WM-Kolumne: Die Vorstopperin:Ein bisschen Schwarz-Rot-Girl

Schöne neue Frauenfußballwelt? Ein Münchner Biergarten zeigt alle Spiele der WM auf Leinwand, die Menschen schwenken Fahnen oder führen Debatten, ob das wirklich Fußball ist. Und einige Männer freuen sich schon auf die Schwedinnen. Ein Besuch beim Public Viewing.

Lisa Sonnabend

Der 13-jährige Martin kann ein lautes Lachen nicht unterdrücken. Müde und alles andere als zielgenau segelt der Ball in Richtung Tor. "Da hätte ich ja besser geschossen", ruft er seinem Vater zu. "Gegen unsere erste Mannschaft hätten die doch keine Chance!" Schnell nach vorne spiele die deutsche Fußballnationalmannschaft, lobt dagegen Verena in der Halbzeitpause. "Taktisch eine ausgezeichnete Leistung!" Die Studentin wollte als Kind unbedingt in einen Fußballverein. Doch ihre Eltern erlaubten es nicht: "Fußball galt damals noch als Proletensport." Als den Männern vorbehalten.

WM-Kolumne: Die Vorstopperin: Deutsche Anhängerinnen am Chinesischen Turm in München.

Deutsche Anhängerinnen am Chinesischen Turm in München.

(Foto: Lisa Sonnabend)

Es ist Fußball-WM in Deutschland. Frauen-WM. Irgendwie ist alles anders als bei einer WM der Männer, doch irgendwie ist auch vieles ähnlich. Am Sonntagabend im Biergarten am Chinesischen Turm in München zum Beispiel. Vor nicht allzu langer Zeit, als noch nicht zu jedem Groß- und sonstigen Ereignis Public Viewing angeboten wurde, hätte man es noch für eine Szene aus einem Science-Fiction-Film gehalten: Hunderte Menschen schauen gemeinsam auf eine riesige Leinwand, auf der Wesen in Trikots Fußball spielen. Inzwischen empfindet man es sogar als normal, dass diese Wesen weiblich sind. Zumindest als fast normal.

Die Plätze vor der Leinwand sind alle besetzt, was allerdings daran liegt, dass es im Gegensatz zur WM 2010 nur eine Leinwand gibt und diese nur von einem kleinen Teil des Biergartens aus einsehbar ist. Und natürlich liegt dies auch an der Sonne, die zum ersten Mal nach Wochen wieder kräftig scheint und die Münchner in den Englischen Garten treibt.

Doch diejenigen, die nur noch Stehplätze bekommen, haben Glück: Frauenfußball-Erfahrung haben nur die wenigsten im Biergarten. Immer wieder stehen ein paar Leute auf, die bemerken, dass die Sportart doch nichts für sie ist.

Also kein Schwarz, Rot, Geil? Oder gar ein Schwarz, Rot, Girl, wie eine Boulevardzeitung titelte? Der Medienrummel in den Tagen vor dem Anpfiff war groß, die Marketing-Maschine lief heiß: spezielle Trikots, die Schuhe von Lira Bajramaj in verschiedenen Farben und sogar ein Frauen-WM-Dirndl kann man kaufen. ARD und ZDF zeigen alle Spiele. Und auch der Biergarten am Chinesischen Turm wagt das Experiment: Er überträgt nicht nur wie andere Lokale die Spiele mit deutscher Beteiligung, sondern alle. Auch Kolumbien gegen Schweden an diesem Dienstag.

Die Beste? "Célia Okotrallala."

Einige Fans beim Public Viewing am Chinesischen Turm haben sich auf beide Wangen eine Deutschlandfahne gemalt. Flaggen werden geschwenkt, schwarzrotgoldene Girlanden um den Hals gehängt, Trikots übergezogen. Darauf stehen nicht die Namen der Spielerinnen, sondern: Schweinsteiger, Häßler oder schlicht 7. "Oooooooh", ruft die Masse - ein Torschuss aus 15 Metern geht knapp übers Tor. "Deutschland, Deutschland!" - ehe die deutsche Torfrau wieder den Ball abschlägt. Dann springen alle auf, Fahnen in der Luft, einige umarmen sich: 2:0. Schöne neue Frauenfußballwelt?

Am Tag darauf, wieder am Chinesischen Turm. Diesmal spielt Mexiko gegen England. Diesmal verfolgen nicht mehr als 20 Personen an drei Biertischen das Spiel konzentriert.

Sabine und Deska, zwei junge Frauen in voller Fanmontur, sagen in der Halbzeitpause des Deutschlandspiels: "Es sieht nicht so athletisch aus wie bei den Männern." Maike, die sich eine Fahne auf die Wange gemalt hat, sagt: "Ich musste mich erst dran gewöhnen, aber jetzt finde ich es schon spannend." Michael rückt den Schirm seines Baseballcaps gerade und sagt: "Die Mädels gehen nicht so hart ran, dadurch ist der Ball viel länger im Spiel. Das ist gut." Ein wenig abseits sitzt eine Gruppe junger Männer. Zur Leinwand blicken sie nicht. "Ich schaue nur die Spiele der Schwedinnen", meint einer. Und das ist noch einer der harmloseren Scherze.

Stefan, ein Mann Mitte 30, trägt ein Trikot, auf dem sein eigener Name steht. Wer die beste Spielerin auf dem Platz ist? "Ganz klar. Diese Célia Okotrallala." Célia Okoyino da Mbabi heißt die Fußballerin wirklich. Das ist aber auch ein komplizierter Name - da ist ein Manuel Neuer oder ein Philipp Lahm nichts dagegen.

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