WM-Affäre:Darum wird Niersbach noch unterstützt

German Football Federation Informs About FIFA World Cup 2006 Investigations

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach versucht, die Vorgänge um die WM-Affäre auf einer Pressekonferenz zu erklären.

(Foto: Simon Hofmann/Getty Images)
  • Die Affäre um die Vergabe der WM 2006 hat den DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach in arge Bedrängnis gebracht.
  • Seine Unterschrift unter einer Steuererklärung aus dem Jahr 2007 wird ihm gefährlich.
  • Ein Rücktritt von Niersbach hätte weitreichende Folgen für die Sportpolitik.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Wolfgang Niersbach gilt als redseliger Sportkamerad, aber jetzt schweigt er - zumindest in der Öffentlichkeit. Seit 21 Tagen schwelt die Sommermärchen-Affäre, seit drei Tagen ist sie auch ein offizieller Steuerfall für die Staatsanwaltschaft, aber der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sagt vorläufig nichts mehr dazu. Und eine zentrale Frage lautet: Ist Niersbachs nächstes öffentliches Statement gleichbedeutend mit der Ankündigung seines Rücktrittes?

Bisher denkt der DFB-Präsident offenkundig trotz der Ermittlungen gegen seine Person nicht an einen Rückzug.

Im Verband sondieren sie gerade in diversen internen Runden die Lage. Am Donnerstagnachmittag traf sich auch der wichtige Präsidialausschuss, dem neben Niersbach noch Generalsekretär Helmut Sandrock, Vizepräsident Rainer Koch, Schatzmeister Reinhard Grindel sowie Reinhard Rauball, Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), angehören. Bisher gibt es weder im organisierten Fußball noch in der Politik Stimmen, die lautstark Niersbachs Rücktritt fordern.

Trotz dessen mangelhaften Krisenmanagements, trotz der offenkundigen Widersprüche zwischen seinen Darstellungen und denen der anderen damaligen Beteiligten im WM-Organisationskomitees. Und obwohl unklar ist, wie intensiv er in die Vorgänge rund um die ominösen 6,7 Millionen Euro in den Jahren 2002 und 2005 involviert war. Diese Zurückhaltung hat in Teilen mit dem gängigen Korpsgeist in der Sportwelt zu tun, zum anderen auch damit, dass sich die Sache längst zu einem Mehrfronten-Konflikt entwickelt hat.

Warum blieb die Steuererklärung so lange liegen?

Gegen Niersbach führt die Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Verfahren, weil er im Herbst 2007 kurz nach seiner Ernennung zum DFB-Generalsekretär die Steuererklärung unterschrieb, in der die 6,7 Millionen Euro als Beitrag für ein WM-Kulturprogramm und damit womöglich fälschlicherweise als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden.

Dabei hatte die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihr Testat offenkundig schon mehr als ein halbes Jahr vorher abgegeben. Nun wundert sich mancher Experte im Lande, warum der ausgebildete Steuerinspektor Theo Zwanziger, 2007 bereits zum alleinigen DFB-Chef aufgerückt, und der vielgelobte Verwaltungsfachmann Horst Schmidt, vor Niersbach 15 Jahre lang Generalsekretär, die Steuererklärung so lange liegen ließen - bis Niersbach im Amt war.

Geraune von einer "Falle"

Das Duo hatte auch im April 2005 die Zahlung der 6,7 Millionen Euro formal in Auftrag gegeben. Beim DFB sind sie intern ebenfalls verwundert, von einer "Falle" wird mancherorts geraunt. Einige von denen, die Niersbach intern stützen, tun es auch, weil sie glauben, dass er ihnen als Präsident bei der Aufklärung mehr helfen kann als nach einem Rücktritt - weil ihn dann womöglich Anwälte zum Schweigen verdonnern. Im Laufe des Donnerstags sprach Niersbach in Frankfurt mit den externen Ermittlern der Kanzlei Freshfields.

Es spielen viele Aspekte mit. Formal kann Niersbach das Amt nicht ruhen lassen. Es braucht eine Entscheidung: Weitermachen oder Rücktritt. In letzterem Falle ist damit zu rechnen, dass zunächst eine Doppelspitze übernimmt: DFL-Chef Rauball würde den Verband nach außen repräsentieren, Rainer Koch als erster DFB-Vizepräsident nach innen wirken. Diskutiert wird jedoch, wie lange so ein Duo den Verband interimistisch führen könnte. Der nächste Bundestag ist erst für Herbst 2016 angesetzt. Bis dahin gibt es einige wichtige sportliche und sportpolitische Ereignisse.

Für Ende Februar ist der Kongress des Weltverbandes Fifa terminiert, der Sepp Blatters Nachfolger sucht. Auch Europas Fußball-Union Uefa dürfte bald ihre 54 Mitglieder versammeln, falls Frontmann Michel Platini wie erwartet von den Fifa-Ethikern endgültig gesperrt wird. Und im Sommer 2016 steht die EM in Frankreich an. Fragen stellen sich aber nicht nur wegen Niersbachs DFB-Amt, sondern auch wegen seiner internationalen Posten. Bei der Uefa wie bei der Fifa sitzt er im Vorstand.

Sollte er zurücktreten, rückt dort aber nicht automatisch der nächste Deutsche nach. Die Uefa müsste über die Besetzung beider Posten neu befinden - ob da ein deutscher Quereinsteiger ohne Stallgeruch einfach durchstarten kann, bliebe abzuwarten. Die Liga drängt seit Längerem auf mehr Einfluss, nun eröffnet sich vielleicht eine Chance - für Rauball, vielleicht auch für jemanden wie Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Am Montag will sich das Präsidium des DFB inklusive Niersbach zu weiteren Erörterungen treffen.

Aus manchen Landesverbänden gibt es zudem die Forderung nach einer vorgezogenen Vorstandssitzung: Das ist das formal zweitwichtigste Gremium des DFB nach dem Bundestag - und nebenbei das einzige, das gemäß Satzung Niersbach absetzen könnte. Doch an einen solchen Schritt glaubt niemand. Die größere Gefahr droht dem DFB-Chef von Seiten der Fifa-Ethikkommission, die sich seines Fall schon angenommen hat und bald eine provisorische Sperre aussprechen könnte.

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