WM in Südafrika: Tickets:Festival der Freikarten

Der Verkauf von Tickets für die WM in Südafrika läuft schleppend - der DFB ist für Vorrundenspiele erst etwa tausend Stück losgeworden.

Thomas Kistner

Seit Monaten rumort es im Kreis internationaler Ticket-Agenten, die den Vorverkauf für die Fußball-WM 2010 in Südafrika verfolgen. Angst geht um, das Turnier könne auf ein Besucher-Desaster zulaufen. Nun nimmt diese Befürchtung Gestalt an: Die Fans drängt es längst nicht in angekündigter Zahl (bis zu 450.000 Gäste werden von den Organisatoren erwartet) in den südafrikanischen Winter.

WM in Südafrika: Tickets: Die WM-Veranstalter fürchten ein Besucher-Desaster, die Sicherheitskräfte (hier in Johannesburg) haben möglicherweise ruhige Einsätze vor sich.

Die WM-Veranstalter fürchten ein Besucher-Desaster, die Sicherheitskräfte (hier in Johannesburg) haben möglicherweise ruhige Einsätze vor sich.

(Foto: Foto: AFP)

Bisher ist die Nachfrage alarmierend, besonders bei den Vorrundenspielen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wurde in der am Mittwoch ausgelaufenen Verkaufsrunde für die Tickets seiner Vorrunden-Spiele gegen Australien, Ghana und Serbien nach SZ-Information nur um die tausend Tickets los - für alle drei Matches.

Wenig Nachfrage auch auf der Insel; der englische Verband FA gab bekannt, die Verkäufe liefen schleppend, für alle Spiele seien Karten verfügbar. Die Fan-Plattform englandsfans warnt Käufer ausdrücklich, nur zu bestellen, was sie brauchen, weil für alle Matches genügend Karten frei verfügbar seien. Der niederländische Verband KNVB bat die Fifa sogar, die Verkaufsfrist zu verlängern.

Wenn die drei für ihre reisefrohen Fanscharen bekannten Verbände solche Probleme haben - wie sieht es in Paraguay, Serbien oder Honduras aus? Die Fifa und besonders loyale Mitgliedsverbände wie der DFB, der zudem selbst Knowhow und Manpower in diese WM-Organisation investiert, halten jede Hiobsbotschaft zurück. Das krisenhafte Gesamtbild ergibt sich aber nicht nur aus Zahlen, sondern auch aus widersprüchlichen Darstellungen. So wollte die Fifa am Dienstag auf SZ-Anfrage mit Verweis "auf den laufenden generellen Verkauf keine präzisen Zahlen" liefern. Sie hielt aber fest, dass über ihre Internet-Plattform vor allem Interessenten aus England, den USA und Deutschland fleißig anfragten.

Die Afrikaner kommen nicht

Kaufen Fans aus diesen Ländern plötzlich lieber über die Fifa statt über ihre Nationalverbände? Nicht sehr wahrscheinlich, meint ein erfahrener amerikanischer Ticketagent: US Soccer verkaufe kaum etwas, die erste Internet-Auktion habe "79.000 Ticketverkäufe erbracht, aber das ging an Kartenhändler, die nun auf USA-Algerien und USA-Slowenien sitzen und versuchen müssen, den Gegenwert zu kriegen".

Unter den 48 Erstrunden-Spielen, so analysiert der Experte, seien aus Fan-Sicht "drei große Spiele: England-USA, Holland-Dänemark, Brasilien-Portugal. Es mag noch einige gute Spiele wie Deutschland-Serbien oder Italien-Paraguay geben, aber 160 Dollar dafür ist zu viel." Holland profitiert von der Dänemark-Konstellation, zwei- bis dreitausend Vorrunden-Karten pro Spiel seien verkauft, teilt der KNVB mit. Trotzdem sei die Lage nicht vergleichbar mit den letzten Turnieren, an denen Oranje teilnahm: "Wir mussten um mehr Tickets bitten, jetzt bitten wir um mehr Zeit."

Auch die WM-Agenten rund um den Globus säßen fest auf Karten und Hotelzimmern, sagt der Insider. "Sie verkaufen nicht annähernd wie erhofft in Mexiko, Japan, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. Nur Brasilien läuft." Die Nervosität wachse: Kartenhändler, die Tickets mit Hotels und Flügen verbinden, müssten dem Exklusivpartner der Fifa, der Schweizer Agentur Match, für dieses Recht bis zu 30.000 Dollar zahlen.

