WM 2010: Deutschland - Australien:Tanz der Teutonen

Grußwort an die Favoriten: In Durban gelingt der deutschen Nationalmannschaft mit dem 4:0 gegen Australien ein perfekter WM-Auftakt, in dem Podolski explodiert und Klose seine Form findet.

Sechs Jahre kennt Joachim Löw die Nationalmannschaft jetzt schon, wobei das etwas beliebige Wörtchen "kennen" nicht annähernd beschreibt, wie das zu verstehen ist. Der Bundestrainer kennt seine Spieler nicht, er hat sie zerlegt, hat ihre Baupläne auswendig gelernt wie ein Molekularforscher und weiß über ihre Stärken und Schwächen wahrscheinlich besser Bescheid als die Spieler selbst. Deshalb konnte Löw vor dem ersten Spiel der deutschen Elf bei dieser WM auch immer wieder behaupten, dass Lukas Podolski "explodieren" und Miroslav Klose "in großartige Form kommen" würde, wenn das Turnier erst einmal begonnen hätte.

Podolski, der eine Bundesliga-Saison gespielt hatte wie ein nasser Knallfrosch, detonierte tatsächlich schon bei der ersten Gelegenheit, die sich im Spiel gegen Australien bot: Sein Schuss zum 1:0 in der siebten Minute ließ Torwart, Torlatte und Tornetz erzittern. Während Miro Klose, zuvor nasser Knallfrosch mit abgerissener Lunte, erst knapp 20 Minuten später zu seinem insgesamt elften Tor bei Weltturnieren kam - aber drei große Chancen in so kurzer Zeit wie diesmal hatte er seit Monaten nicht gehabt. Die DFB-Elf und ihr Trainer hatten ihr Auftaktspiel schon gewonnen, bevor sie anfangen konnten zu zittern, und sie feierten auf dem Platz ein großes Fest. 6:0, 7:0 oder mehr - alles wäre möglich gewesen.

Allerweltsteam Australien

Das Problem der Deutschen nach diesem 4:0 (2:0) und einem äußerst gelungenen Start in den Wettbewerb wird nun sein, die Australier in den nächsten Tagen wieder klein zu reden, nach dem sie in den vielen Wochen der Vorbereitung immer größer zu werden schienen. Die Socceroos kamen der deutschen Elf mal wie ein aus dem Zement der Routine zusammen gemauertes Abwehrbollwerk vor, mal wie eine aus elf furchtlosen Crocodile Dundees bestehende Einheit angriffslustiger Outlaws.

Der als Fernsehexperte verpflichtete Dortmunder Trainer Jürgen Klopp hatte ihnen vor ein paar Tagen sogar eine "nahezu perfekte" Defensiv-Organisation attestiert. Auf dem Fußballplatz im Moses-Mabhida-Stadion zu Durban traf die Elf von Jogi Löw aber letztlich nur ein biederes Allerweltsteam, dem das auf dem Platz immer dann alles ein bisschen zu schnell ging, wenn die Deutschen kombinierten.

Spielen, nicht arbeiten

Und sie kombinierten, als hätte es die vielen anderen vorsichtig-taktisch geführten Eröffnungsspiele der anderen WM-Gruppen nicht gegeben. Die Geduld, die alle Kenner dem Team empfohlen hatten, um gegen die auf Defensive getrimmten Australier nicht die Nerven zu verlieren, reichte gerade mal bis zum Anpfiff. Nach einem Moment der Irritation in der 4. Minute, als erst Cahill und dann Garcia die Führung für den Außenseiter hätte schießen können, wollte die Mannschaft des DFB unbedingt beweisen, was ihr Kapitän Philipp Lahm ihr ins Stammbuch geschrieben hatte: Sie sei spielerisch die beste Nationalelf, in der er je mitgewirkt habe.

WM 2010 -  Deutschland - Australien

Die deutsche Nationalelf feiert ihren fulminanten Einstand am Kap. Podolski brachte Löws Mannschaft schon in der achten Spielminute in Führung.

(Foto: dpa)

Und so entsprang gleich die Führung auch der schönsten erfolgreich abgeschlossenen Kombination des bisherigen Turniers: Es begann mit einem öffnenden Pass von Bastian Schweinsteiger auf Mesut Özil, der zwei, drei Gegner mit solch schnellen Wendungen abschüttelte, dass die Begeisterung des Publikums darüber sogar die Vuvuzelas übertönte, ehe der den Ball hinter die australische Abwehr auf Thomas Müller schob, der weit zurücklegte auf den in den Strafraum geeilten Lukas Podolski.

Es war ein Tor wie ein Grußwort an diese WM: Die deutsche Elf will hier spielen, nicht arbeiten.

Mesut Özil, Lukas Podolski und der Münchner Müller blieben die spielbestimmenden Figuren, behutsam angeleitet von Khedira und Schweinsteiger, die wie ein gutes Bergsteigerduo vor der Abwehr agierten: Mal sicherte der eine den Vorstoß des anderen ab, dann war es umgekehrt. Und dieser Thomas Müller, dem Hamburger Trochowski vorgezogen: spielte einen Rechtsaußen wie aus dem Bilderbuch. In der zweiten Halbzeit gab es eine Szene, in der Müller, vor einem Jahr noch mit Bayern II gegen Wacker Burghausen aktiv, erst mit Lahm einen Doppelpass spielte, um dann selbst in den Strafraum durchzulaufen und beinahe das 3:0 zu erzielen. Man kann diese Szene erzählen oder fünf andere oder letztlich die, in der er tatsächlich traf: Der 20-jährige Thomas Müller, Rückennummer 13 wie einst der Gerd, wackelte Australiens Torwart Schwarzer aus wie einst der Gerd (68. Minute).

In diesem Moment hatte der fünfte Kontinent bereits kapituliert, war um Cahill (Rot, 56.) dezimiert und von Özil, Podolski und Co. gedemütigt worden. Als hätte jeder von ihnen mindestens einen Brasilianer gefrühstückt, entledigte sich das deutsche Mittelfeld in fast beängstigender Ballsicherheit jeglicher Gefahr, von den Australiern auch nur noch ein einziges Mal gefährdet werden zu können. Selbst ließen sie beste Chancen liegen, Klose vor allem, der nach seinem Treffer zum 2:0 per Kopf nach Flanke von Lahm noch zwei, drei Möglichkeiten hatte, oder Özil, der sich manchmal selbst zu schnell zu sein scheint. Alles kam so, wie es ein Bundestrainer malen würde, wenn er träumen dürfte, inklusive des Joker-Tores von Cacau zum 4:0 (70.). Löw kennt seine Spieler eben.

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