Süddeutsche Zeitung

WM-Finale 1974:Deutschland war besser!

Experten haben es wissenschaftlich bewiesen: Die deutsche Nationalelf hat 1974 den Titel nicht mit Glück gewonnen, sondern weil sie die bessere Mannschaft war.

Über einen historischen Irrtum breitet sich nach 32 Jahren der Mantel der Fußballgeschichte: Deutschland war beim 2:1-Sieg gegen die Niederlande im Finale der Fußball-WM 1974 doch die bessere Mannschaft. Zwar glaubte ganz Holland jahrzehntelang an die Überlegenheit der "Oranjes" und selbst Mitglieder der deutschen Weltmeister-Mannschaft wie Paul Breitner und Günter Netzer räumten diese freimütig ein, doch Wissenschaftler widersprechen.

"Deutschland war besser", fasste Gerard Sierksma, Professor an der niederländischen Rijksuniversiteit Groningen die Ergebnisse einer Studie am Donnerstag in Münster zusammen. Und: "Terrier" Berti Vogts hat mit seinem herausragenden Abwehrverhalten den Grundstein für den Sieg gelegt.

Sierksma und sein Team haben gemeinsam mit dem niederländischen Unternehmen Team Support Systems ein System entwickelt, wie sowohl die Qualität einer Fußball-Mannschaft als auch die der einzelnen Spieler untersucht werden kann - und das in Echtzeit. Die Wissenschaftler sind jetzt in der Lage, bereits eine Minute nach einem Spiel eine umfassende Analyse anzubieten. Kriterien sind die Zahl der Ballkontakte, die Qualität der Pässe oder das Abwehrverhalten. Auf 40 bis 80 Aktionen pro Spieler werden Noten von eins bis fünf verteilt - von ausgezeichnet bis nicht ausreichend.

Einser und Fünfer wiegen schwerer als Zweier und Vierer, diese schwerer als neutrale Dreier. Auf diese Weise werden Gesamtnoten auf einer Skala von eins bis zehn errechnet.

Aus der Elf von Bundestrainer Helmut Schön ragte demnach als bester Spieler auf dem Platz Verteidiger Vogts (Gesamtnote 6,9) heraus, der die antürmenden "Oranjes" einfach nicht zum Zuge kommen ließ. Der viel umjubelte Torschütze zum 2:1-Siegtreffer, Gerd Müller, kam dagegen ebenso wie der als "Retter" gefeierte Torwart Sepp Maier viel schlechter weg. Für den "Bomber der Nation" errechneten die Statistiker die Gesamtnote 5,5 für Maier und Uli Hoeneß die 5,8.

Vogts Abwehrkollege und Elfmeter-Schütze Paul Breitner (6,8) sowie Rainer Bonhof (6,8), der mit seinem Flankenlauf Müllers Siegtor vorbereitet hatte, waren deutlich effektiver. Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs, "Kaiser" Franz Beckenbauer, kam auf Note 6,3.

Bei den Holländern war nach Überzeugung der Wissenschaftler die schlechte Tagesform von Superstar Johan Cruijff für die Niederlage mit entscheidend. "Vor allem in der zweiten Halbzeit war er nicht in Bestform", sagte Gert Jan Wormmeester von Team Support Systems. Aber besonders ein Aspekt überraschte die Wissenschaftler selbst: Mit Rob Rensenbrink, Ruud Krol, Arie Haan, Wim Jansen und Theo de Jong schafften fünf Spieler der angeblich "besten Mannschaft des Turniers" nicht die Note ausreichend. "Das war ausschlaggebend", sagte Professor Sierksma. Die Holländer seien nur die erste Viertelstunde klar besser gewesen, fast über den gesamten weiteren Spielverlauf sei aber das DFB-Team überlegen gewesen. "Als die Niederlande zum Schluss nochmal Gas gaben, war es zu spät", sagte Wormmeester.

Für die am Donnerstag verkündeten Ergebnisse der Studie - da ist sich Wormmeester sehr sicher - werden er und sein Team zu Hause in Holland kräftig Prügel beziehen. "Es tut weh, aber es ist die Wahrheit", verteidigte er sich und seine Mitstreiter. Bei der bevorstehenden WM wollen Wormmeester und Sierksma alle 64 Partien analysieren und die Ergebnisse über die niederländischen Medien veröffentlichen. Künftig soll es sogar möglich werden, erste Analysen 30 Minuten nach Anpfiff auf die Trainerbank zu übermitteln. Für Bondscoach Rinus Michels wäre am 7. Juli 1974 ein solcher Hinweis sicher Gold wert gewesen.

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