WM-Quali: Irland - Frankreich:Traurig am Feiertag

Inbrünstig begehen die Iren die WM-Relegation - bis Nicolas Anelka die franzöischen Extrakönner mit dem 1:0-Siegtreffer erlöst. Gäste-Trainer Domenech zweifelt dennoch.

Thomas Hummel

"Leur chance, c'est lui" - Ihre Chance ist er, hatte die französische Sportzeitung L'Équipe getitelt vor diesen prekären zwei Partien gegen Irland. "Lui", das ist Nationaltrainer Raymond Domenech, und es verdeutliche, wie sehr die Franzosen ihrem obersten Fußballlehrer misstrauen.

WM-Quali: Irland - Frankreich: Enttäuschung in Irland: Stürmer Robbie Keane.

Enttäuschung in Irland: Stürmer Robbie Keane.

(Foto: Foto: AFP)

Es geht um die letzten Plätze bei der Fußball-WM in der Relegation der Gruppenzweiten in Europa. Und Frankreich kann angesichts seiner Fülle von Extrakönnern gar nicht glauben, dass seine Mannschaft diesen qualvollen Umweg gehen muss. Da kann doch nur der Trainer Schuld sein! Jetzt muss eine international und vor allem in Frankreich unbekannte Ansammlung mutiger Iren, die Domenech despektierlich "Englands B-Team" nannte, besiegt werden.

Ein Stadion, in Grün getaucht

Nach dem 1:0 in Dublin durch ein Tor von Chelsea-Stürmer Nicolas Anelka stehen die Aussichten gut, dass die Extrakönner mit ihrem ungeliebten Trainer im kommenden Sommer zur WM nach Südafrika reisen. Da muss Raymond Domenech im Rückspiel am Mittwoch im Pariser Stade de France schon eine ganze Menge falsch machen, damit die Iren die Wende schaffen können.

Würde allein die Stimmung im Land ein Fußballergebnis beeinflussen, hätte Irland dieses Hinspiel haushoch gewinnen müssen. Während die Franzosen ihrem Ärger über den seit Jahren unbeliebten Trainer Luft verschafften und eine Blamage fürchteten, titelte der irische Herald: "We all stand behind you" - wir stehen alle hinter euch, unseren Fußballern.

Der Croke Park war in Grün getaucht, bis auf die kleine Delegation französischer Fans hielten 74.000 Zuschauer im Stadion ein grünes Plakat mit der Aufschrift "Come on Ireland" hoch, als die Mannschaften auf das Spielfeld gingen. Es folgte inbrünstiger Gesang und ein Volkslied der Blaskapelle auf dem Rasen mit hämmerndem Klatschen - es war die beeindruckende Inszinierung eines irischen Nationalfeiertags.

Allein der FC Bayern fürchtet

Man durfte erwarten, dass sich die Gäste indes nicht einschüchtern lassen würden von der heißen Atmosphäre. Praktisch alle Großklubs sind in der Equipe tricolore repräsentiert. Domenech leistete sich, den 35 Millionen Euro teuren Karim Benzema von Real Madrid auf der Bank zu lassen und dafür Andre-Pierre Gignac aus Toulouse als einzigen Stürmer aufzustellen. Allein der FC Bayern München fehlte, weil Franck Ribéry wegen einer gereizten Patella-Sehne im Knie weiter ausfällt.

Auch ohne Ribéry spielten sich die Franzosen gekonnt den Ball zu, allerdings zumeist quer oder - unter dem Gejohle der Zuschauer - zurück. Denn sie trafen spätestens am gegnerischen Strafraum auf eine Mischung aus irischer Kampfeslust und italienischer Defensivkunst.

Auf der nächsten Seite: Die Iren finden Spaß am Vorstoß, Trapattonis Lippenbewegungen werden schneller - dann erlöst Anelka die angespannten Franzosen.

