Ungewöhnliche Vorstellung: Die Mitglieder der deutschen Autoren-Nationalmannschaft haben Loblieder auf einige deutsche Spielerinnen verfasst. Sie sind erschienen im Buch "Fußball ist unser Lieben - Neue Geschichtender deutschen Autorennationalmannschaft" (Suhrkamp, 8,95 Euro)
Das Herz der Feldherrin (Silvia Neid)
Trainer sind Feldherren. Sie tragen das Schlachtfeld als Magnettafel bei sich. Sie führen darauf Strategien und Systeme gegeneinander, machen einen Matchplan. Sie fordern Schussstärke und Präzision. Schlimmer noch, Trainer sind Sexbestien. Sie wollen, dass man den Gegner zu fassen bekommt. Dass er deinen Atem spürt. Dass du ihn permanent deckst. Nicht dass all diese Metapherngebirge abgetragen wären, aber verbraucht haben sie sich doch, die martialischen Sprachmuster. In schöner Gleichzeitigkeit hat sich der Frauenfußball emanzipiert. Nur brauchte es dafür naturgemäß Frauen mit Kämpferherz, die vorangingen: Am 28. Mai 1988 drang Silvia Neid mit einem grandiosen Volleyschuss als erste Frau in die Domäne des Männerfußballs ein - Tor des Monats in der ARD-Sportschau. Seitdem ist sie dabei, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das ihre männlichen Kollegen nur beneiden können: Als Spielerin sieben Deutsche Meistertitel, sechs DFBPokalsiege, 111 Länderspiele mit 48 Toren, drei EM-Titel. Als Trainerin führte sie das Nationalteam zum WM-Titel in Shanghai und zum EM-Sieg in Helsinki. Neid weiß auch, dass sie in ihren modischen Anzügen und Blusen das Ideal der modernen erfolgreichen Geschäftsführerin abbildet. In der Kabine kennen wir sie nicht, nur am Mikrofon. Dort stellt sie sich immer vor ihre Frauenschaft, wenn es nicht so läuft. Und wenn sie dann wieder gewonnen hat, wirkt sie gelöst, lächelt ausgiebiger als ihre männlichen Kollegen. Nein, sie ist keine Amazonenkönigin. Jan Böttcher