WM in Südafrika:Wenigstens Fußball

Im Windschatten der WM 2010 will Südafrika den Breiten- und Jugendsport in den Townships fördern. Er soll vor allem den Kindern helfen, die Armut besser zu ertragen.

Arne Perras

Was sie denn so macht, nachmittags, wenn sie von der Schule nach Hause kommt? Sarah überlegt kurz und sagt dann: "Nichts." Nachmittags, das sei eine blöde Zeit für sie: "Da muss ich sehen, dass ich wegkomme, weil mich sonst meine Mutter verprügelt."

WM in Südafrika: Spaß beim Spiel: Kinder beim Fußball am Rande einer südafrikanischen Township.

Spaß beim Spiel: Kinder beim Fußball am Rande einer südafrikanischen Township.

(Foto: Foto: Getty)

Heute aber, an diesem sonnigen Nachmittag, ist es ein wenig anders für Sarah.

Da spielt die 12-Jährige mit ihren Freundinnen Fußball. Sie lebt in Mamelodi, einer Township in der Nähe von Pretoria. Wer eine Weile mit den Mädchen von der Mahlasedi Masana Schule spricht, der ahnt bald, dass die meisten Schüler hier eine ähnlich schwierige Kindheit durchmachen wie Sarah. Fast 2000 Jungen und Mädchen drängen sich in den Klassenzimmern. Fast alle stammen aus sehr armen Verhältnissen.

Eine Tafel im Schulhof warnt in großen Bildern vor "gefährlichen Gegenständen": Axt, Pistole, Speer, Säureflasche. Schuldirektor Joe Vuma sagt, dass die Armut in dieser Gegend doch häufiger zu "größeren Verhaltensproblemen" bei seinen Schülern führe. Es gibt Probleme mit Drogen und mit Gewalt. "Das sind die Dinge, denen unser Kinder ausgesetzt sind."

Die Familien in der Township Mamelodi sind oft zerrissen, weil Vater oder Mutter weit weg arbeiten. Es gibt kaum Jobs in der Gegend, acht von zehn Bewohner haben keine feste Arbeit, sagt Rektor Vuma. Aber Trinkhallen sieht man fast an jeder Ecke. Da kann man sich vorstellen, dass es gut ist, wenn die Kinder nach der Schule wenigstens Fußball spielen.

Südafrika wird nächstes Jahr die WM ausrichten. Und im Sog des großen Turniers sind viele Sport-Projekte dorthin gewirbelt worden. Der Sport soll helfen, das Elend zu bekämpfen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, noch weiß man nicht, ob der philantropische Elan nach dem Abpfiff des Finales in Johannesburg am 11. Juli 2010 anhalten wird.

Aber zumindest hat Südafrika jetzt eine große Chance, im Windschatten der Profi-Fußballer den Breitensport anzuschieben. Das könnte der ganzen Nation nützen, die immer noch die Wunden aus den Apartheidjahren ausheilen muss. Seit dem Sieg der Demokratie 1994 ist die Kriminalität Südafrikas größtes Problem. Deshalb suchen Entwicklungsstrategen nach Wegen, wie man die Konflikte entschärfen und den sozialen Zusammenhalt im Land stärken kann. Dabei haben sie jetzt den Fußball entdeckt. Das Sportministerium hat angekündigt, dass es den Jugendsport ausweiten wolle, der bislang in Südafrika wenig gefördert wird.

Aber was kann er denn nun ausrichten, der Ball als Therapeutikum? Wenn man Gert Potgieter zuhört, dann wirkt der Ball wie ein wahres Zauberelixier: "Kein Werkzeug ist mächtiger, um die Jugend aufzubauen", sagt der hagere Mann mit der Baseballmütze. Er ist ein Sport-Idol in Südafrika, er war schon bei den Olympischen Spielen 1956 als Hürdenläufer dabei, und er spielte später in der Rugby-Liga.

Jetzt ist er 72 Jahre alt und lebt für seine Mission: Er will den Fußball nutzen, um den Kindern Orientierung für ihr weiteres Leben zu geben: den Glauben an sich selbst stärken, Zuversicht aufbauen. Fairplay und Solidarität, das alles will er fördern - mit dem Ball. Wer es schaffe, bestimmte Regeln auf dem Platz einzuhalten und sich dort ehrlich zu verhalten, der habe auch gute Chancen, das im täglichen Leben hinzukriegen - so sieht das Potgieter.

Und daran arbeitet er. Vielleicht kann man ja, wenn man es geschickt anstellt, während des Trainings noch ein paar andere wichtige Botschaften einstreuen, die im Spiel eher hängen bleiben als im trockenen Schulunterricht: Aufklärung über Aids, zum Beispiel, Alkohol, Drogen.

Die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt das Jugend-Projekt in Mamelodi mit Mitteln der deutschen Entwicklungshilfe, bis 2011 sind das 7,5 Millionen Euro. Sie bildet Trainer für die Kinder aus, hilft dabei, kleine Fußballplätze mit Kunststoffrasen zu bauen, auf denen die Schüler Turniere veranstalten können. Nicht nur in Südafrika, sondern auf dem ganzen Kontinent sollen Sportangebote für die Jugend ausgeweitet werden.

Auch der Weltfußballverband schreibt sich nun Entwicklungshilfe auf die Fahnen. Die Fifa will vorführen, dass man mit dem Ball nicht nur Millionen von Euro einspielen, sondern auch Jugendliche in armen Ländern auf die rechte Bahn lenken kann. Am Dienstag wird Fifa-Chef Sepp Blatter deshalb ein Experten-Forum in Südafrika eröffnen, das solche Ideen diskutiert. "Football for Hope" lautet das Motto.

Wieviel das alles wirklich bringen wird, kann man noch nicht überblicken. Der Fußball allein wird die Nöte in den Townships kaum vertreiben. Aber dass sie Spaß haben, die Mädchen in Mamelodi, das ist gar nicht zu übersehen. Auch Fatima Baloye, kickt gerne mit, und die 13-Jährige hat einen ganz besonderen Plan: Für niemand anderen als "Banyana Banyana" will sie später einmal spielen - das ist Südafrikas Nationalelf der Frauen.

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