WM-Auftakt der DFB-Frauen:Überrascht vom Gruselkick der Gegnerinnen

Soccer: Women's World Cup-Germany at Ivory Coast

Anja Mittag (li.): Gegen die Elfenbeinküste unterfordert

(Foto: USA Today Sports)
  • Die deutschen Fußballfrauen gewinnen das WM-Auftaktspiel gegen die Elfenbeinküste mit 10:0 - doch eine Einordnung der Leistung ist schwierig, weil der Gegner so schwach war.
  • "Wir haben die Elfenbeinküste stärker eingeschätzt, als sie heute gespielt hat", wundert sich Bundestrainerin Neid, "ich hätte nie gedacht, dass wir so hoch gewinnen."
  • Am Donnerstag spielt die DFB-Elf gegen einen starken Gegner: Norwegen (ab 22 Uhr im Liveticker auf SZ.de).

Von Jonas Beckenkamp

Der Trainer und Fußballphilosoph Hans-Hubert Vogts hat der Welt einige hübsche Erkenntnisse geschenkt, ohne die bestimmte Bereiche des Spiels noch heute unerforscht dastünden. So war Vogts früh klar, dass "in der Breite die Spitze dichter" zusammengerückt sei. Er meinte damit nichts anderes als: "Es gibt keine Kleinen mehr." Auch dieses prägende Urteil entstammt der Vogts'schen Lehre aus den 90er Jahren, aber damals konnte der heute 68-Jährige ja nicht wissen, dass zumindest im Frauenfußball noch Kleine von ganz anderer Kleinheit unterwegs sind.

Die Fußballerinnen von der Elfenbeinküste etwa, das lässt sich nach dem 0:10 (0:5) gegen die deutschen Frauen zum WM-Start sagen, sind der lebende Beweis dafür, dass auch der große Berti Vogts (1,68 Meter) mal irren kann. Derartige Ausflüge ins Interpretatorische können Bundestrainerin Silvia Neid und ihrem Team egal sein, für sie bleibt nach dem federleichten Auftaktspaziergang in Ottawa der Erfahrungswert: Hat ganz gut angefangen, denn zehn Tore gelingen einem auf diesem Level auch nicht alle Tage.

Acht Jahre ist es her, da hatten die Deutschen sogar elf Treffer zum WM-Start geschafft - 11:0 hieß es damals gegen Argentinien. Am Ende baumelten um die Hälse der DFB-Frauen die Weltmeistermedaillen. Um diesen Erfolg zu wiederholen, sind die Spielerinnen nun nach Kanada gereist, wo auf Kunstrasen ziemlich sicher noch etwas weniger "Kleine" als die Elfenbeinküste warten. Am Sonntag ging es deshalb erst einmal um die richtige Einordnung des Ergebnisses. "Wir haben die Elfenbeinküste stärker eingeschätzt, als sie heute gespielt hat", wunderte sich Neid, "ich hätte nie gedacht, dass wir so hoch gewinnen."

Wer denkt schon, bei einem Weltturnier auf Gegnerinnen zu treffen, die mit der Ausübung der Abseitsfalle noch so ihre Probleme haben. Die Version der überforderten Afrikanerinnen sah über weite Strecken nämlich vor, dass alle Abwehrspielerinnen ihre Position auf verschiedener Höhe einnahmen. So konnten die Deutschen sich genüsslich durch die Reihen kombinieren.

Célia Šašić - vielen noch unter ihrem Mädchennamen Okoyino da Mbabi bekannt - traf schon in der ersten Hälfte dreimal (3., 14., 31. Minute), dazu freute sich Anja Mittag (29., 35.) über selten gesehene Freiräume. Mittag selbst wunderte sich ebenso wie die 20 000 Zuschauer im Stadion am Landsdowne Park: "Das Ergebnis war etwas überraschend."

"Jede hatte Schaum vor dem Mund"

Dass die Ivorerinnen überhaupt keine Gegenmittel besitzen, hatten die DFB-Frauen so nicht erwartet. Ihre eigene Offensivstärke schon eher. Die Deutschen nutzten ihre technische und taktische Überlegenheit, sie zelebrierten zügig ihr Passspiel und behielten auch nach einem kurzen Durchhänger nach der Pause ihre Gier auf weitere Tore.

Lena Goeßling, der allein in der ersten Hälfte drei Vorlagen gelungen waren, verkörperte diese Seriosität mit aller Wucht - dabei galt sie vor einigen Jahren noch als Schlendrian-Kandidatin. Auch Simone Laudehr erklärte den Auftaktsieg mit der eigenen Einstellung. "Wir sind hellwach gewesen", sagte sie, "jede von uns hatte Schaum vor dem Mund."

Die weiteren Tore kamen wie von selbst, weil die Ivorerinnen sogar die einfachsten Dinge vermissen ließen: Zum Beispiel defensive Disziplin oder das Stellen einer ordentlichen Freistoßmauer. Neben den Toren von Mittag (64.), Laudehr (71.), Sara Däbritz (75.) und Melanie Behringer (79.) bleibt wohl vor allem Alexandra Popps 10:0 in Erinnerung.

Bei ihrem Freistoß hatten die Afrikanerinnen das Motto einer deutschen Bank beherzigt und gleich von selbst den Weg freigemacht. "Nach den frühen Toren wollten wir souverän weiterspielen", erklärte Popp, die reihenweise Chancen für noch mehr Tore besaß. "Wir können erhobenen Hauptes ins nächste Spiel gehen."

Ob Melanie Leupolz dann dabei sein kann, muss sich zeigen. Die Münchner Mittelfeldspielerin musste früh mit einer Schambeinprellung raus. Sie war damit das einzige ernsthaft versehrte Opfer der ungestümen Attacken der Afrikanerinnen. Am Ende ging es bei den Deutschen ohnehin nur mehr um jenen kommenden Auftritt: Am Donnerstag trifft die DFB-Auswahl auf Norwegen (ab 22 Uhr im Liveticker auf SZ.de) - und es ist nicht davon auszugehen, dass die Skandinavierinnen die Theorien des Fußballweisen Berti Vogts weiter torpedieren werden. Sie sind beim besten Willen keine Kleinen. Sie sind vergleichsweise groß.

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