Süddeutsche Zeitung

WM-Kolumne: Die Vorstopperin: Dümmliche Spots mit unbekannten Damen

Die Fußball-Männer haben die Nutella-Boys, die Frauen die E-Post-Girls. Der Auftritt der Werbebranche war bei dieser WM genauso miserabel wie die Leistung der deutschen Mannschaft. Auch wenn die Spots Einblicke in die Kabine brachten.

Bernd Graff

"Wohnen Dämmern Lügen" ist der Titel eines alten Buches des Reizautors Botho Strauß. "Wohnen Dämmern Lügen" ist das Motto der hier im Lande stattfindenden, immer noch stattfindenden Fußball-WM der Frauen. Denn es ist so: Man wohnt, bleibt daheim, weil das Wetter so schlecht ist, dämmert so ein bisschen in Langeweile, schaltet dann den Fernseher ein, schaut Frauenfußball und muss lügen, wenn man das gut finden soll.

Ja, die Menschen haben sich das schauend angetan. Die Tour de France kann man ja auch nicht mehr gucken, Bundesliga, echter Fußball also, ist noch nicht, das Wetter ist schlecht. Was tut man? Schaut diesem Fachspiel zu. Mein Gott, wird ja bald wieder besseres Wetter.

Nun sind die deutschen Frauen egalerweise nicht mehr im Turnier. Egal wäre auch, wenn sie es noch wären, aber sie sind es nun einmal nicht mehr. Irgendwer weint bestimmt, auch mit den unmittelbar betroffenen Damen und der vergebenen Chance, im eigenen Land Weltmeisterin zu werden.

Manch einer weint nicht, er gähnt.

Und beginnt weiterzuzappen. Und bleibt hängen. An Werbespots, die eben jene, bis dato einer breiteren Öffentlichkeit unbekannten Fußballdamen Teutoniens zeigen. Sie aber bei dem Versuch zeigen, so etwas wie den Nutella-Spot der Herren-Auswahl nachzukichern. Wenngleich für andere Produkte - E-Postbriefe zum Beispiel, die kein Mensch braucht. Oder nur so wenig wie Nutella.

Der Nutella-Spot der Herren, Sie erinnern sich, zeigte damals, 2006, nur Glücklose der Männer-WM. Man sah zwar oft und oft genug, wie sich Arne Friedrich, Kevin Kurányi, Benny Lauth und Andreas Hinkel ihre Stullen schmierten. Allein, man sah sie entweder gar nicht oder nur schlecht auf Rasen ihrem Beruf nachgehen: Arne Friedrich war der Buhmann des Sommermärchens, aber er spielte wenigstens. Kevin Kurányi, Benny Lauth und Andreas Hinkel wurden gar nicht erst aufgestellt. Man sprach von Aufstrichpech und vom Fluch der Nutella-Boys.

Mit Verlaub, soweit wird es bei den Werbedamen der deutschen Nationalmannschaft nicht kommen. Nicht einmal das.

Dazu sind erstens die Spots, in die man die Damen gepackt hat, zu dümmlich. Und dazu sind zweitens die Damen immer noch und jetzt erst recht zu unterschwellig bekannt, als dass man den Spots, die man getrost vergessen kann, und den Damen, die man nicht einmal vergessen kann, weil man sie nie kannte, auch nur irgendeine tiefergehende Bedeutung oder Aussagekraft beimessen könnte. Da war Tintenfisch Paul berühmter als etwa die Ersatztorhüterin Ursula Holl, die zwar für einen Versicherungskonzern auftritt, aber im deutschen Kasten keine Sekunde zu sehen war.

Echt doof und echt doof inszeniert sind die E-Post-Bekanntmachungsversuche der Deutschen Post. Da wird die glücklose Stürmerin Alexandra Popp als ein blindes und leichtfüßiges Torschützenwunder inszeniert, das sie auf dem Rasen nicht war und allenfalls mal so ronaldohaft gut sein möchte wie in ihrem Spot. Der Spot endet mit dem Blick aus ihrem Macbook auf die sinnlos strahlende Spielerin, die offenbar noch und schon wieder in der Umkleidekabine ihren Spielbericht per E-Post-Brief verschicken will, eine Versandart, die, wie gesagt, kein Mensch braucht. Außer vielleicht Alexandra Popp. Das weiß ja keiner.

Halt, nein! Stimmt nicht. Torhüterin Nadine Angerer, angeblich "einfach nicht zu knacken" - außer real im Spiel gegen Japan, in dem es um etwas ging - diese Torhüterin epostet auch in der Umkleidekabine wohl rund um die Uhr. Wie auch Lira Bajramaj, als Mittelfeldspielerin auch dabei, auf den Werbeplätzen etwas weiter vorne. Denn sie darf auch für einen Sportartikel-Ausrüster schwitzen und Fußball- wie Turnschuhe wechseln. Dazu sagt sie: "Wir kommen an die Macht!" Kinners, es geht auch etwas da drunter.

Wir haben unsere Verena-Stephan-Häutungen bereits 1975 gelesen. Da müssen ein Sportartikelhersteller und eine Kickeuse nicht mehr bei null ansetzen und es dazu dunkel regnen lassen. Apropos: Damenumkleiden scheinen der Drehort der Wahl für viele Werbetreibende zu sein: Auch Tchibo hat sich dahin verirrt, um unter anderem Raumspar-Kleiderbügel an die Frau zu bringen. Es ist zum Steinerweichen.

Ebenso der Spot der Bahn, der einmal nicht die nicht vorhandenen Fußballgöttinnen, sondern die aufgeregt hibbeligen Fans auf dem Weg zu den tollen Spielen zeigt. Vielleicht ist der Werbeagentur der Bahn auch nur nicht eingefallen, wie man Umkleidekabinen und Schienenstränge zusammenbringen soll. Vielleicht greift Rewe aus demselben Grund nach Lukas Podolski, der für die Werbekamera ein Public-Viewing-Glück zelebriert, das es so nie gegeben hat. Also in der wirklichen Welt, während der wirklichen WM. Kurzes Fazit: Dem Sport hat diese WM wohl kaum enthusiasmierte Fans gebracht. Den Werbetreibenden ist zu wünschen, dass sie in vier Jahren, bei der nächsten Frauen-WM, ein glücklicheres Händchen bei der Wahl und der Kombination von Testimonials und Produkten an den Tag legen. Vorstellbar wäre Werbung für wasserfestes Make-up. Nur für den Fall, dass unsere Mannschaft wieder vorzeitig aus dem Turnier ausscheidet und wieder so viele Tränen fließen müssen.

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