wir haben gelernt, dass Fußball mehr ist als die 90 Minuten auf dem Rasen", sagt der Stürmer, der in diesem Sommer vom FCBarcelona zu Inter Mailand wechselte. "Alles muss bis ins Detail stimmen, wenn man erfolgreich sein will. Wir haben das schmerzhaft lernen müssen, es hat früher großes Chaos in afrikanischen Teams gegeben. Damit ist es vorbei."

Das hört sich gut an und mag stimmen, wenn es um Dinge wie Logistik, Organisation und Betreuung geht. Doch Machtkämpfe in den Verbänden und unberechenbare Personalentscheidungen gehören weiterhin zum afrikanischen Fußball wie die Trommelrhythmen auf den Tribünen. So kündigte Pfister im Mai seinen Job als Trainer Kameruns, weil die Funktionäre hinter seinem Rücken die Assistenztrainer entlassen hatten. Problematisch bleibt außerdem der Afrika-Cup im Januar, der bisweilen große Turbulenzen auslöst. Spieler kehren nach dem Turnier ausgezehrt in die Klubs zurück, und nicht selten werden erfolgreiche Trainer entlassen, weil völlig überzogene Ziele verpasst wurden.

Demel hofft, dass der Elfenbeinküste ein solches Schicksal erspart bleibt, obwohl die Menschen in seiner Heimat nichts anderes erwarten als den Titel beim Afrika-Cup in Angola. "Ein Trainerwechsel fünf Monate vor der WM wäre wirklich schlecht", sagt er. Doch wenn alles ruhig bliebe, und die Mannschaft die richtige Haltung fände, könnte die Elfenbeinküste kommenden Sommer tatsächlich zur Weltklasse aufschließen.

Ivorer in Champions League

Auf Klubebene haben die ivorischen Spieler dies längst geschafft. Im Champions-League-Halbfinale der vorigen Saison standen in Yaya Touré (FC Barcelona), Didier Drogba, Salomon Kalou (beide FC Chelsea), Kolo Touré und Emanuel Eboué (damals beide FC Arsenal) fünf Spieler der Elfenbeinküste. Außerdem präsentieren sich Spieler wie Bakary Koné (Olympique Marseille), Ndri Romaric, Didier Zokora, Arouna Koné (alle FC Sevilla) oder Artur Boka (VfB Stuttgart) in Europas Königsklasse, kaum ein anderes Land der Welt ist derart massiv vertreten auf dieser höchsten Ebene des Klubfußballs. Zum Vergleich: Der einzige deutsche Spieler im Halbfinale 2009 war Michael Ballack.

© SZ vom 17.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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