WM-Kolumne: Die Vorstopperin:Mehr Lippenstift? Mehr Puder? Bitte nicht!

Frauenfußball ist weiblich, die Spielerinnen sind schön - nur dann zahlen die Werbekunden Geld und schalten die Männer den Fernseher ein. Davon scheinen Veranstalter, Sponsoren und der DFB überzeugt. Doch sie irren.

Maria Holzmüller

"Die sehen schon so aus wie Fußballerinnen." Diesen Satz hört man seit Tagen regelmäßig. Meist dann, wenn ein WM-Spiel noch nicht begonnen hat und die Fernsehkamera zu den Klängen der jeweiligen Nationalhymne die Gesichter der Spielerinnen in Nahaufnahme zeigt. Dann sieht man Nordkoreanerinnen, alle mit der gleichen Kurzhaarfrisur, oder grimmig dreinblickende Nigerianerinnen mit breiten Schultern, ungeschminkt, die Haare streng zurückgebunden.

Pressekonferenz der deutschen Nationalmannschaft der Frauen

Eine Pressekonferenz des DFB: Lira Bajramaj legt durchaus wert auf ihr Äußeres. Wie viele andere Frauen auch.

(Foto: dapd)

Da ist es wieder, das Klischee - und manche Betrachter scheinen in diesem Moment beinahe erleichtert, dass es irgendwie zutrifft: Viele Spielerinnen sehen aus wie - man traut es sich kaum zu schreiben im Zuge der politisch überkorrekten Berichterstattung zur Frauen-WM: Mannsweiber.

Dabei könnte es doch so schön sein: Ein bisschen Puder hier, kräftiger Lippenstift da - und natürlich darf auch die schwarze Wimperntusche nicht fehlen. Mitten im Spiel schalten die ohnehin schon makellos gestylten Nationalspielerinnen Lira Bajramaj, Kim Kulig und Célia Okoyino da Mbabi um auf Slow Motion, um ihr Make-up aufzufrischen. So gaukelt es dieser Tage der Werbespot eines Elektrohauses vor - um gleichzeitig die "schönste WM aller Zeiten" auszurufen.

Denn eines soll den Zuschauern klar werden: Frauenfußball ist weiblich! Spielerinnen sind schön! Nur dann zahlen Werbekunden Geld, nur dann schalten Männer beim Anpfiff den Fernseher ein. Davon jedenfalls scheinen die Veranstalter, Werbekunden und auch die Verantwortlichen beim DFB überzeugt - schließlich lautet das offizielle Motto der WM ja auch "Zwanzig11 von seiner schönsten Seite." Ist das sexistisch? Vielleicht.

Doch dieser Mechanismus funktioniert nicht nur bei den Männern so. Gerade Frauenzeitschriften haben sich vor der WM wie alle anderen Medien auf die Spielerinnen gestürzt, die gut aussehen - und halt zufällig auch noch ganz gut Fußball spielen. Lira Bajramaj wurde in der Brigitte ebenso porträtiert wie im Magazin der Zeit oder in der Zeitschrift Maxi - überall mit großem Foto, versteht sich.

Attraktive Menschen haben es leichter

Auch Frauen haben eine Vorliebe für schöne Menschen. Eine schwedische Josefine Öqvist, mit langen blonden Haaren, Stupsnäschen und Sonnenscheinlächeln gewinnt eher Sympathien als eine grobschlächtige Spielerin mit kurzen Haaren - mag sie sportlich noch so brillant sein. Attraktive Menschen haben es leichter - das ist kein Fluch des Frauenfußballs, sondern ein Phänomen des Alltags, das bereits in zahlreichen Studien beleuchtet wurde.

Schöne Kinder bekommen bessere Noten, gutaussehende Bewerber werden positiver bewertet und häufiger zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Schöne Fußballerinnen bekommen mehr Aufmerksamkeit. Die optischen Versprechen, die ausgewählte Spielerinnen in Hochglanz-Werbeaufnahmen machen, können die meisten Frauen-Fußballmannschaften im Spiel nicht halten. Anders als im Damentennis sind im Fußball keine kurzen Röcke, grelle Farben und ausgefallene Schnitte erlaubt, wie sie Venus Williams oder Caroline Wozniacki so gerne präsentieren.

Schon wegen ihrer Outfits auf dem Platz sehen auch die weiblichsten Spielerinnen ein bisschen wie ihre männlichen Kollegen aus: Mehr oder weniger unförmige Jerseys, weite Shorts, klobige Schienbeinschoner. Da können sich die Designer der Nationaltrikots noch so bemüht haben, eine weibliche Note reinzubringen - es ist und bleibt die Fußballmontur der Männer.

Dass letztlich Sportlerinnen auf dem Platz stehen, die vor allem durch ihre Leistung überzeugen wollen und sich nicht um verlaufene Wimperntusche kümmern können, mag den einen oder anderen Zuschauer enttäuschen. Doch wer sich für Fußball interessiert, dem ist es irgendwann egal, wer da eigentlich spielt - solange der Ball rollt. Und wer schon Männerfußball öde findet, wird auch hier abschalten. Am fehlenden Make-up scheitert es sicher nicht.

Am Ende geht es um Tore, rote Karten, spannende Zweikämpfe. Um Sportlerinnen, die aufs Tor zusprinten, die sich blaue Flecken im Kampf um den Ball holen und sich am Ende des Spiels den Schweiß von der roten Stirn wischen. So sehen Fußballerinnen aus. Und Fußballer übrigens auch.

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