Deutschland bei der Eishockey-WM:Ein Schlag mit Taubenus' Keule
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Das 1:6 gegen die USA trifft die deutsche Eishockey-Mannschaft bei der WM knüppelhart. Um gegen Schweden nicht in dieselbe Falle zu tappen, muss das Team schlauer spielen.
Die psychologische Kriegführung ist eine riskante Taktik. Nachzulesen in "Streit um Asterix", wenn der römische Zwietrachtler Tullius Destructivus (giftgrüne Sprechblasen!) das gallische Dorf mit Neid und Misstrauen zu infiltrieren versucht. "Du hast alle erforderlichen Eigenschaften, um an der ersten Offensive im psychologischen Krieg teilzunehmen", flötet er dem Legionär mit dem sprechenden Namen Taubenus ins Ohr. Allerdings versteht Taubenus, ein tumber Tor mit "Gorillagesicht und Schweinsäuglein" (Zeugenaussage René Goscinny), die Taktik von Destructivus nur so viertel bis halb - und streckt seine eigenen Kameraden reihenweise mit dem Knüppel nieder.
Das 1:6 gegen die USA, nur einen Tag nach dem beeindruckenden 6:4-Sieg zum WM-Auftakt in Ostrava gegen die Slowakei, traf die deutschen Eishockeyspieler wie ein Schlag mit Taubenus' Keule. Zum Glück arbeiten sie bei der Nationalmannschaft aber mit feineren Methoden. Tom Kossak, der Münchner Sportpsychologe, der das Team von Bundestrainer Harold Kreis schon 2023 auf dem Weg zu WM-Silber betreute, erzählte, vor dieser Weltmeisterschaft sei die Hauptaufgabe gewesen, den Spielern die Last der Erwartungen zu erleichtern. Denn die erste deutsche WM-Medaille seit 70 Jahren hat nicht nur die Aufmerksamkeit gesteigert, sondern auch die Ansprüche. Jene von außen (Fans, Medien), aber auch jene der Spieler an sich selbst.
"Wir haben es ihnen zu einfach gemacht", sagt Kapitän Müller
Die Verarbeitung des 1:6 gegen die USA, einen Favoriten auf den Titel, begann sogleich nach der Schlusssirene. "Es gilt, das Spiel abzuhaken, zu analysieren, mental neue Kraft aufzuladen und dann am Montag wieder anzugreifen", sagte Kapitän Moritz Müller. Schließlich wartet am Montag (20.20 Uhr, Pro7 und Magentasport) mit den Schweden schon der nächste grobe Klotz.
Müller, der in nun 206 Länderspielen bewanderte Veteran, versuchte es mit der Technik der Verdrängung: "Heute hat etwas gefehlt", sagte der 37-Jährige: "Das Ergebnis fällt vielleicht etwas zu hoch aus. Aber wir haben gesagt, wir wollen nicht zu sehr auf Ergebnisse schauen." Das war eine kleine Notlüge, eine white lie, wie man im englischen Sprachraum sagt, und auch Müllers Einlassung kam in unschuldigem Weiß daher. Und sie war recht leicht als Schutzbehauptung zu dechiffrieren. Nach dem 4:3 im abschließenden Testspiel vor der WM gegen Frankreich war Müller gefragt worden, wie wichtig dieser Erfolg - der dritte bei fünf Niederlagen - sei. Nun sind Testspiele Partien mit bedingter Aussagekraft, aber Müller antwortete ehrlich: "Hätten wir verloren, hätte ich gesagt: nicht so wichtig." Mit einem Sieg im abschließenden Vorbereitungsspiel reist es sich leichter zu einem Turnier. Siege sind gut für die Psyche.