Die Kämpfer werden müde

Die Abwehrkompetenz brachte Giovanni Trapattoni mit. Der "Mister" importierte auf die grüne Insel die kühle Kunst des Spielverhinderns. Seine Mannschaft verwickelte die Gäste in ein intensives Willensspiel und stand dazu strukturiert in der Verteidigung. Den französischen Spielkünstler passte dieser zähe Widerstand überhaupt nicht und nahm ihnen die Freude am Spiel. Vor der Pause kamen sie nur selten zum Torschuss, allein der Versuch von Thierry Henry (39.), als er im Gewühl einmal den Ball behauptete und nur knapp vorbeizielte, verdiente die Bezeichnung Großchance.

Hingegen fanden die Gastgeber immer mehr Spaß am eigenen Vorstoß. Die größte Chance in der ersten Halbzeit entsprang einem typisch britisch-irischem Spielzug: Langer Ball von Torwart Given nach vorne, Kopfballverlängerung, Stürmer Robbie Keane scheiterte zunächst freistehend an Torwart Hugo Lloris, den Nachschuss setzte Liam Lawrence am leeren Tor vorbei (27.). Es war ein unfassbarer Fehlschuss, nur dadurch zu entschuldigen, dass Lawrence noch durch einen Verteidiger irritiert wurde.

Diskussionforum auf dem Feld

Rund um Kapitän Thierry Henry bildete sich beim Weg in die Kabine eine Art Diskussionsforum aus Spielern in blauen Trikots. Auch bei der Rückkehr auf dem Platz debattierten die Franzosen untereinander und die Domenech-Kritiker werden es vermutlich so deuten, dass nun die Spieler selbst die Entscheidungen trafen. Dabei musste man fürchten, dass die Franzosen einander auch hören, denn die 74.000 Iren auf den Rängen versuchten weiterhin mit ihrem infernalischem Geschrei ihr Team zu stützen.

Der 71-jährige Trapattoni stand mit weißem Haar und dickem blauen Anorak am Spielfeldrand und sprach wie immer in wichtigen Spielen ständig mit sich selbst. Seine Lippenbewegungen gerieten dann zunehmend schneller, weil die Franzosen nun vehementer den irischen Strafraum belagerten. Auch wenn sie lange keinen Zugang zum Tor fanden.

Da schoss Henry aus dem Stand ins Nichts, Patrice Evra von Manchster United hob im Strafraum ab für einen Elfmeter, den er nicht bekam. Dann versuchte es Nicolas Anelka wieder aus 20 Metern aus dem Stand, traf den Fuß von Verteidiger Sean St. Ledger, von dort sprang der Ball an den Innenpfosten - 1:0 für Frankreich (72.).

Drei schnelle Wechsel

Die Mitspieler sprinteten wie nach einer Erlösung auf den Stürmer des FC Chelsea zu. Da war die Angst vor dem großen Scheitern bei den hoch bezahlten Profis zu erahnen. Die Ballkontrolle der Franzosen sah anschließend nicht wie ideenloses Ballgeschiebe, sondern wie souveräner Verwaltungsfußball aus.

Die Furcht vor der Niederlage hinderte die Iren nicht daran, nun den Gegenangriff zu starten. Schon eher die begrenzten fußballerischen Mittel. Und bald auch nachlässende Kräfte. Trapattoni versuchte letzteres Problem mit drei schnellen Wechseln abzumildern und die Gastgeber kamen noch zu ihrer Ausgleichschance: Nach verheerendem Ballverlust von Eric Abidal kam Glen Whelan zum Schuss, doch Torwart Lloris hatte wieder die Hände dazwischen (87.).

Domenech, sonst auffällig durch bisweilen überbordendem Selbstbewusstsein, bremste im französischen Fernsehen trotz des Erfolgs die Euphorie: "Wir haben nur die Hälfte geschafft. Es bleiben noch mindestens 90 Minuten. Wir müssen wachsam bleiben, wir wissen nicht, was am Mittwoch alles passieren kann." Scheinbar haben die allgemeinen Zweifel in Frankreich nun auch den Nationaltrainer erreicht.

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