WM 2010: Portugal:Auch Ronaldo trifft beim Scheibenschießen

Nach 16 Monaten ohne Tor trifft Cristiano Ronaldo endlich wieder für die Nationalelf. Beim 7:0-Schützenfest der Seleção gegen Nordkorea musste ihr Kapitän aber lange warten.

Jonas Beckenkamp

Mit dem Ende der Welt kennen sie sich in Portugal ja aus. In einem Land, dem furchtlose Seefahrer wie der erste Erdumsegler Ferdinand Magellan entstammen, in dem die Klagelieder des Fado über das Vergehen der Liebe lamentieren, wo Wankelmut und Melancholie die Volksseele prägen, passt der Fußballer Cristiano Ronaldo deshalb nicht unbedingt ins Bild. Der teuerste Kicker der Welt verkündete angesichts seiner 16-monatigen Torflaute im Nationalteam vor dem Spiel gegen Nordkorea gewohnt vollmundig und völlig unportugiesisch: "Es ist nicht das Ende der Welt, wenn ich nicht treffe. Aber am Montag treffe ich."

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Lange hatte er warten müssen auf ein Erfolgserlebnis im Nationalteam, doch gegen Nordkorea war es endlich wieder so weit: Cristiano Ronaldo traf für Portugal.

(Foto: afp)

Und er traf. Wie es sich für einen wie ihn gehört, hielt der breitbrüstige Beau mit der Ein-Mann-ein-Wort-Rhetorik sein Versprechen: Beim 7:0-Feuerwerk seiner Portugiesen gegen chancenlose Nordkoreaner erzielte der Millionenmann von Real Madrid das 6:0, nachdem er beinahe die gesamte Partie verzweifelt versucht hatte, seine Torkrise zu beenden. Während für Nordkoreas Einheits-Truppe das Kapitel Achtelfinale passé ist, setzten die Portugiesen ein dickes Ausrufezeichen in der schweren Gruppe mit Brasilien und der Elfenbeinküste.

44 Jahre später

Gegen den absoluten WM-Außenseiter aus Asien ging es Kapitän Ronaldo aber nicht nur darum, endlich wieder im Trikot der Seleção zu treffen - nein, am liebsten hätte er wohl noch die Weltherrschaft an sich gerissen, sich selbst ein Tor vorgelegt, den Mond geküsst und nebenbei auch noch das Erbe Eusébios angetreten, jenes genialischen Goalgetters, der bei der WM vor 44 Jahren gleich vier Tore zum denkwürdigen 5:3-Sieg der Portugiesen über Nordkorea beigesteuert hatte. "Ich hoffe, dass die ersten 23 Minuten des Spiels vor 44 Jahren sich nicht wiederholen", sagte Eusébio bei einem Besuch im WM-Quartier der Portugiesen vor der Partie. Damals lag Portugal 0:3 zurück, ehe die "Schwarze Perle" sein Team noch zu einem sagenhaften Sieg schoss. Für das gegenwärtige Spiel gegen Nordkorea gab der 68-Jährige Eusébio eine bescheidene Prognose: "Mir würde schon ein 1:0-Sieg reichen."

Dass dies kein allzu realistischer Resultatswunsch war, offenbarte die Anfangsphase der Begegnung: Erst ein noch etwas schüchternes Schüsschen Ronaldos in der dritten Minute und dann ein Pfostenkopfball von Abwehrchef Carvalho vom FC Chelsea - noch vor der zehnten Spielminute hatten die Südeuropäer die Marschrichtung vorgegeben: Schluss mit der Melancholie, nach vorne sollte es gehen. Dafür hatte Trainer Carlos Queiroz im Vergleich zur biederen Nullnummer gegen die Elfenbeinküste den Bremer Hugo Almeida in die Sturmspitze beordert und ihm mit Simão einen quirligen Adjudanten zur Seite gestellt.