Frauen-WM läuft gut

Während fußballverrückte englische Fans irritiert über die Verfügbarkeit von Tickets aller Kategorien debattieren, hüllt sich der DFB in Schweigen. Aus seinen drei Vorrundenspielen stehen ihm je zwölf Prozent der Tickets zu, insgesamt fast 21.000 Karten. Die Frage nach der bisherigen Resonanz dieses Vorverkaufs wird jedoch als Indiskretion behandelt: "Wir werden uns über Zahlen und Resonanz erst nach Ablauf der Frist am 13. Januar äußern," teilte der Verband am Tag vor dem Fristablauf mit. Aber auch danach werde es so schnell keine Informationen geben: "Einen genauen Termin dafür können wir derzeit nicht nennen."

Nicht dementieren wollte der DFB die Frage, ob es zutreffe, dass insgesamt "für alle drei deutschen Spiele bisher keine vierstellige Anzahl an Tickets verkauft worden" sei. Er verwies dazu nur auf die vorherige Antwort. Jedoch ist es nicht so, dass der Verband grundsätzlich eine Geheimhaltung bei Fragen des WM-Ticketings pflegt. "Das WM-OK 2011 hat bisher 160.000 von 700.000 frei verfügbaren Tickets verkauft", verkündete er in derselben Mitteilung am Dienstag - jedoch auf die Frage, wie der Verkauf für die Frauen-WM 2011 in Deutschland laufe.

Gibt es Genehmes zu vermelden, sind die Zahlen flott zur Hand. Auch die Fifa sendet nur ermutigende Signale. Die Frage, ob sich der Angriff auf das Team Togos beim Afrika-Cup auf den Kartenverkauf auswirke, ignorierte sie, dafür teilte sie mit: "Was wir sagen können ist, dass wir in dieser Verkaufsphase einen signifikanten Interessensanstieg bei den südafrikanischen Fans verzeichnet haben."

Das ist eine verblüffende Beobachtung. Am selben Tag hatte Danny Jordaan, Chef der südafrikanischen Organisation LOC, bei einer Pressekonferenz in Johannesburg das Gegenteil erzählt: "Erstmals in der WM-Geschichte wird der Gastgeber nicht die Kartenverkaufsliste anführen. Traurigerweise ist Südafrika nicht mal unter den ersten zehn." Jordaan rief erneut die Landsleute auf, Karten zu kaufen. "Es wäre tragisch, wenn dieser Trend anhalten sollte."

Tragisch auch der generelle Trend auf dem Kontinent: Bisher sind weniger als 100.000 Tickets an alle sechs afrikanischen Teilnehmer verkauft, Jordaan reist nun nach Angola, um die WM-Party zu retten. Beim Afrika-Cup will er Offizielle von Ghana, Kamerun, Elfenbeinküste, Algerien und Nigeria beschwören. "Diese WM soll eine afrikanische WM werden, doch bisher wollen alle Beteiligten nicht zum Fest kommen." Die Verbände sollen in ihren Ländern "den Verkauf ankurbeln und ihre Fans herbringen". Größte Sorge sei aber das Desinteresse der Südafrikaner an ihrer Bafana-Auswahl. Dabei war bekannt, dass die Preise für die Verhältnisse am Kap zu teuer sind.

Generell, sagt Jordaan, sei er mit dem bisherigen Verkauf zufrieden, von 3,1 Millionen Tickets sei gut eine Million verkauft. Doch das ist nur ein Drittel, darin enthalten womöglich 120.000 Freikarten, die Fifa und LOC für arme Zielgruppen in Südafrika bereitgestellt haben. Diese Kosten von 20 Dollar pro Stück tragen WM-Sponsoren. Die übrigens selbst Zurückhaltung üben, wie es in Verkäuferkreisen heißt. Manche Ticketagenten gehen davon aus, dass die Sponsoren nur 40 Prozent der 550.000 Karten in Anspruch nehmen, die ihnen zustehen. Viele Sponsorentickets landeten zwar auch bei der WM 2006 im Straßenverkauf - diesmal droht aber offenbar eine Schwemme. Und eine WM, die zum Festival der Freikarten wird.

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