WM 2010: Portugals Torhüter Eduardo:Der Spätberufene

Vor dem Achtelfinale gegen Spanien zieht ein Spieler aus dem portugisischen Team das Interesse auf sich, der weder so reich an Erfahrung noch Glamour wie Cristiano Ronaldo ist - und schon gar keine Tore schießt.

Maik Rosner

Natürlich gibt es diese Vergleiche: Cristiano Ronaldo gegen David Villa, das Duell der Stürmer, der Stars, der Lieblinge. Natürlich werden auch die Geschichtsbücher bemüht, 90 Jahre Fußball-Rivalität und besonders die Begegnung bei der EM 2004 in Portugal in Erinnerung gerufen, als Nuno Gomes die Spanier mit seinem Tor zum 1:0-Sieg bereits in der Gruppenphase über die gemeinsame Grenze nach Hause schickte. Doch vor dem Achtelfinale der beiden Nachbarländer von der Iberischen Halbinsel am Dienstag in Kapstadt weckt das Interesse auch ein Spieler, der weder reich an Erfahrung noch Glamour ist - und schon gar keine Tore schießt.

Portugal v North Korea: Group G - 2010 FIFA World Cup

Hat seit acht Länderspielen keinen Gegentreffer kassiert: Portugals Schlussmann Eduardo.

(Foto: Getty Images)

Eduardo dos Reis Carvalho, kurz Eduardo, heißt dieser Mann, der trotz seiner kräftigen Statur unauffällig daherkommt, weil er aussieht wie der nette Familienvater von nebenan. Brave Kurzhaarfrisur, 27 Jahre alt, 1,87 Meter groß - Extravaganzen sucht man vergeblich. Es gibt Fotos von ihm, da steht er wie ein Amateurfußballer da, freundlich lächelnd und mit hängenden Armen, als habe er gerade einen Freizeitkick mit seinen Kumpels in seinem Heimatstädtchen Mirandela im Nordosten Portugals vor sich. Dazu passt auch gut, dass er normalerweise im Steinbruchstadion des Provinzklubs Sporting Braga im Tor steht, sein Jugendverein.

"Der beste Torwart der Welt"

Doch nun überzeugt dieser Unscheinbare bei der WM in Südafrika beständig mit guten Leistungen. Als einziger Torwart blieb Eduardo bei dem Turnier bisher unbezwungen. Mittlerweile sollen einige Topklubs in Europa auf ihn aufmerksam geworden sein - angeblich auch der FC Bayern München. "Bayern will Eduardo", titelte die portugiesische Sportzeitung abola am Montag und schrieb, Münchens Trainer Louis van Gaal betrachte den Torwart als "idealen Nachfolger" für den inzwischen 36-jährigen Jörg Butt. Auch andere Vereine in Italien, England und Spanien seien interessiert, eine Quelle nannte das Blatt allerdings nicht. In aufgeregten Zeiten wie einer WM wird viel spekuliert, aber unstrittig ist mittlerweile die hohe Meinung der Fachwelt von Eduardo.

Der ehemalige Nationalstürmer Paulo Futre bezeichnete ihn als "brillant" und wertete vor allem das jüngste 0:0 gegen den Rekordweltmeister als Beleg seiner Qualität: "Bei den großen Spielen wie gegen Brasilien sieht man, wie gut ein Torwart wirklich ist." Eduardos prominenter Kollege Julio Cesar aus Brasilien lobte ebenfalls: "Er spielt eine tolle WM. Als Torwart weiß man ja, wie schwer es ist, keine Tore zu kassieren. Vor allem bei so einem Turnier", sagte der Schlussmann der Selecao. Und selbst Portugals Ersatztorwart Beto, die Nummer zwei hinter Eduardo, sprach geradezu hymnisch über seinen Kontrahenten: "Wir können Spanien schlagen. Wir haben die beste Abwehr und vor allem den besten Torwart der Welt."

Dabei war der Unerfahrene und Spätberufene vor nicht allzu langer Zeit als Sicherheitsrisiko eingestuft worden. Vor vier Jahren spielte Eduardo noch für die zweite Mannschaft Bragas; zweimal wurde er ausgliehen, an den SC Beira-Mar und Vitoria Setubal, erst 2008 kehrte er nach Braga als Nummer eins zurück. Am 11. Februar 2009 hütete er erstmals das Tor Portugals. Seither hat Eduardo in seinen 18 Länderspielen nie verloren und gerade einmal drei Gegentore kassiert, in den vergangenen acht Einsätzen kam keines mehr hinzu. Daheim in Braga fiel er zudem mit herausragenden Leistungen auf, die den Weg in die Champions League ebneten. Nun würdigte die Zeitung Publico seine "sicheren Hände".

Bescheiden und sparsam

Eduardo selbst spricht so unprätentiös, wie er insgesamt wirkt. "Niemand erreicht Erfolge allein. Dass ich keine Tore kassiere, ist natürlich gut für das Selbstvertrauen. Aber wichtig ist, dass das Team gut und solidarisch spielt", sagte er. Sätze, die auch einem Louis van Gaal in München gut gefallen könnten, gepaart mit den zuverlässigen Leistungen, die Eduardo derzeit abliefert. Dies ist die eine Parallele zu Butt; eine andere wäre, dass auch der aktuelle Torwart der Bayern aus Braga nach München kam.

Eduardos Bescheidenheit scheint ebenfalls authentisch zu sein: Zur WM 2006 in Deutschland reiste er als Zuschauer aus Portugal mit dem Auto an. "Es war billiger", sagte Eduardo.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: