WM 2010: Doping:Der sanfte Jäger

Die Fifa berichtet stolz, dass alle Dopingtests bei dieser WM negativ sind. Der oberste Dopingjäger Südafrikas glaubt, dass es nicht einfach sei, unbemerkt zu betrügen. Ein Besuch im WM-Dopinglabor in Bloemfontein.

Thomas Hummel

Pieter van der Merwe glaubt an den Sport. "Wir sind nicht weit entfernt davon, einen reinen Sport zu haben", sagt er. Nun ja, es werde immer Athleten geben, die betrügen wollen. "Aber ich glaube nicht, dass es sehr einfach ist." Pieter van der Merwe ist Chef des einzigen Dopinglabors in Südafrika und damit erster Betrugsermittler dieser Fußball-Weltmeisterschaft.

WM 2010: Doping: Pieter van der Merwe, Südafrikas oberster Dopingfahnder, glaubt an reinen Sport bei dieser WM.

Pieter van der Merwe, Südafrikas oberster Dopingfahnder, glaubt an reinen Sport bei dieser WM.

(Foto: afp)

Eine halbe Stunde vor dem Termin ruft der Doktor der Chemie noch einmal an, damit die deutschen Gäste bestimmt den Weg finden zu seinem gelben Backsteinbau auf dem Gelände der Free-State-Universität in Bloemfontein. Dann wartet er unten auf dem Parkplatz und führt sie in sein Labor. Pieter van der Merwe ist 60 Jahre alt, doch man würde ihm ohne weiteres zutrauen, ein Rugby-Ei unter die Brust zu klemmen und damit auf eine gegnerische Abwehrreihe zuzusprinten. Die Muskeln zeichnen sich noch deutlich ab, er steht gerade und fest wie ein Baum und der Händedruck verrät, dass er ein Rugby-Ei sehr fest unter die Brust klemmen kann. Dennoch ist van der Merwe kein harter Mensch, im Gegenteil, wenn er lacht, zeichnen sich überall nette Falten ab. Es ist ein weiches Lachen.

Am Sonntag gab die Fifa die Ergebnisse seiner Tests bekannt. Der Chef-Mediziner des Weltverbandes Fifa, Jiri Dvorak, sagte nicht ohne Stolz: "Wir haben die vierte WM in Serie ohne positiven Dopingfall." Es liegen zwar erst die Ergebnisse der Vorrunde vor, doch die Fifa scheint nicht damit zu rechnen, dass van der Merwe und seine acht Mitarbeiter in Bloemfontein noch fündig werden.

Bisher 192 Tests

Nach jedem Spiel werden zwei Akteure jeder Mannschaft für die Dopingprobe ausgelost. 192 Tests kamen da in den 48 Vorrundenpartien zusammen, die Proben werden auf dem Landweg nach Bloemfontein gebracht, die meisten kommen spätestens um sieben Uhr morgens in der Free-State-Universität an. Nur die Proben aus Kapstadt benötigen wegen der 1000 Kilometer Entfernung etwas länger. Spätestens 24 Stunden später, berichtet van der Merwe, könne er die Ergebnisse der Fifa mitteilen.

Bereits vor dem Gespräch mit dem Wissenschaftler stellt die Fifa klar, dass die Frage, ob ein Test positiv sei, von van der Merwe nicht beantwortet werde. Die Ergebnisse werden von der Fifa selbst verlautbart. "Alle Teams wurden getestet, alle Tests waren negativ", erklärte nun also Fifa-Mediziner Dvorak. Was van der Merwe sagen würde, bleibt im Dunklen. "Das müssen Sie die Fifa fragen", sagte er und dreht entschuldigend die Handflächen nach oben.

Nicht den Anschluss verlieren

Immerhin darf er ein paar Neugierige durch sein Labor führen. Zweimal muss er eine Tür mit einem Zugangscode öffnen, dann bleibt er unter dem Schild mit der Aufschrift "South Africa Doping Control Laboratory" stehen. 1983, erzählt er, wurde das Labor eröffnet, 1994 nach der Apartheid erhielt es die offizielle Zulassung des Internationalen Olympischen Komitees, später der Internationalen Dopingagentur Wada.

Es ist eines von zwei Dopinglaboren in Afrika, das andere steht in Tunesien. Und so komme hier einiges zusammen in Bloemfontein. Wen er denn zuletzt überführt habe? "Ein recht bekannter Leichtathlet aus Großbritannien hat in Südafrika trainiert, wir haben ihn getestet und er war positiv", sagt van der Merwe. An den Namen kann er sich nicht mehr erinnern, aber in Britannien sei es großes Ding gewesen.

Weil sie hier so weit weg sind vom Schuss, halte er regelmäßig Kontakt mit den Kollegen in Europa, er wolle schließlich nicht den Anschluss verlieren im Wettlauf zwischen Doper und Dopingjäger. Jedes Jahr sei eine Konferenz im Anti-Doping-Labor in Köln. Dennoch wirkt van der Merwe im Vergleich gerade zu den deutschen Doping-Wissenschaftlern sanft. Während die Kollegen Schänzer oder Franke immer wieder warnen, dass Sportler mit nicht nachweisbaren, neuen Mitteln unbesorgt ihre Leistungen steigern können, winkt van der Merwe ab. "Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, unerkannt zu dopen", meint er. Aber auch nicht gerade wahrscheinlich, und schon gar nicht einfach.

Hormone, Steroide, Epo

Sein Labor wurde vor der WM mit 450.000 Euro auf den neuesten Stand der Technik gebracht. In diesem Universitätsbau mit seinen langen Gängen und schmucklosen Zimmern testet van der Merwes Team alle Substanzen, die auf der Wada-Liste stehen. Wie viele das sind? "Oh, ich habe sie nie gezählt, aber sicher mehr als 100. Vielleicht 200", sagte der Laborchef. Wachstumshormone sind darunter, Steroide, Epo selbstverständlich. Das IOC hat nach den Spielen in Peking verlautbart, alle Proben acht Jahre aufzubewahren, um eventuell später mit neuen Tests noch einmal nachprüfen zu können. "Nein, das machen wir nicht", sagt van der Merwe. Die geöffnete A-Probe sei ohnehin nach drei Monaten unbrauchbar, und auch die B-Proben würden in Bloemfontein anschließend nicht gelagert.

Den letzten Dopingfall bei einer WM gab es 1994 durch Diego Maradona. Der Mann, der heute argentinischer Nationaltrainer ist, hatte damals mehrere Medikamente intus, unter anderem das Aufputschmittel Ephedrin. Seither sind die großen Turniere offiziell vom Doping befreit.

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