WM-Ausrichter:Grenzen sprengen mit vielen Herzen

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Wegen der schlechten Infrastruktur wird die WM Russland mindestens 3,82 Millarden Dollar kosten. In Katar sollen riesige Klimaanlagen Spiele trotz hoher Temperaturen ermöglichen.

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Er war dann also nicht in Zürich: Wladimir Putin, Russlands Ministerpräsident, hatte nach wochenlangen Medienspekulationen um seine mögliche Anwesenheit beim Fifa-Kongress in Zürich am Tag zuvor seine Teilnahme abgesagt. Und die Fifa kritisiert: Ein "skrupelloser Wettbewerb" sei die WM-Vergabe, sagte Putin. Russland war trotzdem (neben England) Favorit für die Vergabe der WM 2018. Als Hauptargument führte etwa Russlands Außenminister Sergej Lawrow an: "Wir durften bisher kein solch bedeutendes Turnier veranstalten."

Das Olympiastadion in Moskau könnte auf bis zu 90.000 Zuschauer erweitert werden. (Foto: dpa)

Tatsächlich bekommt Russland mit der Fußball-WM 2018 erstmals ein Großereignis in dieser landesweit höchst populären Sportart. Die Vorbereitung auf Olympia 2014 in Sotschi zeige, dass Russland so ein Ereignis stemmen könne, findet Lawrow. Allerdings wartet viel Arbeit auf die Russen: Insbesondere müssen Hotels sowie Stadien gebaut und die Infrastruktur erweitert werden. Auch die Distanzen zwischen den 13 Spielorten sind ein Problem, zumal die Flug- und Zugverbindungen schlecht sind. Die veranschlagten Gesamtkosten liegen mit 3,82 Milliarden Dollar (rund 2,9 Milliarden Euro) höher als bei den Rivalen. Von den geplanten 16 Arenen müssen 13 neu oder komplett umgebaut werden.

Allerdings erhofft sich die Fifa durch den Zuschlag an Russland die Erschließung neuer Geldquellen. "Eine WM in Russland bietet den Zugang zu neuen Märkten", unterstrich deshalb auch Alexej Sorokin, Generalsekretär des Bewerbungskomitees, bei der Präsentation. Aus der Wirtschaft seien mehr als 760 Millionen Euro in das Sponsoring der Olympischen Spiel 2014 in Sotschi investiert worden, wie Russlands Sportminister Witali Mutko sagte - da der Fußball in Russland die Sportart Nummer eins sei, könne man für die WM mit noch höheren Zuwendungen rechnen.

Nicht zuletzt setzt Russland auf die emotionale Komponente. Es gab noch nie eine Fußball-WM in Osteuropa, was Mutko zu der Aussage veranlasst, vor vielen Jahren sei ja die Berliner Mauer gefallen; jetzt werde "eine symbolische Mauer" eingerissen und eine "neue Ära" eingeläutet. Die WM in Russland, sagt Mutko pathetisch, biete die Chance, "Millionen Herzen zu erobern".

Gewiss, Katar war optimistisch: In der Hauptstadt Doha hieß es noch wenige Stunden vor der Vergabe der WM2022, die Präsentation in Zürich sei gelungen gewesen und gut angekommen. Als dann aber Fifa-Präsident Sepp Blatter am Nachmittag den Umschlag mit dem WM-Gastgeber 2022 öffnete und tatsächlich die Karte mit der Aufschrift "Katar" hervorzog, da blickten selbst die Vertreter des Scheichstaates verblüfft. Katar hat noch nie ein vergleichbares Großereignis ausgerichtet.

Jubel in Katar über die Ausrichtung der WM 2022. (Foto: AP)

Aus deutscher Sicht hat der Zuschlag an Katar immerhin einen Vorteil: Das Schienennetz, das für die WM gebaut werden soll, soll unter Mithilfe der Deutschen Bahn errichtet werden. Geplant sind zwölf Stadien in sieben Städten, Arenen wie das noch zu bauende Lusail-Stadion werden voll klimatisiert sein - die WM wird in den heißesten Monaten des Jahres stattfinden, Temperaturen unter 30 Grad werden eine Seltenheit sein.

Das Budget beträgt 2,9 Milliarden Euro, die Stadien werden in einem Baukastensystem errichtet und nach der WM wieder abgebaut, die Materialien sollen dann für andere Bauprojekte wiederverwendbar sein. Damit begegnen die Katari der Gefahr leerstehender Stadien nach der WM: Bislang spielt in Fußball in Katar keine große Rolle. Das Land hat noch nie an einer WM teilgenommen.

© SZ vom 03.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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