Andererseits geht nach einer Niederlage, zumal gegen ein mit 21 Spielern aus der NHL gespicktes Team USA, die Welt nicht sofort unter. Johnny Gaudreau (Columbus), Seth Jones (Chicago), Trevor Zegras (Anaheim) oder Kapitän Brady Tkachuk (Ottawa), der Schütze des richtungsweisenden 1:0: "Das sind nicht irgendwelche NHL-Spieler, das sind Topstars", sagte Verteidiger Kai Wissmann, als Kapitän beim deutschen Meister Berlin ein Experte auf dem Gebiet der Teamführung. Wissmann sagte aber auch: "Das Spiel ist vorbei, wir können es nicht mehr ändern. Ob wir 2:1 verlieren oder 6:1 - wir haben so oder so null Punkte." Beziehungsweise drei aus dem Spiel gegen die Slowakei, gut für den Hinterkopf. Im vergangenen Jahr kassierte die deutsche Mannschaft zum Auftakt drei Niederlagen und stand erheblich mehr unter Druck.
Drei Sekunden vor der Pause fällt das 1:4: "Doofes Timing", sagt Kai Wissmann
Nach der ersten Druckwelle der Amerikaner war das deutsche Team besser ins Spiel gekommen. Wojciech Stachowiak traf den Pfosten, Leo Pföderl zeigte ein technisches Kabinettstückchen, das Schussverhältnis nach zwei Dritteln war nahezu ausgeglichen, 26:22 für die USA. Der Spielstand nach 40 Minuten aber lautete aus deutscher Sicht 1:4. "Wir haben es ihnen zu einfach gemacht", sagte Kapitän Müller. Dazu kam Pech: Als Yasin Ehliz den Puck zum 1:3 über die Linie gearbeitet hatte und die Deutschen sich für das letzte Drittel einstimmen wollten, fiel drei Sekunden vor der Pausensirene das 1:4, zum oft bemühten psychologisch ungünstigen Zeitpunkt. "Das war ganz doofes Timing", sagte Kai Wissmann. Das letzte Drittel war dann nur mehr Schadensbegrenzung.
Die Verteidiger Fabio Wagner und Maksymilian Szuber sowie NHL-Stürmer Nico Sturm hatten aus dem grimmigen Duell mit den Slowaken Blessuren davon getragen und waren gegen die USA nicht einsatzbereit. Aber Bundestrainer Kreis wollte deren Fehlen nicht zum Thema machen. Erstens: keine Ausreden. Zweitens: die Nachrücker nicht diskreditieren.
Kreis, der ehemalige Verteidiger, wählte einen offensiven Ansatz der Konfliktbewältigung: gestehen und Besserung geloben. "Wir hatten heute Mühe mit unserer Balance zwischen Offensive und Defensive, wir sind zu viel der Scheibe hinterhergelaufen", sagte er. Die USA verstünden es, das Spiel zu beschleunigen und es zu entschleunigen. Genau so lockten sie sein Team in die Falle.
"Das war nicht unser bester Tag", sagte Kreis. Aber am Montag ist ein neuer. "Das Spiel gegen die Amerikaner war eine gute Vorbereitung auf die nächste Begegnung gegen Schweden", sagte Kreis. Das klang bemerkenswert selbstbewusst. Schweden, der elfmalige Weltmeister, hat seit 32 Jahren kein WM-Spiel mehr gegen Deutschland verloren, für das DEB-Team stehen überhaupt nur zwei Siege in 37 WM-Duellen in den Büchern. Aber vorbei ist vorbei. "Was früher war, war früher", erinnerte Kai Wissmann: "Natürlich gehen wir nicht als Favorit ins Spiel, da muss man realistisch bleiben. Wir brauchen von jedem Spieler seinen besten Tag, und mit ein bisschen Glück haben wir dann eine Chance, das Spiel zu gewinnen." So wie 2018, als die Deutschen auf dem Weg zur historischen Silbermedaille den damaligen Weltmeister im olympischen Viertelfinale 4:3 bezwangen.
"Wir kriegen das wieder hin", beteuerte Harold Kreis, "es ist ein langes Turnier". Zwar meinte der Bundestrainer die Verletzungen von Wagner, Szuber und Sturm. Aber der Psychologe Kreis klang dabei grundsätzlich konstruktiv.