WM-Duelle zwischen Deutschland und Frankreich:"Die Jacketkronen bezahle ich ihm gerne"

World Cup 2014 - Schumacher jubelt

Er zählt zu den großen Gewinnern des WM-Halbfinales 1982: Toni Schumacher hält zwei Elfmeter gegen Frankreich und behauptet sich auch im Zweikampf.

(Foto: dpa)

Dreimal traf die DFB-Elf bei einer Fußball-WM auf Frankreich. Nicht immer stand das Ergebnis im Vordergrund. Es gab Traumtore, Rekorde - und einen Franzosen, der zum Zahnarzt musste. Ein Rückblick.

Von Andreas Babst und Benjamin Romberg

1958, Schweden, Spiel um Platz 3:

Wer meint, die Bedingungen in Brasilien wären unangenehm für die Spieler, der sei an die WM 1958 erinnert. Schon die Anreise nach Schweden hat es in sich: Am 2. Juni um 6:56 Uhr steigt die deutsche Mannschaft am Hamburger Bahnhof in den Zug nach Großenbrode an der Ostsee. Von dort geht es mit Bus und Fähre weiter. Besonders erschwerlich ist das häufige Umsteigen für Fritz Walter und Helmut Rahn, zwei von nur vier übriggebliebenen Helden, die im Finale von Bern 1954 auf dem Platz gestanden hatten. Sie kommen zu spät und müssen nun zur Strafe ihre Koffer mitschleppen. Ähnlich holprig verläuft dann auch das Turnier für die Deutschen - und im Halbfinale gegen Schweden ist schließlich Schluss.

Allerdings nicht ganz. Es muss noch der dritte Platz gegen Frankreich ausgespielt werden, eine Partie, der die Deutschen nicht mehr allzu viel Bedeutung beimessen. Trainer Sepp Herberger entsendet sein letztes Aufgebot auf den Platz. Vorher schickt er seine Männer aber noch zum Einkaufen. 10 DM Taschengeld hatte jeder Spieler vor dem Turnier bekommen, genug, um ein hübsches Souvenir zu erstehen. Die meisten entscheiden sich für einen Aschenbecher.

Das Spiel selbst ist dann mit den Geschichten zweier Männer verbunden. Auf der einen Seite Just Fontaine, ein besonders torgefährlicher Franzose. Auf der anderen Heinrich Kwiatkowski, gebürtiger Gelsenkirchener, in Dortmund aber dennoch verehrt, Spitzname: "der Heini". Fontaine erzielt beim 6:3-Sieg der Franzosen seine Treffer 10, 11, 12 und 13 im Turnier - ein Rekord, der bis heute hält. Und auch dem deutschen Ersatztorhüter Kwiatkowski wiederfährt rekordverdächtiges in seinem zweiten Länderspiel. Das erste hatte er 1954 in der WM-Vorrunde gegen Ungarn bestritten, Endstand: 3:8. Somit summierte sich die Zahl seiner Gegentreffer nach zwei Spielen auf 14. Herbergers Händchen bei den Einsatzzeiten seiner Torleute scheint die Beziehung zu Kwiatkowski nachhaltig belastet zu haben. Der beschrieb das Verhältnis zu seinem Trainer mal als "eher lose".

1982, Spanien, Halbfinale:

Eigentlich sollte die Aufholjagd der deutschen Nationalmannschaft in der Nachspielzeit die Erinnerung an das Duell der beiden Teams am 8. Juli 1982 in Sevilla prägen. Oder die Dramatik des anschließenden Elfmeterschießens. Doch was bleibt, ist vor allem die Attacke des deutschen Torwarts Harald Schumacher gegen Patrick Battiston. Gerade eingewechselt, läuft der Franzose in der 57. Minute auf das Tor zu - Schumacher stürmt heraus, kümmert sich aber weniger um den Ball als um den Gegenspieler, dem er aus vollem Lauf ins Gesicht springt. Battiston erleidet eine schwere Gehirnerschütterung, einen Halswirbelbruch und verliert zwei Zähne. Die Aktion bleibt ungeahndet.

Als Schumacher nach dem Spiel von einem Reporter auf die Verletzung des Gegenspielers angesprochen wird, erklärt er lapidar: "Wenn es nur die Jacketkronen sind - die bezahle ich ihm gerne." Der Ausspruch sei nicht hämisch gemeint gewesen, beteuert der deutsche Torwart später, dennoch sorgt er für große Irritation in Frankreich. Kanzler Helmut Schmidt und Frankreichs Präsident François Mitterrand geben sogar eine gemeinsame Presseerklärung ab, um die Wogen zu glätten.

Doch nicht nur wegen Schumachers Attacke entwickelt sich ein intensives Spiel. Nach 90 Minuten steht es 1:1 - Verlängerung. Frankreich dominiert, führt nach Toren von Marius Trésor und Alain Giresse nach 98 Minuten schon 3:1. Bundestrainer Jupp Derwall riskiert noch einmal alles, kurz zuvor hatte er den angeschlagenen Kapitän Karl-Heinz Rummenigge für Hans-Peter Briegel gebracht. Rummenigge braucht nur wenige Minuten für den Anschlusstreffer. Sechs Minuten später, in der 108. Spielminute, der zweite große Moment in dieser Partie: Eine Flanke von Pierre Littbarski segelt in den Strafraum, Horst Hrubesch köpfelt zurück an den Fünfmeterraum, dort steht Klaus Fischer mit dem Rücken zum Tor, schaut kurz hoch, wagt den Fallrückzieher und trifft den Ball perfekt. Ausgleich. Es kommt zum Elfmeterschießen. Schumacher hält zwei französische Elfmeter, Deutschland zieht ins Finale ein.

Immer wieder Schumacher

WM 1986, Mexiko, Halbfinale:

Vier Jahre nach der denkwürdigen Nacht von Sevilla trifft die deutsche Nationalmannschaft im Halbfinale schon wieder auf Frankreich. Auch diesmal steht Torwart Harald Schumacher im Fokus - jetzt aber nur aufgrund seiner sportlichen Leistung. Er pariert gegen dauerhaft anstürmende Franzosen einen Schuss nach dem anderen. Schumachers Gegenüber Joël Bats sieht in Frankreichs Tor weniger gut aus. In der neunten Minute lässt er einen harmlosen Freistoß von Andreas Brehme durchrutschen und liefert so den Grund für das anschließende Offensivspektakel seiner Vorderleute.

80 Minuten lang müssen sich die Deutschen auf ihre Innenverteidiger Ditmar Jakobs, Norber Eder und Karlheinz Förster verlassen. Und eben auf den Torwart: Schumacher rettet gegen Yannick Stopyra nach dessen wunderbarem Dribbling. Schumacher hat ein bisschen Glück, als er einen Ball vor die Füße von Maxime Bossis abwehrt. Dieser vermag allerdings den Ball nicht im leeren Tor unterbringen. Schumacher ist der Ausgangspunkt für den entscheidenden Konter in der 90. Minute. Weiter Abwurf auf Klaus Allofs, der spielt zu Rudi Völler und dieser lupft den Ball über den weit aus seinem Tor geeilten Bats - 2:0. Deutschland steht schon wieder im Finale.

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