Dass jedoch auch die Nordkoreaner die WM nicht als Kaffeefahrt ans Kap der guten Hoffnung begreifen, zeigten sie bei zwei guten Gelegenheiten kurz darauf. Ein strammer Rechtsschuss von Cha Yong Hyok, der das Tor der Seleção knapp verfehlte, sowie eine Doppelchance durch Kapitän Hong Yung Jo und Pak Nam Choi (18. Minute) untermauerten die Ambitionen der Asiaten, im strömenden Regen von Kapstadt nicht baden gehen zu wollen. Trotz akuter Rutschgefahr nahm die Partie Fahrt auf. Das zu erwartende portugiesische Steineklopfen gegen die nordkoreanische Wand fand dabei genauso wenig statt, wie die befürchtete Angriffsdemut des Fifa-Weltranglisten-105. aus der Volksrepublik - nein, es sah phasenweise sogar richtig gut aus, was beide Mannschaften bei diesem Hundewetter vorführten.

Ronaldo vs. Torflaute

So auch in der 29. Minute: Der für den verletzten Deco aufgebotene Tiago versetzte der nordkoreanischen Abwehrmauer mit einem perfekten Steilpass auf Mittelfeldrenner Raul Meireles einen Nadelstich und der Mann vom FC Porto schoss den Ball vor lauter Freiraum einfach mitten ins Tor von Keeper Ri Myong Guk - es stand 1:0 für Portugal. Die Nordkoreaner schienen also doch an ihre Grenzen zu stoßen, ein Eindruck, der sich nach Wiederanpfiff weiter verdeutlichen sollte.

Wieder legte sich der starke Tiago die Kugel zurecht, doch diesmal passte er nicht, sondern er feuerte einen schnörkellosen Distanzschuss ab, den der Torhüter der Asiaten gerade so über die Latte lenkte. Ronaldo war unterdessen von einem Ende seiner Torflaute so weit entfernt wie seine Heimatinsel Madeira von Madrid: Entweder rutschte er aus, verlor den Ball oder er schlug groteske Haken an der Mittellinie. Ganz anders Almeida, Meireles und Simão: Eine präzise Passstaffette über drei Stationen ließ Letzteren allein vor dem nordkoreanischen Gehäuse auftauchen, den Tunnel gab's für Keeper Ri als Andenken obendrauf - 2:0 für den Favoriten in der 53. Minute. Und weil es gerade so gut lief schnappte sich Außenverteidiger Coentrao kurz nach dem Anstoß der Nordkoreaner auf links das runde Plastikspielgerät und flankte zielgenau auf den völlig freien Almeida. Der Bremer hatte keine Mühe zum 3:0 einzuköpfen.

Tore im Minutentakt

Drei Tore ohne Ronaldos Beteiligung? Das konnte der Real-Star nicht auf sich sitzen lassen. Weil aus den wendigen Wuslern aus Ostasien inzwischen reichlich überforderte Statisten geworden waren, begann nun auch der 94-Millionen-Stürmer Freude am Spiel zu entwickeln. Sein Flachpass von der linken Strafraumgrenze zischte zentimetergenau auf den Fuß von Tiago, der seinen Einsatz mit dem 4:0 krönte. Torvorlage Ronaldo, drei Treffer binnen sieben Minuten - das einzige, was dem Spiel fehlte, war neben Orientierung und Ordnung bei Nordkorea ein Tor von CR9 für die Seleção. Sein nächster Annäherungsversuch landete an der Querlatte (70. Minute), ein weiterer prallte vom bemitleidenswerten Keeper Ri ab, längst war die Begegnung entschieden, längst drehte sich alles nur noch um das Privatduell Ronaldo vs. Torflaute.

Doch als Nächster durchkreuzte der eingewechselte Liedson nach Flanke von Duda die Tor-Rehabilitierung seines Kapitäns. Sein 5:0 in der 80. Minute schraubte das Ergebnis auf den bisher höchsten Turniersieg. Das alles war nur der Epilog für den grandiosen Schlussakt: Ein weiterer Abwehrfehler der Nordkoreaner und endlich stand Ronaldo höchstpersönlich allein vor Keeper Ri. Er spitzelte den Ball virtuos in die Höhe, balancierte ihn elegant, aber wohl ungewollt von seinem Hinterkopf vor seine teuren Füße und schoss zum 6:0 ein (87.). Es war geschafft, 16 lange Monate ohne Tor im Nationalteam hatten ein Ende und Ronaldo konnte erleichtert grinsen. Dass Tiago mit dem 7:0 in der Schlussminute noch einen drauf setzte, fiel da schon gar nicht mehr ins Gewicht. Ronaldo hatte Wort gehalten, seine Welt ist wieder in Ordnung.

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