US-Team bei WM:Ausrufezeichen der Pionierinnen

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Gehen nicht nur auf dem Platz voran, sondern auch im Kampf um gleiche Rechte: Alex Morgan (li.) und Megan Rapinoe. (Foto: REUTERS)
  • Das US-Team weist beim 13:0 gegen Thailand die Favoritenrolle nach.
  • Die Spielerinnen kämpfen aber nicht nur um den Titel, sondern auch gegen den eigenen Verband.
  • Die besten Spielerinnen, Alex Morgan und Megan Rapinoe, gehen im Kampf um Gleichberechtigung voran.

Von Anna Dreher, Reims/Lille

Zwölfte Minute Alex Morgan, 20. Minute Rose Lavelle, 32. Minute Lindsey Horan, kurze Verschnaufpause. 50. Minute Samantha Mewis, 53. Minute Morgan, 54. Minute Mewis, 56. Lavelle, noch mal Luft holen. 74. Minute Morgan, 79. Minute Megan Rapinoe, 81. Minute Morgan, 84. Minute Mallory Pugh, 87. Minute Morgan, 92. Minute Carli Lloyd. Schlusspfiff. Ausrufezeichen. Rekord.

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Wenn die Thailänderinnen in ein paar Wochen den Anstoß des Finales als Zuschauerinnen beobachten, werden sie im letzten Spiel dieses Turniers womöglich jenen Gegner sehen, der ihnen schon bei ihrem ersten gegenüberstand. Und vielleicht hilft das, zu verarbeiten, was am Dienstagabend vor 18 591 Zuschauern im Stade Auguste-Delaune von Reims passiert ist. Sie trafen gleich auf einen der Favoriten, waren deutlich unterlegen, völlig überfordert und irgendwann einfach nur hilflos. Fans weinten, Spielerinnen weinten. Als das Team am Ende zur Tribüne lief und sich alle gegenseitig beklatschten, zeigten sie, dass der Sport auch in Niederlagen noch eine schöne Seite haben kann. Aber das hat natürlich nur ein bisschen getröstet.

Für die USA war dieses 13:0 (3:0) genau der Start, den sich das namhafte Team gewünscht hatte. Die Mannschaft von Jill Ellis konnte sich fast schon wie im Rausch ins Turnier spielen, um mit großer Präsenz und Kompromisslosigkeit ein Signal an die Konkurrenz zu senden. Jedes Tor bejubelten die USA so freudig, als sei es das entscheidende. "Es geht um die Mentalität und Selbstvertrauen, also ist es wichtig, gut zu starten. Es geht auch darum, ein Momentum aufzubauen", sagte Ellis. "Aber die Wahrheit ist, dass wir auch glauben, dass wir noch mehr machen müssen. Wir werden bescheiden bleiben und uns zurück an die Arbeit machen."

Thailand ist als Gegner kein Maßstab. Aber dieses 13:0 ist nun der höchste WM-Sieg seit dem 11:0 Deutschlands gegen Argentinien bei der WM 2007 - am Ende wurden die Fußballerinnen des DFB Weltmeister. So etwas motiviert. "Wir wollen alle Weltrekorde", sagte Kapitänin Megan Rapinoe, "und die Deutschen lassen wir natürlich immer gerne hinter uns." Für die statistikversessene Nation war es ein interessantes Spiel, unter einigen Bestmarken stachen die fünf Tore von Alex Morgan hervor, zuletzt hatte das bei einer Fußballweltmeisterschaft 1991 die US-Amerikanerin Michelle Akers geschafft.

Der Name der 29 Jahre alten Morgan ist es auch, der ganz oben gelistet ist bei der Sammelklage, die für viel Aufsehen gesorgt hat. Am Weltfrauentag hatten 28 Nationalspielerinnen - angeführt von Morgan und Rapinoe - den US-Fußballverband wegen Diskriminierung verklagt, weil sie nur 38 Prozent des Männerlohns erhalten. Es geht ihnen aber nicht ausschließlich um gleiche Bezahlung, sondern um Unterstützung, um infrastrukturelle Bedingungen. Berechtigte Forderungen, die inzwischen auch Nationalteams wie Dänemark oder Norwegen gestellt haben. Bei den USA ist die Diskrepanz deswegen so krass, weil die Frauen als dreimalige Weltmeisterinnen und viermalige Olympiasiegerinnen deutlich erfolgreicher sind als die Männer. Das Zuschauerinteresse ist größer, sie bringen dem Verband mehr Geld. Die US-Fußballerinnen nehmen dadurch eine ganz eigene Position im globalen Kampf um Veränderungen ein. "Wir sehen uns als Pionierinnen im Frauenfußball", sagte Morgan. "Und wir wollen weitermachen, hier Grenzen zu verschieben."

Morgan und Rapinoe gehören zu den weltweit bekanntesten Fußballerinnen. Sie nutzen ihre Popularität und die Reichweite ihrer Aussagen, um sich für gesellschaftspolitische Themen einzusetzen. Rapinoe, 33, schloss sich beispielsweise 2016 dem Protest des Profi-Footballers Colin Kaepernick gegen Rassismus und Polizeigewalt an. Sie kniete sich während der Hymne bei Länderspielen hin, wurde ausgeschlossen und erst wieder eingeladen, als der Kniefall offiziell vom Verband untersagt wurde. Inspiriert hat sie damit nicht nur ihre Kolleginnen.

Sie alle wollen mit den USA ihren Titel verteidigen, klar. Aber es geht ihnen eben um mehr als den sportlichen Erfolg. Dem Gewinn der Trophäe kommt bei diesem Turnier eine besondere Bedeutung zu. Und die Ausgangslage, ihre Forderungen damit zu unterstreichen, ist nicht schlecht.

Bei den Olympischen Spielen 2016 war überraschend im Viertelfinale Schluss. Dann aber begann eine Serie von 28 Partien ohne Niederlage bis zum 1:3 im Januar gegen Frankreich. Von zehn Spielen vor Turnierstart wurden sieben gewonnen. Dass die frühere Weltklasse-, aber auch umstrittene Torhüterin Hope Solo, 37, die bei dieser WM als BBC-Expertin arbeitet, zuletzt harsche Kritik an den Fähigkeiten der Nationaltrainerin übte, sorgte öffentlich für Wirbel. Ellis selbst aber reagierte gelassen: "Mein Fokus liegt auf den Spielerinnen, die jetzt hier sind." Die 52 Jahre alte gebürtige Britin hat von einem 4-4-2- auf ein 4-3-3-System umgestellt, um die hochveranlagte Offensive zu betonen, wie sie sagt. Zwölf ihrer Spielerinnen sind 2015 schon Weltmeister geworden und immer noch außergewöhnliche Fußballerinnen mit einem Selbstbewusstsein, das sich viele andere wünschen würden - auf und neben dem Platz.

© SZ vom 13.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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