WM-Gastgeber Brasilien:Erholung vom Patron

Jeder weiß, dass Brasilien noch allerhand zu tun hat bis zum WM-Anpfiff in 27 Monaten - die Probleme reichen von chaotischen Flughäfen über fehlende Hotels bis zu streikenden Arbeitern in Stadien. Nun tritt Brasiliens Fußballchef Teixeira den Rückzug auf Raten an, es scheint das Ende einer bizarren Ära zu sein.

Peter Burghardt, Rio des Janeiro

Brasiliens Sportminister ist schwer beschäftigt, es sind aufregende Tage. Aldo Rebelo war Parlamentspräsident, kämpfte für die Reinheit der portugiesischen Sprache und ein skandalöses Waldgesetz, jetzt ist der Kommunist im Dschungel von Fußball-Weltmeisterschaft und Olympischen Spielen unterwegs. Noch zwei Jahre bis zur WM, vier Jahre bis zu Olympia - und so viel Ärger.

Medien: Brasiliens Fussballchef Teixeira wegen Krankheit beurlaubt

Brasiliens Fussballchef Ricardo Teixeira hat sich Medienberichten zufolge wegen gesundheitlicher Probleme auf unbestimmte Zeit beurlauben lassen.

(Foto: dapd)

Als Rebelo an diesem sonnigen Freitagmorgen zum Pressegespräch einen Büroturm im Zentrum von Rio de Janeiro betritt, sieht er müde aus. Erst musste sich der hagere Mann über den unverschämten Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke aufregen, ihn zur Persona non grata erklären und seine Entschuldigung annehmen. Valcke hatte gesagt, Brasilien brauche wegen seiner verspäteten WM-Vorbereitungen "einen Tritt in den Hintern". Und nun ist Rebelo vermutlich der Organisationschef abhanden gekommen, was ihm indes recht sein dürfte.

Der OK-Vorsitzende Ricardo Teixeira nahm sich am Donnerstag für zunächst 30 Tage als Präsident des brasilianischen Fußball-Verbandes CBF frei und zieht aus Rio in sein Ferienhaus nach Miami, offiziell wegen seiner angeschlagenen Gesundheit. Vize José María Marin, 79, vertritt den Patron vorerst nur vorüber- gehend, doch dies scheint das Ende einer bizarren Ära zu sein.

Seit 1989 ist Teixeira, 64, der Herr über die Seleção, wobei ihm sehr entgegen kam, dass er Schwiegersohn des damaligen Fifa-Granden Joao Havelange war. In den 23 Jahren wurde Brasilien zweimal Weltmeister, 1994 und 2002, und bekam die WM 2014 zugesprochen. Doch längst ist Teixeira von Havelanges Tochter geschieden sowie entzweit mit der Regierung und seinem vormaligen Fifa-Amigo Joseph Blatter. Zuletzt war immer öfter von Rücktritt die Rede. Die Lizenz zur Erholung könnte der Versuch sein, sich halbwegs elegant aus dem Amt zu stehlen.

Normalerweise wäre Teixeira ja ein Fall für die Gerichte, seine Korruptionsskandale sind notorisch. Derzeit geht es um mutmaßliche Schmiergelder für das Freundschaftsspiel 2008 gegen Portugal in Brasilia, für das der Staat 8,5 Millionen Reáis bezahlen musste, 3,7 Millionen Euro. In die Affäre involviert ist auch der Präsident des FC Barcelona, Teixeiras Partner Sandro Rosell. Da macht sich Teixeira vermutlich rechtzeitig aus dem Staub, ehe der Richter ruft. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff kann ihn nicht ausstehen.

Brasilien hat allerhand zu tun

Der eisernen Presidenta sind Kleptomanen zuwider, sie hat schon mehrere bestechliche Minister ausgewechselt, darunter den Ressortleiter Sport. So kam Aldo Rebelo als Nachfolger von Orlando Silva im Oktober 2011 zu seinem Job. 2001 war der frühere Journalist Rebelo Vorsitzender der Parlamentarischen Untersuchungskommission, die Teixeiras Riege prüfte, die Juroren nannten den Verband CBF damals "einen Hort von Verbrechen und Lüge".

Teixeira schaffte es 2002 trotzdem, das Erscheinen von Rebelos Enthüllungsbuch "CBF-Nike" über die Verträge mit dem US-Sponsor zu verhindern - Rebelo bezeichnete das in der Zeitung O Globo jüngst als Zensur. Zu Teixeiras Auszeit wollte er im Gespräch mit Auslandskorrespondenten nichts sagen, "da mischt sich die Regierung nicht ein".

Die Einmischung des Weltverbandes Fifa jedoch muss sich der Nationalist Rebelo weiterhin gefallen lassen. Blatters Vorstopper Valcke bat in einem Brief um Pardon für seine sprachliche Verirrung, der Tritt ins Gesäß kam im stolzen Brasilien so gut an wie warmes Bier. Rebelo erteilte dem reuigen Franzosen notgedrungen eine Absolution, wundert sich aber weiterhin über dessen "Ausdruck, den die gute Erziehung nicht empfiehlt".

Jeder weiß, dass Brasilien noch allerhand zu tun hat bis zum WM-Anpfiff in 27 Monaten. Die Probleme reichen von chaotischen Flughäfen über fehlende Hotels bis zu streikenden Arbeitern in Stadien, OK-Mitglied Ronaldo alias "Fenômeno" schloss sich der Fifa-Kritik an.

Rebelo glaubt, dass die 52 Bauwerke fertig werden, "Brasilien hat schwierigere Dinge geschafft als WM und Olympia". Die Unabhängigkeit ist sein Lieblingsthema, europäischen Talentsuchern wirft er "koloniales Benehmen" vor, das passt auch für die Fifa. Am Freitag sah sich der Politiker das runderneuerte Maracanã-Stadion an.

Präsidentin Rousseff will bald Fifa-Präsident Blatter empfangen, am Montag wird der ungezogene Fifa-Aufseher Jérôme Valcke in Brasilien erwartet. Ob der Streit Spuren hinterlassen habe? "Werden wir nachher sehen", antwortete Rebelo. Akzeptiert er Valcke wieder als Gesprächspartner? Der Minister zögerte. Freunde werden die zwei wohl nicht mehr.

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