WM 2010: Algerien - Slowenien:Der Torwart hilft mit

Nach 79 einschläfernden Minuten greift Algeriens Schlussman Fawzi Chaouchi daneben und lässt einen harmlosen Schuss zum 0:1 passieren. Slowenien freut sich über eine Premiere.

Fawzi Chaouchi ist ein besonderer Spieler in der Nationalmannschaft Algeriens: Er verdient sein Geld tatsächlich noch in der Heimat, bei der Entente Sportive de Sétif. In der Startelf gegen Slowenien hatte Chaouchi damit ein Alleinstellungsmerkmal. Der 25-Jährige ist kein uneitler Mann: Er trägt seine Haare um die Ohren rasiert und oben etwas länger blond gesträhnt. Fürs erste WM-Spiel hatte Chaouchi sich zudem silberne Schuhe und ein lila Trikot mit kurzen Ärmeln eingepackt.

Algeria's goalkeeper Chaouchi concedes a goal to Slovenia during a 2010 World Cup Group C soccer match at Peter Mokaba stadium in Polokwane

Als wäre er zum ersten Mal Torwart: Fawzi Chaouchi lässt einen nicht besonders schnellen Aufsetzer des Slowenen Robert Koren durch.

(Foto: rtr)

In ihm sah Fawzi Chaouchi in der 79.Spielminute ziemlich doof aus. Als sich so gut wie alle im Stadion schon mit einem torlosen Unentschieden abgefunden hatten, ließ er einen recht harmlosen Schuss an seinen Armen vorbeirutschen, den der slowenische Kapitän Robert Koren von der Strafraumgrenze aus mit dem rechten Fuß eher halbherzig abgegeben hatte. So kam es zum 1:0 (0:0)-Endstand.

Wie ein Vuvuzela-Konzert

Nach dem Fehler des englischen Schlussmanns Robert Green beim 1:1 gegen die USA im ersten Spiel der Gruppe C am Abend zuvor war es der zweite auffällige Patzer eines Torwarts bei dieser WM. Dem Jabulani, dem aus acht Polyester-Platten zusammengefügten und angeblich unberechenbar flatternden WM-Ball, war bei der Aktion nichts anzulasten. Chaouchi sah die Kugel kommen, die weder flatterte noch torkelte. Chaouchi bekam sie bloß nicht zu fassen. Algeriens Trainer Rabah Saadane kommentierte das Missgeschick erstaunlich gelassen: "Fehler passieren und werden auf diesem Level sofort bestraft."

Die späte Entscheidung zugunsten der Slowenen kam überraschend. Sie hatten noch weniger vom Spiel gehabt als die Algerier. Die waren in der ersten Halbzeit immerhin zu zweieinhalb Tormöglichkeiten gekommen und in der zweiten noch einmal zu einer halben. Für die beiden slowenischen Angreifer Milivoje Novakovic und Zlatko Dedic, die, wenn gerade keine WM ist, für den 1.FC Köln und den VfL Bochum spielen, notierte die Statistik in der ersten Halbzeit gerade einmal 13 Ballberührungen.

Gut, dass der Rasen im Peter-Mokaba-Stadion nicht nur aus Natur besteht: Die Partie wurde so ausgiebig zwischen den Strafräumen ausgetragen, dass dort andernfalls braune Stellen gedroht hätten. Um die Lebensdauer der Spielfläche zu erhöhen, hat der Fußballweltverband den Rasenpflegern in Polokwane und in Nelspruit erlaubt, synthetische Halme zwischen die gewachsenen zu stecken.

Dreistes Handspiel

Die Slowenen und die Algerier waren die ersten, die in den Genuss kamen, auf einer solch gleichmäßigen Spielfläche kicken zu dürfen - bei 22 Grad, Sonne und keiner nennenswerten Luftfeuchte. An den äußeren Bedingungen kann es nicht gelegen haben, dass ihr Kräftemessen bis zu Chaouchis Fehlgriff so spannend war wie ein Vuvuzela-Konzert, das lag eher an der taktischen Grundausrichtung.

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Als wäre er gerne mal Torwart: Der algerische Stürmer Abdelkader Ghezzal wurde für sein dreistes Handspiel eine Viertelstunde nach seiner Einwechslung schon wieder des Spielfelds verwiesen.

(Foto: afp)

Algeriens Trainer Saadane, der einzige afrikanische Coach bei dieser WM, hat sich einen besonderen Kniff ausgedacht: Ist sein Team in Ballbesitz, spielt es mit drei Defensiv-Kräften vor den nominellen Defensiv-Kräften. Hat der Gegner die Kugel, lassen sich zusätzlich noch zwei Mann zurückfallen. Gegen diesen Doppel-Riegel fanden die Slowenen kein Mittel. Es dauerte tatsächlich 43 Minuten, bis sie erstmals einen Schuss auf das algerische Tor abgaben, dem keine Standardsituation voraus gegangen war: Valter Birsa (AJ Auxerre) zog fein ab, doch in dem Moment war Chaouchi noch auf seinem Posten und auf der Höhe - mit der rechten Hand lenkte der Torwart den Ball, der mittig auf sein Tor zuflog, lässig über die Latte.

Die Slowenen bestreiten in Südafrika nach der EM 2000 und der WM 2002 ihr drittes großes Turnier. Bei den ersten beiden war ihnen kein Sieg geglückt. Zu dem 1:0 gegen Algerien kamen sie so, wie sie zu der ganzen Afrikareise gekommen waren: spät und etwas glücklich. In den Qualifikations-Entscheidungsspielen gegen Russland hatte ein Treffer von Zlatko Dedic den Ausschlag gegeben. Zur Führung in der Tabelle der Gruppe C schoss sie nun Robert Koren, der für West Bromwich Albion während der vergangenen drei Jahre in mehr als 120 Spielen 16 Tore schoss.

Gelb nach 30 Sekunden

So viel Platz wie an diesem Sonntag dürfte der 29-Jährige bei dem Aufsteiger aus der zweiten englischen Liga am gegnerischen Strafraum aber nur selten genießen: Den Aufsetzer, der zum 1:0 führte, durfte Koren einigermaßen ungestört abgeben, was damit zu tun hatte, dass die Algerier zu dem Zeitpunkt nur noch zu zehnt auf dem Platz standen.

Der Kader der Nordafrikaner ist mit insgesamt 480 Länderspielen sehr unerfahren. Welche Gefahr das birgt, führte Abdelkader Ghezzal, 25, vom AC Siena vor: In der 58. Minute eingewechselt, sah der Stürmer 30 Sekunden später wegen Haltens Gelb. 14 Minuten später flog er nach einem dreisten Handspiel vom Platz. Neben Chaouchis Fehlgriff war das ein zweiter, einer WM unwürdiger Patzer.

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