WM-Kampf im Supermittelgewicht:Boxer-Versteher gegen Boxen-Versteher

WM-Kampf im Supermittelgewicht: Arthur Abraham und Robert Stieglitz: Rückkampf am Samstag in Magdeburg.

Arthur Abraham und Robert Stieglitz: Rückkampf am Samstag in Magdeburg.

(Foto: AFP)

Der Rückkampf um die WBO-Weltmeisterschaft im Supermittelgewicht zwischen Arthur Abraham und Robert Stieglitz ist vor allem ein Duell der Trainer. Der Kampf in Magdeburg wird nicht nur mit den Fäusten, sondern vor allem im Kopf entschieden.

Von Jürgen Schmieder

Das Plakat, mit dem ein wichtiger Boxkampf beworben wird, sieht ja immer ein wenig aus wie das Werbebanner eines Sylvester-Stallone-Films. Zwei Menschen mit Dreck oder Blut oder Schweiß im Gesicht blicken finster drein, darüber stehen Begriffe wie "böses Blut", "letzte Chance" oder einfach nur: "Der Krieg".

Das Plakat zum WM-Kampf im Supermittelgewicht zwischen Arthur Abraham und Robert Stieglitz am Samstag in Magdeburg ist anders: kein martialischer Spruch, kein Blut, kein Dreck. Es zeigt Abraham, wie er liebevoll auf seinen WM-Gürtel blickt, als wäre die Trophäe ein Teddybär, den er gleich im Bett knuddeln wird. Robert Stieglitz steht daneben - und blickt genervt drein.

Das hat freilich mit dem Ausgang des ersten Duells zu tun, bei dem Abraham und sein Trainer Ulli Wegner mit einer taktischen Finesse Stieglitz und dessen Coach Dirk Dzemski übertölpelten: Abraham präsentierte sich als variabler Boxer, der seinen Gegner tatsächlich mit technisch sauberen Kombinationen ausboxte. Stieglitz war verblüfft, genervt, ratlos. Abraham gewann verdient nach Punkten - und weinte danach, als hätte ihm jemand den Teddy weggenommen.

Das kommt beim Boxen nun nicht allzu oft vor. Chirs Arreola passierte das nach seiner Niederlage gegen Witali Klitschko, weil er sich für seine Leistung zuvor schämte. Oliver McCall brach während des Kampfes gegen Lennox Lewis in Tränen aus, um später zu erklären, dass dies seine Taktik gewesen sei, den Gegner zu besiegen. Arthur Abraham weinte 25. August auch - jedoch nicht aus Enttäuschung oder aufgrund eines Nervenzusammenbruchs, sondern aus Erleichterung.

"Es fiel in diesem Moment viel Druck von mir", sagt Abraham. All die Schmähungen nach seinen Niederlagen im Super-Six-Turnier, die öffentliche Kritik durch seinen Trainer Ullli Wegner, die Ankündigung seines Boxstalls Sauerland, dass er nicht mehr viele Chancen hätte: Das alles war für diesen einen Moment vergessen, in dem er den Weltmeistergürtel umgelegt bekam.

Abraham ist seitdem Weltmeister der World Boxing Organization (WBO), er verteidigte den Titel in der Gewichtsklasse bis 76,2 Kilogramm im Dezember vergangenen Jahres überzeugend gegen Mehdi Bouadla. Nun kommt es zum Rückkampf gegen Stieglitz, den die beiden Promoter Kalle Sauerland und Ulf Steinforth bereits vor dem ersten Duell vereinbart hatten.

Entscheidung im Kopf

Es dürfte wieder ein interessantes Gefecht werden. Das liegt zunächst einmal daran, dass sich da ein vermeintlicher Fechter (Stieglitz) und ein vermeintlicher Holzhacker (Abraham) gegenüberstehen. Es hat aber auch mit den Trainern zu tun, die da in Magdeburg in den jeweiligen Ecken stehen werden. Wegner ist ein Boxer-Versteher, der sich mit der Herkunft seiner Schützlinge beschäftigt und sich gerne als gestrenger Vater inszeniert, der während der Kämpfe martialische Sprüche ("Das ist feige!") verwendet, um seine Boxer zu motivieren.

Boxen Abraham - Stieglitz

Robert Stieglitz und sein Trainer Dirk Dzemski: Analysten im Ring.

(Foto: dpa)

Abraham galt lange als einer, den er verschmähte, weil der nicht auf seine Tipps hören wollte. Das habe sich vor allem durch den ersten Kampf gegen Stieglitz geändert: "Mein Verhältnis zu Arthur ist besser, als ich ihm das zeige." Als der erste Kampf vorbei war, da tätschelte Wegner seinem Schützling die Wange und lobte ihn. Abraham sagte: "Vergessen Sie das nur ja nicht, Trainer!"

Ohnehin liebt Abraham lockere Sprüche und öffentlichkeitswirksame Auftritte. Kürzlich prügelte er sich im "Tatort" mit Til Schweiger, der ihm eine "unglaubliche, unbezahlbare Fresse" attestierte. Über den Rückkampf gegen Stieglitz sagt Abraham: "Er wird auf jeden Fall härter als der erste Fight. Ich habe beim ersten Duell noch nicht alle Pfeile aus meinem Köcher verschossen. Ich werde ihn zerstören."

Dzemski dagegen ist ein Boxen-Versteher. Er ist Lautsprecher, kein Müllredner, kein Großmaul. Er ist ein intelligenter Analyst und herausragender Taktiker, der von seinen Athleten verlangt, dass sie clever boxen: "Das ist manchmal wichtiger als ein guter Punch." In den Rundenpause ist er weniger Motivator als vielmehr ein Vorgesetzter, der seinem Angestellten ganz genau sagt, was er falsch gemacht hat und was er in der nächsten Runde besser machen könnte.

Genau deshalb wurmt Dzemski diese Niederlage im ersten Duell so sehr, deshalb blickt Steiglitz auf dem Plakat so genervt und sagt über den Kampf: "Ich habe alles falsch gemacht." Er wurde nämlich nicht durch die Wucht von Abraham besiegt oder durch einen glücklichen Schlag - er hat verloren, weil er der schlechtere Boxer an diesem Abend war.

Das freilich soll nicht noch einmal passieren: "Wir haben viel analytisch gearbeitet. Ich will nicht verraten, was diesmal anders laufen wird. Aber jeder weiß doch, auch Arthur, dass ich die Gegner über meine Technik, meine Dynamik und meinen Eifer zermürbe."

Der Kampf nicht also nicht nur mit den Fäusten, sondern vor allem im Kopf entschieden werden - interessant ist das allemal. "Robert hat eine neue Taktik. Abraham wird überrascht sein", sagte Dzemski auf der Pressekonferenz. Als Ulli Wegner das hörte, nickte er und sah mit verkniffenen Augen hinüber zu seinem Trainer-Kollegen. Dzemski sah lächelnd zurück. Auch aus diesem Bild hätte man durchaus ein schönes Plakat machen können.

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